KZV Westfalen-Lippe treibt eigenes TI-Konzept voran

Wollen Sie es der Industrie zeigen?

In den kommenden Monaten sollen alle Praxen an Deutschlands größtes elektronisches Gesundheitsnetz angeschlossen werden. Doch der Ausbau der Telematikinfrastruktur gleicht immer mehr dem Neubau des Hauptstadtflughafens. Die KZV Westfalen-Lippe nimmt die Dinge selbst in die Hand. Über eine Tochterfirma soll ein eigener Konnektor auf den Markt gebracht werden. „Wir sind zuversichtlich, dass wir alle unsere Praxen noch im ersten Halbjahr 2018 vollständig austatten können und dies zu einem Preis, der unter den Erstattungspauschalen der Finanzierungsvereinbarung liegen wird“, sagt Michael Evelt, Geschäftsführer der ZIS GmbH im Interview.

Die KZV Westfalen-Lippe plant, über ihre Tochterfirma ZIS im Januar 2018 einen weiteren Konnektor auf den Markt zu bringen. Ganz schön knapp. Wie wollen Sie das schaffen?

Michael Evelt: Ich bin mir bewusst, dass die zeitlichen Vorgaben eine große Herausforderung für alle Beteiligten darstellen. Nach wie vor steht der 01.07.2018 als strafbewehrter Termin für Leistungserbringer im E-Health-Gesetz, auch wenn es Bestrebungen des Bundesgesundheitsministeriums gibt, diesen Termin durch Verordnung auf den 31.12.2018 zu verschieben.

Deshalb dürfen wir auch keine Zeit verlieren. Aus diesem Grund suchen wir gerade über eine europaweite Ausschreibung einen technischen Zugangsdienstbetreiber. Dieser wird auch den Konnektor für die Praxen stellen. Wir möchten unseren Mitgliedern einen vollumfassenden TI-Service aus einer Hand anbieten, inklusive Konnektor, Kartenterminals, DVO und SMC-B. Wir werden somit keinen eigenen Konnektor auf den Markt bringen, sondern wir suchen aus den vorhandenen Anbietern den qualitativ besten und wirtschaftlich attraktivsten Partner für unsere Kunden aus. Der Zuschlag hierzu wird im Oktober 2017 erteilt. Die Installationen werden im ersten Halbjahr 2018 durchgeführt, sodass alle Kunden der ZIS GmbH fristgerecht die TI-Anforderungen umsetzen. 

Bislang gibt es nur zwei Firmen, die für ihre Konnektoren den Zuschlag der gematik erhalten haben: die CompuGroup und RISE aus Österreich. Wollen Sie es der Industrie zeigen?

Es geht uns nicht darum, irgendjemandem etwas zu beweisen oder zu zeigen. Das ist nicht unsere Motivation. Darüber hinaus brauchen wir die Industrie. Ohne verlässliche Anbieter können wir die gesetzlich verpflichtenden Anforderungen für die Kunden der ZIS GmbH nicht umsetzen. Unser Anliegen ist deshalb ausschließlich, die Praxen zu unterstützen. Aber, ein Zuschlag der gematik ist nicht gleichzusetzen mit einer Zulassung für den Produktivbetrieb (OPB), die eine Zertifizierung des BSI und eine Zulassung der gematik voraussetzt. Aktuell haben wir die Situation, dass kein Konnektor für den Produktivbetrieb zugelassen ist. 

Wir haben im März dieses Jahres bereits eine Markterkundung mit den gleichen Kriterien unserer jetzigen EU-weiten Ausschreibung durchgeführt. Somit wissen wir genau, welche Hersteller es am Markt gibt, sowohl für Konnektoren als auch für den Zugangsdienstbetrieb. Wer unsere Ausschreibung am Ende gewinnt, hängt von eindeutig definierten Kriterien ab. Wichtig: Wir stellen keinen eigenen Konnektor her, sondern der von uns ausgewählte Zugangsdienstbetreiber muss einen Konnektor mitliefern. 

Warum sollte sich der Zahnarzt für Ihr Produkt entscheiden?

Wir bieten ein Beratungsangebot an, indem wir unseren Kunden zusichern die geeignetsten Anbieter für sie am Markt zu finden und zu vermitteln. Letztlich entscheidet der Kunde der ZIS GmbH, ob er das Produkt möchte. Unsere Ausschreibung ist absolut gematik-konform und wurde durch die gematik selbst vorab reviewed. Die ZIS GmbH verfügt über ein qualifiziertes Team, das in der Lage ist, die Praxen kompetent zu beraten und im Fehlerfall schnell und effektiv zu unterstützen. Sie ist für den kommenden Rollout in den Praxen gut gerüstet. Die ZIS GmbH ist eine 100%ige Tochter der Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KZVWL). Diese hat bereits seit 2010 als Zugangsdienstbetreiber für Abrechnungs-Services diese Aufgabe für ihre Mitglieder übernommen und hat hier somit enorm viel Erfahrung. 

Ein großer Vorteil: Wir wissen genau, wie die EDV-Strukturen in den Praxen sind und erleben somit keine großen Überraschungen, ein weiterer Vorteil ist natürlich, dass nahezu alle unsere Praxen Gebrauch von der Online-Abrechnung machen, hier gibt es also keine Probleme mit fehlendem Internetzugang oder Ähnlichem. Das kann in anderen Bundesländern durchaus anders aussehen. 

Stichwort Zertifizierung. Wie ist denn der Stand der Dinge?

Kriterium für unsere Ausschreibung ist, dass sich alle benötigten Dienste und Geräte im Zulassungsverfahren bei der gematik befinden müssen. Über die Anbieter können wir im laufenden Verfahren leider nichts sagen. Wir sind zuversichtig, dass wir alle unsere Praxen noch im ersten Halbjahr 2018 vollständig ausstatten können und dies zu einem Preis, der unter den Erstattungspauschalen der Finanzierungsvereinbarung liegen wird. Unsere Praxen werden also auch im 2. Quartal 2018 keinen Cent draufzahlen müssen.

Können nur Zahnärzte in Westfalen-Lippe den kompletten TI-Dienst kaufen und nutzen?

Das Ziel ist, den Mitgliedern in Westfalen-Lippe eine Lösung aus einer Hand – sowohl zur Lieferung und Installation der dezentralen Komponenten der TI in ihrer Praxis als auch für den laufenden Betrieb – liefern zu können.

Die ZIS GmbH hat Kooperationen mit diversen PVS geschlossen. So haben deutschlandweit Praxen die Möglichkeit, das Angebot des ausgewählten Anbieters in Anspruch zu nehmen – über ihr PVS.

Wie steht es mit den Kosten?

Die ZIS GmbH verpflichtet sich gegenüber der Zahnarztpraxis, dass die summarischen monatlichen Kosten aus technischem VPN-Zugangsdienstbetrieb, Wartung Konnektor, First Level Support des Dienstleisters vor Ort (DVO), Second Level Support und eigener Beratungsleistung unterhalb des Erstattungsbetrags (Betriebskostenpauschale) der GKV-Finanzierungsvereinbarung für die Praxen in Höhe von monatlich 83,00 Euro brutto liegen.

Auch die Kosten für die Standard-Erstausstattung (Konnektor, ein stationäres Kartenterminal, TI-Starterpauschale) inklusive Installation liegen unterhalb des Erstattungsanspruchs für das II. Quartal 2018 in Höhe von einmalig 3.245,00 Euro brutto aus der Finanzierungsvereinbarung.

Die KZV Westfalen-Lippe hat bereits vor Jahren damit begonnen, eine umfassende TI-Architektur aufzubauen. Welche Vorteile hat es für den Zahnarzt in Westfalen-Lippe langfristig, sich hier anzudocken?

Ganz klar, ein kompetenter Ansprechpartner für alles. Durch die engen Kooperationen mit den PVS wird eine Fehlerbehebung besonders schnell und effizient. Ein Kriterium unserer Ausschreibung war zum Beispiel eine IT-Service Management Plattform. Hier haben ZIS-Hotline, DVO, technischer Zugangsdienst und PVS Einblick, und können so schnell durch ein Ticketsystem das Problem zuordnen und lösen. Die TI ist sehr komplex, man kann nicht erwarten, dass Zahnarzt oder Praxispersonal bei einem Fehler direkt wissen, wo dieser liegt. Sie müssen entscheiden: Rufe ich den Internetprovider an, den Zugangsdienstbetreiber, den Dienstleister vor Ort oder vielleicht doch den PVS-Anbieter? Bei uns ist das eine Nummer und wir kümmern uns darum, dass das Problem – egal welchen Ursprungs – schnell behoben wird. 

Es heißt, die Konnektoren werden alle fünf Jahre neu zertifiziert. Wie sind Sie darauf eingestellt?

Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich während des laufenden Verfahrens und somit vor Abschluss der Verträge noch keine abschließenden Aussagen über Vertragsmodalitäten machen kann. Aber selbstverständlich werden wir auch dieses Szenario über Vertragslaufzeiten und zertifizierte Lieferketten schriftlich in Verträgen regeln. Die Installationen selbst werden durch zertifizierte Dienstleister vor Ort (DVO) realisiert. 

Was schätzen Sie, wie hoch wird Ihre Abdeckung in Westfalen-Lippe sein?

Wir haben das Projekt vorab lange vorbereitet. Die Praxen in Westfalen-Lippe hatten das ganze Jahr über die Möglichkeit, sich für unseren Dienst vorzumerken. Der überwiegende Teil der Praxen in Westfalen-Lippe hat das getan. Hinzu kommt, dass die Entscheidung, dieses Projekt voranzubringen aus einer einstimmigen Beauftragung der Vertreterversammlung stammt. Die Zahnärzteschaft in Westfalen-Lippe hat also explizit gewünscht, dass wir das angehen und steht dahinter. 

Gibt es Pläne die TI noch weiter auszubauen? Ist die Patientenakte beispielsweise ein Thema für Sie? 

Auf jeden Fall! Wir möchten unsere Praxen nicht nur bei der Erstausstattung unterstützen, sondern fortlaufend. Teil der Vereinbarung ist auch die Beratung bei zukünftigen Anwendungen. Die ZIS GmbH bietet der Zahnarztpraxis Beratungsleistungen zu Anwendungen an, die zukünftig in die TI integriert werden sollen, insbesondere über: die qualifizierte elektronische Signatur (QES); das Notfalldaten-Management (NFDM); die Arztbriefschreibung (KOM-LE); die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS); die elektronische Patientenakte (ePA) sowie zukünftige Anwendungen für Zahnärzte. 

Die ZIS GmbH

Beratung oder Anbieter?

Die ZIS GmbH – ZIS steht für „Zugangsdienst in der Selbstverwaltung“ – ist ein 100%iges Tochterunternehmen der KZV Westfalen-Lippe. Sie geht aus der bereits 2006 gegründeten KZVWL Service GmbH hervor. Diese wurde gegründet, um die Praxen in Westfalen-Lippe und andere im Sinne des § 77a SGB V zu beraten. 

Zur Historie: Im November 2016 hatte die Vertreterversammlung die KZVWL beauftragt, die Rahmenbedingungen für ein Engagement im Bereich des gesetzlich verpflichtenden Zugangs zur Telematikinfrastruktur zu erarbeiten. In diesem Sinne wurde die Marke „ZIS“ entwickelt. Im März 2017 hatte die KZVWL dann eine Markterkundung für einen Zugang zur TI gestartet – mit der Erkenntnis, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Am 20. Mai 2017 entschied die VV mit einem einstimmigen Votum deshalb die Weiterführung des Projekts – mit dem Ziel, die Umstellung der Zahnarztpraxen auf die TI so einfach und effektiv wie möglich zu gestalten und den Anschluss an die Telematik für die teilnehmenden Zahnärzte möglichst kostenneutral durchzuführen. Die KZVWL Service GmbH wurde entprechend am 1.6.2017 in ZIS GmbH umbenannt.

Schlussendlich wurden in einer außerordentlichen VV am 12. Juli 2017 der ZIS GmbH folgende Aufgaben übertragen: der Abschluss von Beratungsverträgen mit den Mitgliedspraxen in Westfalen-Lippe über die Anbindung an die Telematikinfrastruktur sowie die Beratung aller Mitgliedspraxen im Kontext möglicher Störungen. „Die ZIS GmbH wird demnach nicht selbst Anbieter“, betont die KZVWL.

Um die Umstellung der Praxen auf die TI gemäß ihrem Ziel – einfach, effektiv und kostenneutral – durchzuführen, will die ZIS GmbH jedoch einen Ansprechpartner für alle Fragen zur TI anbieten. Anfang Juni begann daher die Ausschreibung für Dienstleiter vor Ort (DVO). Jeder DVO kann sich anschließen, sofern er die Anforderungen erfüllt und die Zertifizierung der ZIS GmbH durchläuft. Anschließend werden sie nach gematik-Richtlinien zertifiziert. Die Ausschreibung endet am 30.9.2017. Auf der Homepage der ZIS GmbH heißt es: „Man beabsichtigt, mit allen Anbietern von Zahnarztpraxis-Verwaltungssystemen zusammenzuarbeiten und Kooperationsverträge mit ihnen abzuschließen. Die ZIS GmbH wird den Anbietern spezielle Testmöglichkeiten zur Verfügung stellen, um sicherzugehen, dass nicht nur die Interaktion zwischen Praxisverwaltungssystem und der Praxis-TI von Anfang an reibungslos funktioniert, sondern dass auch nach Updates der Systeme keine Probleme auftreten und die Praxen nach einem Quartals-Update ohne Sorge weiterarbeiten können.“

ck/nb

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