Bayerischer Zahnärztetag

„Die zahnärztliche Selbstverwaltung ist keine alte Tante!“

Deutliche Worte, unbequeme Wahrheiten, ein Blick hinter die Kulissen des Weltgeschehens, dazu handgemachte bayerische Musik – die Eröffnung des 58. Bayerischen Zahnärztetages in München schlug nicht nur einen großen thematischen Bogen, sondern war geprägt von Klartext und – das mag überraschen – von großen Gemeinsamkeiten mit Politik und Kassen in Bayern.

Dass Bayern anders ist, weiß man mittlerweile im Rest der Republik. Schließlich gilt das „Mia san mia“ nicht nur für den FC Bayern. Und so stellte der Kammerpräsident und Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, Christian Berger, zu Beginn unmissverständlich fest: „Die Kammer lebt und gestaltet Ihre Zukunft!“ 

Was Robert Lembke und die ZApprO gemein haben 

Um dann als erstes auf die Novelle der zahnärztlichen Approbationsordnung, kurz ZApprO, zu kommen – für ihn ist es „ein Trauerspiel“, dass nur die Länder Bayern und Baden-Württemberg für die Novellierung der zahnmedizinischen Ausbildung gestimmt haben, deren Struktur noch aus einer Zeit stammt, als Robert Lembke 1955 in Schwarz-Weiß zum ersten Mal mit „Was bin ich?“ über die Bildschirme flimmerte. Es sei doch ein „Treppenwitz“, dass es in Deutschland für immer exotischere Studiengänge Geld gebe, bei denen hinterher noch nicht einmal Arbeitsplätze in Aussicht stünden. Dagegen bringen die Zahnmediziner in Bayern allein in 2017 mehr als 3.000 junge Menschen in eine Ausbildung. Trotz immer neuer Belastungen der Praxen durch die Vorgaben aus der Politik – wie zum Beispiel Brandschutz- und Datenschutzbeauftragte. Berger: „Die zahnärztliche Selbstverwaltung lebt und hat Zukunft. Sie ist keine alte Tante.“ An dieser Stelle sei ein norddeutsch angehauchter Einschub erlaubt: Im Unterschied zur alten Tante ist die tote Tante eine äußerst schmackhafte Kombination aus heißem Kakao, ordentlich Rum und dicker Sahnehaube, an der man Gefallen finden kann – hätte sie doch nur etwas weniger Kalorien. 

Apropos leisten können. Der stellvertretende Kammerpräsident und KZV-Vize Bayerns, Dr. Rüdiger Schott, berichtete von der langwierigen Einigung mit der größten Krankenkasse, der AOK Bayern. Seit 2009 aufgelaufene Rechtsstreitigkeiten konnten „mit Betonung auf gemeinsam“ geklärt werden. In Anbetracht der in der Vergangenheit ausufernden Puffer-Tage, die viele Kollegen und Kolleginnen in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht haben, konnte er verkünden, dass diese in Zukunft sogar ganz vermieden werden sollen. Seine Quintessenz: Eine gute zahnmedizinische Versorgung ist nur gemeinsam mit den Krankenkassen zu leisten. Damit meinte er natürlich die bayerischen Kassen, die – Stichwort Gesundheitsfonds – erheblich unter den Mittelabflüssen aus Bayern leiden. Was in der Konsequenz bedeutet, dass diese Gelder – es heißt: eine Milliarde Euro! – in der Versorgung fehlen und auf das Honorarvolumen durchschlagen. Und gerade in Bayern ist die Einzelpraxis das Rückgrat der Versorgung auf dem Land. 

Über 80.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie mehr als 250.000 Praxismitarbeiterinnen erwarten, so Dr. Peter Engel, dass „die Politik ihnen Gehör schenkt“. Fünf Themen lagen dem Präsidenten der Bundeszahnärztekammer besonders am Herzen. „Die BZÄK ist auf allen Kanälen aktiv, um die ZApprO doch noch möglich zu machen.“ Wenn die ZApprO keine Zustimmung in der Länderkammer erhalte, gehe die zahnmedizinischen Ausbildungsbelange in den Masterplan Medizin 2020 ein – und unter. 

MVZ? Diese gerieten immer stärker ins Visier internationaler Kapitalgeber. „Es kann nicht angehen, dass Kaffee- und Schokoladenfirmen die Geldgeber für unseren Berufsstand sind.“ Denn unter dem Primat einer optimalen Rendite auf das eingesetzte Kapital kann das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis nur eines – nämlich leiden. Allerdings sind Themen wie Effizienzsteigerung, Kostenminimierung und Einschränkung nicht investorenspezifisch, sondern tauchen – sehr zum Leidwesen der BZÄK – auch immer stärker im G-BA auf.“ Engel forderte nachdrücklich von der Politik, dass sie die Trennung von Rechts- und Fachaufsicht im Sinne von Freiberuflichkeit und Eigenverantwortlichkeit achte. „Sonst droht uns letztendlich die Entmündigung unserer Selbstverantwortung und ärztlichen Kompetenz.“ Doch drohe die Entmündigung noch aus einer ganz anderen Ecke: Die EU-Kommission will nach wie vor mit dem Dienstleistungspaket für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sorgen. Berufszugangs- und -ausübungsregeln werden dabei als Wachstumsbremsen und überflüssige Markteingriffe eingestuft. Ob der Ruf an die deutsche Politik, wenigstens eine Bereichsausnahme für die Heilberufe zu schaffen, erhört wird? 

Politiker – angewiesen auf ein schönes Lächeln 

Sicher gibt es noch Chancen, denn: „Kaum einer ist auf ein schönes Lächeln mehr angewiesen als wir Politiker!“ Mit dieser Feststellung verband die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml in ihrer Rede auch den Dank an die zahnmedizinische Profession für die hochwertige Ausbildung nach internationalen Standards. Und das, so fügte sie hinzu, trotz der alten Approbationsordnung. Im Hinblick auf die leidige Finanzierungsfrage für die mit der neuen ZApprO entstehenden Mehrkosten wurde die Ministerin sehr deutlich: „Ich finde es unredlich, die Zahnmedizin gegen die Humanmedizin auszuspielen. Und ich sage es bewusst als Ärztin.“

Festvortrag John Kornblum

Alles wird gut! 

Zum Festvortrag betrat John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Berlin und langjähriger Spitzendiplomat, die Bühne, um „die atlantische Welt in einer Zeit des dramatischen Wandels“ zu erläutern. Was ist eigentlich los? Der Wandel sei das Hauptmerkmal unserer Zeit, alles werde infrage gestellt. Es gehe uns gut, doch wir fühlten uns schlecht. Weil wir glauben würden, dass alles den Bach runtergeht. Liegt es daran, dass die herkömmlichen Messlatten für Politik nicht mehr gelten? Man müsse, so Kornblum, Mitleid mit den Politikern haben, die auch nicht mehr wüssten, wo oben und unten ist. Liegt es an der postrationalen Zeit? Emotionen hätten Fakten ersetzt und die sozialen Medien ein neues Publikum für die Politik kreiert, so Kornblum.

Der neue Populismus sei Symptom und nicht Ursache. Und eben nicht auf Deutschland beschränkt. Dazu müsse man auch nicht Trump als Beispiel anführen, schon der Blick nach Frankreich, Großbritannien und Polen reiche. Apropos Trump: Dieser habe die Republikanische Partei im Vorwahlkampf „gehighjacked“. Den derzeitigen amerikanischen Präsidenten zeichne zudem ein besonderes Gespür für die verlorenen 30 bis 35 Prozent der amerikanischen Gesellschaft aus. Es gebe jetzt, so Kornblum, revolutionäre Prozesse. Leider sagte der Ex-Botschafter nicht, welche das sind und warum es dazu kommt. Und: Deutschland sei Teil einer viel größeren Entwicklung und stehe vor dem „Ende eines Traums“.

Dank des besonderen Timbres seiner Stimme, deren knarzender, rauer Klang dieses „Alles-wird-gut-Gefühl“ bei den Zuhörern auslöst, brauchte es wohl auch keine Lösungen für all die von ihm angedeuteten politischen und gesellschaftlichen Probleme.

Die Mitveranstalter

DGPro und BDIZ EDI

Der bayerische Zahnärztetag wurde gemeinsam mit der DGPro und dem BDIZ EDI ausgestaltet. Prof. Dr. Meike Stiesch, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien, wies darauf hin, dass in Deutschland heute etwa 1,3 Million Implantate pro Jahr inseriert werden, wobei gerade bei alten Menschen die Inanspruchnahme von Implantaten zur Versorgung mit festsitzenden Konstrukten steigt. Aber: „Wir sehen uns nicht als Implantologen, sondern als implantologisch tätige Zahnärzte“ sagte Dr. Stefan Liepe, Geschäftsführer des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa. Möglicher Zahnerhalt stehe immer vor Ersatz. „Jeder Zahnarzt sollte die Möglichkeit haben, in seiner Praxis implantologisch tätig zu sein.“

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