BZÄK-Bundesversammlung

Zahnarztpraxis heute: mittendrin im 21. Jahrhundert

MVZ, fehlender Nachwuchs in Praxis und Selbstverwaltung, Digitalisierung und natürlich die vom Bundesrat verpatzte Approbationsordnung beherrschten die diesjährige Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer in Frankfurt.

Insgesamt 32.050 der fast 72.000 Zahnärzte in Deutschland sind Frauen. Und genau 24 repräsentierten 2017 auf der Bundesversammlung ihre Kolleginnen. Lächerlich wenig, wie BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel findet: „Ich sehe viel zu wenig Frauen im Plenum.“ Für ihn liegt es vor allem an den Umständen, dass viele Frauen – und inzwischen auch immer mehr Männer – nicht in die Berufspolitik gehen: „Die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Engagement in der Standespolitik wird zusehend als K.o-Kriterium für ehrenamtliches Engagement gesehen!“ 

Der Nachwuchs fehlt – auch in der Zahnarztpraxis, wie BZÄK-Vizepräsident Prof. Dietmar Oesterreich ausführte. „Der Fachkräftemangel schlägt in Bezug auf die Mitarbeitergewinnung in der Praxis voll durch. Deshalb ist es so wichtig, den Beruf der ZFA in seiner Attraktivität auch nach außen darzustellen!“ 

Wer sind wir und wer wollen wir sein?

Engels Rat – für die Kammer und die Praxis: sich auf den Wandel einzustellen und dem Nachwuchs entzugegenkommen. „Wir brauchen die neuen Kollegen und Kolleginnen und müssen Zugeständnisse machen, nur dann werden sie ihre Interessen zum Wohle der Zukunfts unseres Berufsstands einbringen!“

Die Work-Life-Balance spielt bei der Entscheidung für oder gegen einen Job eine immer größere Rolle – weshalb offenbar MVZ insbesondere bei jungen Zahnärzten gut ankommen: „Die Kollegen glauben, dass sich Familie und Beruf im MVZ besser vereinbaren lassen“, berichtete Oesterreich. „Wir als Berufsstand, wir die Kammer als Interessenvertretung aller, müssen uns angesichts der deutlich zunehmenden Zahl an angestellten Zahnärzten daher fragen: ‚Wer sind wir und wer wollen wir zukünftig sein?‘“ Ein zentrales Thema, wie Engel bestätigte: „Natürlich haben Praxisgemeinschaften genauso wie kommunale MVZ in unterversorgten Gebieten auch Vorteile für die beteiligten Zahnärzte – und für die Patienten: Möglichkeiten zur Teilzeit, Urlaubsvertretung, Risikoteilung bei der Finanzierung, verbesserte Praxisabläufe bis zum Einsatz modernster Behandlungsmethoden und Gerätschaften. Nur: Wie vertragen sich die kostenoptimierten Behandlungsmethoden rein gewinnorientierter MVZ mit der Freiberuflichkeit der Zahnärzte, die zum Wohle des Patienten eigenverantwortlich und weisungsunäbhängig die Diagnose- und Therapieentscheidungen treffen?“ Oesterreich ergänzte: „Momentan bauen Investoren, die als juristische Personen nicht dem Berufsrecht unterliegen, mit Finanzkapital Medizinische Versorgungszentren auf. Wenn für MVZ aber schon die gleichen Rechte gelten wie für Praxen, dann sollten sie auch die gleichen Pflichten erfüllen!“

Dass in anderen Ländern Investoren die Versorgungslandschaft bereits dominieren, veranschaulichte der Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Michael Brandt: „In Finnland sind heute schon 50 Prozent der Praxen in der Hand von Fremdkapital.  Wir wollen uns nicht dem Markt widersetzen, doch wir brauchen gleiche Chancen für alle.“ Eine Forderung, die die Delegierten unisono teilten. Ingmar Dobberstein, Vorsitzender des Bundesverbands der zahnmedizinischen Alumni in Deutschland (BdZA): „Die Begrenzung der angestellten Zahnärzte in der Praxis und deren Öffnung für die MVZ ist wettbewerbsverzerrend und muss deshalb bekämpft werden!“ Seiner Einschätzung nach werden Großstrukturen künftig insgesamt in Deutschland zunehmen – nicht unbedingt immer als MVZ: „Bei der BAG handelt es sich um dasselbe Gefüge, aber wir haben den Zugriff. Und das ist entscheidend!“ Wie wichtig in diesem Kontext der Erhalt der freiberuflichen Realität ist, betonte Dr. Wilfried Beckmann, im Vorstand der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe: „Wir haben das fachliche Know-how, die Kundenbindung und sind vor Ort. Und trotzdem müssen Zahnarztpraxen schließen, weil Abgeber keinen Nachfolger finden. Unsere eigenen Strukturen brechen weg, wenn wir die angestellten Zahnärzte nicht in eine niedergelassene Praxis bringen.“

Die Beschlüsse 2017

Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer fasste unter anderem Beschlüsse:

  • zur Förderung der Prävention, Therapie und Nachsorge parodontaler Erkrankungen sowie zum PAR-Konzept, 

  • zur Approbationsordnung für Zahnärzte, 

  • zur Eignungs- und Kenntnisprüfung sowie zu Erteilung und Verlängerung der Berufserlaubnis, 

  • zum Bürokratieabbau, 

  • zur Zulassungsbegrenzung arztgruppen-übergreifender MVZ, 

  • und zur Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse, ordnungspolitischer Not-wendigkeiten und betriebswirtschaftlicher Erfordernisse.

Alle an die Politik gerichteten Beschlüsse der BZÄK-Bundesversammlung sind unter www.bzaek.de/deutscher-zahnaerztetag.html eingestellt.

Der digitalisierteste Arzt

Welche Nachteile die Einzelpraxen konkret haben, schilderte BZÄK-Vizepräsident Prof. Christoph Benz: „Von der Abformung, über CAD/CAM bis zum Röntgen: Wir sind die digitalisierteste Arztgruppe. Und wir befinden uns mit unseren kleinen Praxen mitten im Zentrum der Digitalisierung, aber stehen mit dem Problem der mangelnden Interoperabilität und den damit verbundenen Kosten völlig alleine da!“ Nicht zu vergessen: die Bürokratie als „Alpha 1-Thema“. „Ja, wir Zahnärzte sind besonders belastet durch Bürokratie!“, bestätigte er. Mittlerweile müsse eine Dreiviertelstelle in der Praxis ausschließlich zur Dokumentation und Verwaltung vorgehalten werden. Ganze 75 Prozent der Studierenden im neunten und im zehnten Semester würden in der Bürokratie sogar einen Hinderungsgrund sehen, eine eigene Praxis zu betreiben. „Gerade Medienbrüche und sinnfreie Dokumentationen wie die Hygiene-Dokumentation sind ein echtes Ärgernis im Berufsalltag“, bemerkte Benz und plädierte dafür, analog zu den Ärzten einen Bürokratie-Index zu erheben, um die Entwicklung dieser Last abzubilden. 

Ausgesprochen positiv bewertete er das Interesse der Zahnärzte am zahnärztlichen Berichts- und Lernsystem: „150 Berichte, über 5.000 angemeldete Zahnärzte – ‚CIRS dent – Jeder Zahn zählt!‘ hat sich wahrlich zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt“, resümierte Benz. „Allerdings wird dieses Projekt, das den Sicherheitsbedarf einer Eisdiele hat, gerade wie das Pentagon abgeriegelt.“ Das sei in dieser Größenordnung wahrlich nicht nötig: „Nicht ein einziger Bericht hat dem Berufsstand geschadet. Im Gegenteil: Jeder Fall unterstützt die Kollegen.“ 

Da die BZÄK – wie auch die KZBV und die DGZMK – großen Reformbedarf bei der Parodontitistherapie sieht, verabschiedeten die Delegierten nach konstruktiver Debatte das gemeinsam erarbeitete PAR-Konzept.

Der Aufreger schlechthin war natürlich die Approbationsordnung. „In meiner Heimatstadt Köln sagt man „Was nichts kost‘, dat is‘ nichts!“, eröffnete BZÄK-Präsident Engel die Diskussion. „Der Spruch trifft ins Schwarze, und zwar gerade auch bei unserer Approbationsordnung!“ Leider seien die Politiker im Ministerium und in den Ländern fälschlicherweise der Ansicht, dass die Zahl der Studierenden um mehr als sechs Prozent zurückgehe und diese Reduktion den Mehraufwand kompensiere. Engel: „Dass wir die Erfolgsstory unserer Mundgesundheit in Deutschland trotz des 60-jährigen Stillstands auf der Verordnungsseite schreiben konnten, ist alleine den Hochschullehrern zu verdanken, die trotzdem state of the art ausbilden!“

Wir brauchen die neue Approbationsordnung

Dass die Approbationsordnung die Strukturen, keine Inhalte regelt, erläuterte Prof. Ralph Luthardt, Präsident der Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK): „Es geht um die Verbesserung der Lehre! Und neue Lehre kostet Geld!“ 

Die Kosten umfassen Luthardt zufolge einerseits den Umstellungsaufwand – temporär laufen zwei Studiengänge parallel, außerdem muss ein neues Curriculum entwickelt werden – und andererseits die Infrastrukturkosten. Auf eine erforderliche „gewisse Kompromissfähigkeit“ im Spannungsfeld zwischen Hochschule, Wissenschaft und Berufsstand verwies in dem Zusammenhang der Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, Dr. Michael Frank. „Die Approbationsordnung muss kommen und an den Universitäten mit Inhalten gefüllt werden – so einfach ist das“, machte Prof. Dr. Elmar Hellwig, Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie am Department für ZMK der Universität Freiburg, unmissverständlich klar. „Die Approbationsordnung ist alternativlos“, bilanzierte BZÄK-Präsident Engel. „Ansonsten werden wir im Masterplan 2020 verfrühstückt!“

ZApprO

Der Bundesrat blockiert die Reform

Ziel der neuen zahnärztlichen Approbationsordnung (ZApprO) ist, einen Ausbildungsstandard nach aktuellem Stand der Wissenschaft und entsprechende Rahmenbedingungen für die Hochschulen zu garantieren. Deshalb soll sich das Studium künftig in einen vorklinischen Abschnitt von vier Semestern, in dem medizinisches und zahnmedizinisches Grundlagenwissen vermittelt wird, und in einen klinischen Abschnitt von sechs Semestern für die praktische Ausbildung gliedern. Mit der Verbesserung der Betreuungsrelation im Phantomkurs von 1:20 auf 1:15 und beim Unterricht am Patienten von 1:6 auf 1:3 soll ebenfalls eine hochwertige Lehre sichergestellt werden. Das Bundesgesundheitsministerium hatte auf dieser Basis – nach jahrelangen Verhandlungen – im August eine Rechtsverordnung für eine Neuregelung vorgelegt. 

Die Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) schätzt den Mehrbedarf für die laufenden Kosten bundesweit auf etwa 80 bis 100 Millionen Euro pro Jahr. Den Ländern ist das zu teuer: Am 9. November vertagte der Bundesrat die vorgesehene Abstimmung zur ZApprO und verschleppte damit die Überarbeitung der 62 Jahre alten Studienordnung weiter. Frühestens im Frühjahr 2018 könnte nun per Wiedervorlage über die ZApprO abgestimmt werden.

Die Approbationsordnung für Zahnärzte stammt aus dem Jahr 1955 und ist im Gegensatz zur ärztlichen Approbationsordnung seitdem inhaltlich weitgehend unverändert geblieben.

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