Der Fall: Cäcilia S. ist GKV-versichert. Nach ihrem berufsbedingten Umzug stellt sie sich im neuen Wohnort mit der Notwendigkeit einer Überkronung des Zahnes 24 in der Praxis von Dr. Peter B. vor. Der Befund ergibt ein suffizient konservierend versorgtes Gebiss mit einer Aufbaufüllung am zu überkronenden Zahn, der gemäß Anamnese auch endodontisch versorgt wurde. Ein mitgeführtes, etwa vier Jahre altes Röntgenbild, das vom früheren Zahnarzt der Patientin, Dr. Otto T., unmittelbar nach Abschluss der Wurzelkanalbehandlung angefertigt wurde, zeigt eine an beiden Kanälen bis ins letzte Drittel reichende, also den kassenzahnärztlichen Vorgaben entsprechende Wurzelfüllung.
B. beschließt, eine neue Röntgenaufnahme anzufertigen, auf der jedoch die Wurzelfüllung nur noch schwach erkennbar ist und im oberen Drittel der Kanäle endet. Auf Nachfrage gibt die Patientin an, sie habe für die Durchführung der Wurzelbehandlung nach aktuellem wissenschaftlichem Standard in einer deutschen Großstadt seinerzeit 250 Euro zuzahlen müssen. Zunächst zieht B. einen Mangel im Entwicklungsprozess seiner Röntgenbilder in Erwägung und fertigt unter sorgfältiger Abwägung eine weitere Aufnahme an, die aber den gleichen Befund zeigt. Daraufhin beschließt er, den vorbehandelnden Kollegen telefonisch zu kontaktieren. Der erklärt in diesem Gespräch, dass in seiner Praxis ausschließlich Calciumhydroxid zum Einsatz kommt. B. berichtet von der Resorption des Materials und gibt an, zunächst eine Revision durchzuführen, anschließend den Zahn lege artis abzufüllen und nach Ausheilung die prothetische Versorgung bei der Krankenkasse der Patientin zu beantragen, da nach den gegebenen Umständen eine Ablehnung des Antrags zu erwarten sei. T. antwortet daraufhin, dieses Problem habe er regelmäßig, würde es aber durch erneutes Einbringen von Calciumhydroxid und die zeitnahe Anfertigung eines Röntgenbildes umgehen: Mit der neuen Röntgenaufnahme habe es noch nie Probleme mit Krankenkassen im Zusammenhang mit beantragten prothetischen Versorgungen gegeben.
B. ist sich sicher, dass dieses Verfahren nicht den Regeln einer fachgerechten und sorgfältigen zahnärztlichen Behandlung entspricht, da schließlich sowohl die Patientin als auch der Kostenträger getäuscht werden. Besonders erschwerend kommt aus seiner Sicht hinzu, dass T. Calciumhydroxid offensichtlich standardmäßig als definitives Wurzelfüllungsmaterial einsetzt. Allerdings ist er unsicher, wie er aufgrund der Verpflichtung zur Kollegialität mit der Situation umgehen soll und welche Maßnahmen er ergreifen darf oder ob er sogar dazu verpflichtet ist, entsprechende Schritte einzuleiten. Muss er die Patientin über die aus seiner Sicht unsachgemäße Behandlung aufklären? Soll er den Vorfall an die zuständige Zahnärztekammer oder KZV melden? Oder ist es ausreichend, an das Gewissen seines Kollegen zu appellieren?
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