Leitartikel

„Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“

Peter Engel

Der Countdown läuft: Ab dem 25. Mai gilt das neue Datenschutzrecht, auch für Zahnarztpraxen. Dann tritt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) in Kraft. Gleichzeitig wird das alte durch das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ersetzt. 

Zunächst: Dass das neue Datenschutzrecht auch Zahnarztpraxen mit einbezieht, ist an sich kein Novum. Denn Datenschutz ist von jeher Ausdruck des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten und ergänzt auch die bestehende zahnärztliche Schweigepflicht. Wichtig für die Praxen ist vor allem, die Sicherheit der verarbeiteten Personendaten zu gewährleisten. 

Doch kommen jetzt bestimmte Auflagen auf die Praxen zu, um die sich der Zahnarzt rechtzeitig kümmern muss. Bei Verstößen gegen die geltenden Bestimmungen drohen drastische Strafen. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage: Braucht meine Praxis einen Datenschutzbeauftragten? 

Auf jedem Rechner einer Praxis befinden sich sensible Patientendaten. Das heißt aber nicht, dass auch jede Praxis einen Datenschutzbeauftragen haben muss. In der Regel gilt: Sind mindestes zehn Personen mit der Datenverarbeitung beschäftigt, ist ein Beauftragter zu benennen.

 Der Fachartikel in diesem Heft (S. 24–25) geht noch einmal detailliert darauf ein, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um einen solchen Datenschutzbeauftragten zu bestimmen. Für die Praxen gibt es umfangreiche Hilfestellungen: Die wichtigsten Anforderungen für Praxen hat die BZÄK im Merkblatt „Das neue Datenschutzrecht“ zusammengefasst. Der Datenschutzleitfaden von BZÄK und KZBV für Zahnarztpraxen wurde nach den neuen Bestimmungen umfassend überarbeitet und liegt jetzt in neuer Auflage vor (mehr auf www.bzaek.de).

Doch jenseits dieser wichtigen Detailfragen für den täglichen Umgang mit dem neuen Datenrecht in der Praxis stellt sich die Systemfrage: Was geschieht da eigentlich? Ohne Zweifel: Datenschutz ist ein hohes Gut. Das haben gerade die jüngsten Diskussionen über den Facebook-Skandal um die mutmaßlich unlautere Weitergabe von Nutzer-Informationen an die britische Analysefirma Cambridge Analytica mit Daten von rund 80 Millionen Facebook-Nutzern wieder gezeigt. 

Die neue EU-DSGVO gilt zeitgleich in allen EU-Mitgliedsstaaten. Die EU hat damit eine Fundamentalreform des Datenschutzrechts beschlossen. Das Ziel ist, das Datenschutzrecht auf europäischer Ebene vollständig zu harmonisieren. Damit beabsichtigt die EU, die Rechtslage in Europa zwar einheitlicher zu gestalten, aber auch restriktiver. Vor allem die Höhe der Bußgelder erscheint astronomisch. 

Doch – wie bei vielen EU-Bestimmungen – ist gerade bei Gesundheitsdienstleistungen eine Verteilung von Regeln nach dem Gießkannenprinzip nicht zielführend. Für Zahnarztpraxen jedenfalls kann man das gewiss unterstreichen. Wie viel Personal muss eine Praxis eigentlich bereithalten, um dem Datenschutz Genüge zu tun? Und wird hier nicht – wie in unserem Fall – mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Es kommen umfangreiche Transparenz-, Informations- und Dokumentationspflichten auf die Praxen zu, die Bürokratielast steigt. Und der Output? Fest steht: Wir stehen vor einem enormen Mehraufwand an Bürokratie – der gerade in kleinen Einheiten wie Zahnarztpraxen oft nur schwer zu bewerkstelligen ist. Ob mit solchen Gesetzen eine größere Akzeptanz für die Durchführbarkeit datenschutzrechtlicher Bestimmungen erreicht werden kann, halte ich für zweifelhaft. Zu sehr belasten viele offene Fragen die Durchführung im Praxisalltag.

Wie immer, wenn es um europäische Gesetzgebung geht, müssen wir ganz genau hinschauen. Denn oft stellen solche Bestrebungen der Kommission einen weiteren Versuch dar, Kompetenzen an sich zu ziehen – und nicht etwa, das Leben der EU-Bürger einfacher zu machen.

Wir von der zahnärztlichen Selbstverwaltung stehen jedenfalls bereit, der Kollegenschaft bei der Mammutaufgabe Datenschutz mit Expertise und juristischen Beistand zur Seite zu stehen. Und der Politik kritische Fragen zu stellen, wenn es darum geht, den Bürokratieabbau im Gesundheitswesen tatsächlich voranzutreiben.

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