Zahnärzte-Befragung

Dentaltourismus bleibt Randphänomen

Deutsche lassen sich sich am häufigsten aus Kostengründen zahnärztlich im Ausland behandeln. Patienten aus dem Ausland gehen in Deutschland dagegen meist in Notfällen zum Zahnarzt. Das ergab eine Zahnarztbefragung zur grenzüberschreitenden Versorgung.

Überwiegend bewerteten die befragten Zahnärzte die grenzüberschreitende zahnärztliche Versorgung in Deutschland als ein Randphänomen. Ihr häufigster Kritikpunkt: die Qualität der erhaltenen Behandlung im Ausland.

Die TU Berlin befragte für ihre Studie Zahnärzte aus dem ganzen Bundesgebiet zu ihren Erfahrungen mit Patienten, die aus dem Ausland zur Behandlung nach Deutschland gekommen sind und mit Patienten, die zur Behandlung ins Ausland gegangen sind. Patienten wurden nicht befragt. Die Studie gilt als erste qualitative Untersuchung dieser Art. Bisher gab es zu diesem Thema kaum Informationen aus Perspektive der Zahnärzte. 

Die Wissenschaftler fragten vor allem nach diesen Punkten:

Versorgungsqualität

Beweggründe der Patienten

Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Inanspruchnahme der Leistungen

Herkunfts- oder Zielländer der Patienten

Finanzierung und Probleme, die aufgrund des Dentaltourismus für das deutsche Gesundheitswesen entstehen können.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Patienten aus dem Ausland

Die meisten Patienten aus dem Ausland wurden aufgrund von Notfällen, also ungeplant, behandelt. Typische Behandlungen waren Füllungen, Wurzelbehandlungen, Zahnschmerzbehandlungen und Zahnextraktionen. Präventive Behandlungen wurden selten nachgefragt. Die Patienten lobten die höheren Qualitätsstandards in Deutschland im Vergleich zu ihren Heimatländern, das betraf vor allem Materialien und Behandlung.

Als Hauptgrund für eine geplante Behandlung in Deutschland wurde die qualitativ hochwertige technische Ausstattung und das Preis-Leistungs-Verhältnis genannt. Keiner der Patienten hatte einen Behandlungsplan. Ein Austausch von Patienteninformationen zwischen dem deutschen und ausländischen Zahnarzt fand wegen der Notfallbehandlung nicht statt. Die deutschen Zahnärzte boten fast immer eine Nachuntersuchung an.

Bei der Finanzierung der Behandlung verwiesen die meisten Zahnärzte auf die europäische Krankenversichertenkarte, die Notfälle abdeckt. Manche gaben an, dass Patienten per Rechnung in Vorleistung gehen müssen, um dann die Kosten im Heimatland erstattet zu bekommen. Die Behandlungsqualität in Deutschland wurde besser bewertet. Den Zahnärzten zufolge lagen die von den Patienten wahrgenommenen Unterschiede oft auch in der Verantwortung der Patienten selber, etwa bei mangelnder Zahnhygiene.

Deutsche Patienten im Ausland

Die Patienten bevorzugten osteuropäische Länder, besonders die Ukraine, Ungarn und Polen. Zahnprothetik wurde am meisten nachgefragt. Die Hauptgründe waren meist finanzieller Art, gefolgt von wohnortnaher Versorgung innerhalb einer Grenzregion. Ausnahmen dafür stellten Patienten mit Migrationshintergrund, vor allem türkischstämmige Patienten dar. Neben finanziellen Gründen spielten hierbei vor allem persönliche Gründe eine Rolle: Vertrautheit mit Abläufen in der Heimat, Kopplung mit Familienbesuch.

Die Behandlungsqualität im Ausland wurde von den meisten Zahnärzten als schlechter eingeschätzt. So hätten Patienten Prothesen erhalten, die in Deutschland nicht zugelassen sind. In manchen Fällen musste die Arbeit erneut gemacht werden (Gründe: Schmerzen; mangelhafte Qualität, funktionelle Einschränkungen).

Fazit

Die Befragung zeigt, dass sich der Dentaltourismus in den letzten fünf bis zehn Jahren nicht wesentlich gesteigert hat. Die Zahl der Patienten, die für eine Zahnbehandlung ins Ausland gehen oder nach Deutschland kommen, ist sehr klein. Der Einfluss grenzüberschreitender zahnärztlicher Versorgung auf das deutsche Gesundheitswesen wird als marginal eingeschätzt. Die hochwertige Dienstleistungsqualität in Deutschland wird als "Pull-Faktor" für die grenzüberschreitende Versorgung genannt.

Zahnärzte sehen Patienten, die im Ausland behandelt wurden, häufig erst dann, wenn eine Nachuntersuchung erforderlich ist. Insgesamt sehen die befragten Zahnärzte einen Regulierungsbedarf in Bezug auf die Kontinuität der Behandlung. Das schließt auch rechtliche Aspekte grenzüberschreitender Versorgung mit ein.

Verena Struckmann, Uta Augustin, Dimitra Panteli, Reinhard Busse: "Erfahrungen deutscher Zahnärzte mit grenzüberschreitender zahnärztlicher Versorgung", Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift, 2017; 72 (6), Seite 453 bis 460.

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