Generaldebatte zur Gesundheit im Bundestag

Der Drei-Punkte-Plan von Jens Spahn

Drei Schwerpunkte zur Gesundheit kündigte der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf der Generaldebatte im Bundestag am 23. März an: die Pflege, die Verbesserung der Versorgung und die GKV-Finanzierung.

 Spahn sprach bei der Generaldebatte – die nach der Vereidigung des neuen Kabinetts zu allen Ressorts stattfand – zum ersten Mal in seiner neuen Funktion als Bundesgesundheitsminister im Deutschen Bundestag und verriet seine Agenda. 

  • Erster Punkt – Pflege: 

Spahn kündigte die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes an. Am Tag zuvor hatte er bereits den Referentenentwurf für eine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung in die Ressortabstimmung und in die Verbändeanhörung gegeben. Er sagte: „Wir wollen jetzt schnell starten, um am Ende ein breit gefächertes Angebot zu haben – von der Ausbildung zur Pflegehilfskraft über die Pflegeberufe bis zur Akademisierung – um alle, die in der Pflege mit anpacken und helfen wollen, einbinden zu können.“ Ferner ist ihm die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifbezahlung in der Pflege ein Anliegen, um „damit auch finanziell anzuerkennen, was dort geleistet wird“. Mit einem Sofortprogramm will der Minister zusätzliche 8.000 Stellen schaffen: „Ich weiß, dass manch einer sagt: 8.000 – das ist aber zu wenig. Es ist jedoch ein erster wichtiger Schritt.“ Des Weiteren geht es ihm darum, eine Verbesserung des Arbeitsalltags rund um Bürokratie, Dokumentation und Arbeitsbedingungen auf den Weg zu bringen.

  • Zweiter Punkt – Verbesserung der Versorgung, insbesondere im ambulanten Bereich:

Hier will Spahn den schnellen Zugang zur nötigen Versorgung vorantreiben: „Den Menschen ist nicht dadurch geholfen, dass wir abstrakt über das System diskutieren, sondern dadurch, dass wir konkrete Verbesserungen erreichen.“ Das will der Minister durch die Erweiterung der Sprechstundenzeiten bei GKV-Patienten von 20 auf mindestens 25 Stunden und durch den Ausbau der Terminservicestellen erreichen: „Ich fände es wichtig, dass wir auch offene Sprechstunden regelhaft vorsehen; denn auch das ist ein wichtiges Instrument. Wir wollen die Terminservicestellen ausbauen, idealerweise zu einem 24-Stunden-7-Tage-die-Woche-Betrieb, damit jeder, wenn es medizinisch angezeigt ist, zeitnah einen Termin bekommt.“ Dazu gehört für Spahn auch eine Änderung der ärztlichen Vergütung, sodass es sich lohnt, sich schnell um Patienten zu kümmern.“ Eines steht für ihn fest: „Wir lösen die bestehende Unfairness bei der Terminvergabe nicht, indem wir alle länger warten lassen.“

  • Dritter Punkt – Finanzierung der GKV

Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass die Parität in der Finanzierung zum 1. Januar 2019 wiederhergestellt werden soll. Angesichts der Rücklagen der Kassen will Spahn prüfen, ob weiteres Potenzial für Beitragssatzsenkungen vorhanden ist. Spahn: „Wir müssen die Beitragszahler im Blick haben, die den Laden am Laufen halten, indem sie die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Acht Milliarden Euro Entlastung sind ein deutliches Zeichen für diejenigen, die jeden Tag arbeiten und mit ihren Beiträgen das System finanzieren.“

 „Viel Glück und eine gute Hand“


Die drei Schwerpunkte wurden In der anschließenden Debatte intensiv diskutiert. Der SPD-Gesundheitsexperte Dr. Karl Lauterbach wünschte dem Minister „viel Glück und eine gute Hand für diese Legislaturperiode“. „Wir werden zusammenarbeiten, das ist gar keine Frage“, betonte er. „Wir sind in vielen Punkten einer Meinung – auch in der Vergangenheit –, in anderen Punkten nicht. Das wird nicht kaschiert werden.“ Lauterbach griff beispielsweise die Pläne zur Pflege auf: „Es ist richtig – ich höre das jeden Tag –, dass die 8.000 Stellen für das Sofortprogramm diese Probleme nicht lösen können. Aber es gibt derzeit bereits 17.000 offene Stellen, die zusammen mit den 8.000 Stellen aus dem Sofortprogramm 25.000 ergeben. Es gibt jedoch nur 3.000 Bewerber. Das Problem ist nicht die Zahl der offenen Stellen, sondern dass wir derzeit viel zu wenige Bewerber haben. Das wird sich nur ändern, wenn wir die Löhne erhöhen.“ 

Ganz anderer Meinung als der Minister ist Lauterbach beim Thema Zweiklassenmedizin: „Ich glaube, dass es nicht eine gefühlte Zweiklassenmedizin ist, sondern dass wir tatsächlich eine Zweiklassenmedizin haben. Wenn ich als Rheumakranker in der Phase, wo das Rheuma noch behandelbar ist, als gesetzlich Versicherter keinen Termin bekomme, dann fühle ich mich nicht nur benachteiligt, sondern ich bin benachteiligt.“ Lauterbach mahnte zur Ehrlichkeit: „Ohne die gleiche Bezahlung für die gleiche Behandlung der gleichen Krankheit bei jedem Patienten, die zeigt, dass uns jeder Patient mit der gleichen Behandlungsbedürftigkeit gleich viel wert ist, werden wir das Problem nicht lösen können. Daher brauchen wir einheitliche, gerechte Honorare.“

„Ein planwirtschaftlicher Eingriff“


Auch die Opposition meldete sich zu Wort: Christine Aschenberg-Dugnus, Gesundheitspolitische  Sprecherin der FDP, verwies auf Ungereimtheiten, die sie in den Plänen Spahns ausgemacht hat: „Die Koalition möchte im Bereich der ambulanten Versorgung die Freiberuflichkeit der Ärzte stärken. Wie aber verträgt sich das mit einer Erhöhung des Mindestsprechstundenangebots auf 25 Stunden? Das ist doch keine Stärkung der Freiberuflichkeit. Das ist ein planwirtschaftlicher Eingriff.“ Denn die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für GKV-Patienten lägen weit höher als die von Spahn geforderten 25 Stunden, sagte sie. Ein niedergelassener Arzt arbeite durchschnittlich 52 Wochenstunden. Im Jahr 2017 hätten Vertragsärzte und Psychotherapeuten 54 Millionen Bürokratiestunden bewältigen müssen. Aschenberg-Dugnus forderte außerdem, die Budgetierung der grundversorgenden Haus- und Fachärzte abzuschaffen.

„Wir werden den Minister an seinen Taten messen“


Katja Dörner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, griff das Thema Digitalisierung auf: „Natürlich werden wir auch da den Minister an seinen Taten messen,“ versprach sie. „Denn zwischen 2009 und 2013 hat Herr Spahn als Gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion zugelassen, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen komplett ausgebremst wurde. Nützliche Anwendungen wie beispielsweise das elektronische Rezept wurden damals gestoppt – und noch 2016 wurde die Fernverschreibung verboten. All das passt überhaupt nicht zur Forderung nach mehr Telemedizin.“


Forderungen kamen auch von der AfD. Der Abgeordnete Dr. Robby Schlund, Ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, forderte, sich konkret für die        Entbürokratisierung einzusetzen, die Bezahlung für Pflegekräfte anzuheben und die Budgetierung bei den Ärzten aufzuheben: „Ein positives Signal an die täglich am Limit arbeitenden KV-Ärzte wäre es jetzt, von ihnen nicht noch fünf Stunden zusätzlich zu fordern, sondern alle Rückforderungen bei Überschreitung der Budgetierung zu beenden.“
Seitens der Koalition fand Karin Maag, Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU, klare Worte und griff den Zugang    zur ambulanten Versorgung auf. „Wir haben der Selbstverwaltung bereits einiges an Möglichkeiten an die Hand gegeben, die Umsetzung erfolgt leider eher schleppend“, beklagte sie. Schließlich gebe es seit Juli 2015 die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung von Terminservicestellen. Diese müssten vor allem bekannter und besser werden. Das gelinge mit einer einheitlichen Telefonnummer und längeren Ansprechzeiten. Und: „Bereits seit 2011 ist geregelt, dass der Erstkontakt beim Haus- und beim Facharzt besser vergütet werden soll, um Anreize zu setzen, damit Haus- und Fachärzte auch neue Patienten aufnehmen. Leider hat meines Wissens nur die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen diese Regelung umgesetzt.“

Maag fügt hinzu: „Neu ist zum Beispiel auch, dass wir mit einer besseren Vergütung für die sprechende Medizin und mit regionalen Zuschlägen für Ärzte dafür sorgen wollen, dass diese weiterhin auch in wirtschaftlich schwachen Regionen oder in ländlichen Räumen praktizieren. Ich hoffe, das wird diesmal umgesetzt.“

Die weitere Agenda steht


Spahn hat angekündigt, mit den ersten drei Schwerpunkten noch vor der Sommerpause in den gesetzgeberischen Prozess eintreten zu wollen. Und: „In den Bereichen Digitalisierung, Internetmedizin, Organspende und Arzneimittelversorgung gibt es viele weitere Projekte, die anschließend auf uns warten."

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