Wachstum im Dentalmarkt (Teil 2)

Wie Investoren einkaufen

Professionelle Investoren verfolgen klar umrissene Wachstumskonzepte. Zum Einstieg in den Markt suchen sie besonders renditestarke oder innovative Praxen zur Übernahme. Wie die Geschäftsanbahnung in der Regel abläuft, beschreibt Steuerberater Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff anhand eines eindrücklichen Fallbeispiels.

Es gibt Investoren, die sich im Vorfeld gut informieren und nur mit ausgewählten Praxen in Kontakt treten. Andere gehen nach dem Rasenmäherprinzip vor. Sie nehmen zu allen Kontakt auf und machen sich so ein Bild des Marktes und seiner Möglichkeiten. Ist die Verbindung zu einer Zahnarztpraxis hergestellt – sei es durch den Investor selbst, einen Multiplikator oder einen Vermittler – analysieren meist junge MBA die potenziellen Anlagemöglichkeiten, auch „Leads“ genannt. 

Schwer verkäufliche Praxen, wie sie häufig im ländlichen Bereich zu finden sind, erhalten Übernahmeangebote zu sehr überschaubaren Preisen, wenn sie in das Konzept des Investors passen, zum Beispiel als Empfehlerschiene für ein Zentrum. Besonders interessante Praxen werden dagegen meist direkt von professionellen Beratern und Einkäufern aufgesucht. Diese sind routiniert und erfahren im Umgang mit Freiberuflern und Unternehmern und kommen daher meist sehr schnell mit ihnen ins Gespräch. Umgekehrt betreten Zahnärzte meist Neuland. Sie bemerken oft erst nach der Unterhaltung, dass sie mehr von ihren Praxisinterna oder anderen Verkaufsmöglichkeiten preisgegeben haben, als sie eigentlich wollten. Sollte es zum Verkauf kommen, könnte sich das unter Umständen später nachteilig auswirken. Wer Investoren mit einer gesunden Portion Distanz und nach dem Motto „Wer fragt, der führt“ begegnet, macht bestimmt keinen Fehler.

Eröffnungsszenario: Lob und Versprechen

Es überrascht nicht, dass Investoren in den ersten Gesprächen intensiv auf die Vorstellungen und Erwartungen abgabewilliger Zahnärzte eingehen. Schließlich wollen sie ja ins Geschäft kommen. Daher wird das Konzept der Praxis gelobt und dem Praxisinhaber das Gefühl vermittelt, dass seine Vorstellungen vom Abgabepreis, selbst wenn sie sehr ambitioniert sein sollten, realisierbar sind. Ein altbekanntes, immer wieder bewährtes Vorgehen, das den Praxisinhaber dazu bringen soll, sich sicher zu fühlen und seine Zahlen, Kaufpreiserwartungen und eventuell vorliegende Angebote offenzulegen. Dagegen ist nichts einzuwenden! Aber auf Augenhöhe finden diese Gespräche oft nicht statt.

Fallbeispiel Übernahmeeinstieg: 

BAG mit Schwerpunkt Implantologie

Zwei Zahnärzte in den besten Jahren betreiben seit vielen Jahren eine sehr gut laufende Gemeinschaftspraxis mit Schwerpunkt Implantologie. Erst vor fünf Jahren – im Jahr 2013 – hatten die beiden noch einmal den Umzug in neue, sehr modern ausgestattete Praxisräume gewagt. Die Kredite, die sie dafür aufgenommen haben, sind durch Tilgung schon auf 600.000 Euro gesunken. Dieser Schritt hat sich gelohnt, denn seitdem steigen Einnahmen und Gewinne kontinuierlich. So erwirtschafteten sie im Jahr 2017 insgesamt Einnahmen von rund 3,5 Millionen Euro und einen Gewinn von rund 950.000 Euro, das heißt anteilig 475.000 Euro für jeden von ihnen. Damit gehören sie zu den profitabelsten Praxen. Denn nur 10,8 Prozent aller Praxisinhaber erzielen einen Gewinn von über 250.000 Euro pro Jahr. 


So berechntet der Investor den Praxiswert

TEUR

Übertragbare Praxiseinnahmen

3.500

./. übertragbare Praxisausgaben

2.550

= nachhaltiges Ergebnis gem. § 4 (3) EStG

950

./. (kalk.) Gehälter für zwei Praxisinhaber 2 x 250 TEUR

500

= übertragbarer Gewinn

450

x Multiple (5-10)

x8

= Wert der Praxis*

3.600

Tabelle 1, Quelle: Bischoff

* Wert inkl. Einrichtung, Geräte, "normaler Forderungsbestand". Den Wert kürzen noch zu übernehmende Verbindlichkeiten und Rückstellungen.


Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die beiden die Früchte ihres langen Arbeitslebens ernten und die Praxis in neue Hände übergeben wollen. Doch leicht ist das nicht, denn nur wenige Kollegen haben die finanziellen Mittel und den unternehmerischen Mut, in eine so außergewöhnlich erfolgreiche Praxis einzusteigen und den angemessenen hohen Preis zu zahlen. Nach längerem Suchen liegt den beiden ein Angebot von zwei jungen Kollegen und einer Kollegin vor. Sie wollen die Praxis für 2,25 Millionen Euro kaufen (750.000 Euro je Übernehmer). Außerdem würden sie zusätzlich noch den Kredit von 100.000 Euro für den gerade angeschafften DVT übernehmen. Die Finanzierung ist sichergestellt, weil die Übernahme-interessierten Zahnärzte über die gleiche Bank finanzieren möchten, die seit Jahren die Hausbank der beiden Abgeber ist. In Kenntnis der Verhältnisse beider Parteien würde die Hausbank gerne in die Finanzierung einsteigen.


Während dieser Übernahmeverhandlungen nimmt ein Investor Kontakt zu den beiden Zahnärzten auf. In der Hoffnung, vielleicht doch noch einen höheren Verkaufspreis zu erzielen, fordern sie 4 Millionen Euro. Sie werden positiv überrascht, denn der Vermittler winkt nicht gleich ab. Er hält den Preis für ambitioniert, aber 3,6 Millionen Euro für darstellbar (siehe Tab. 1). Bei einem Gewinn von 950.000 Euro und zwei Praxisinhabern entspräche dies einem Multiple von 8. Er betont noch, dass damit die Schmerzgrenze des Investors erreicht sei, und bemerkt eher beiläufig, dass die Praxiszahlen natürlich noch überprüft werden müssten, womit er „auf keinen Fall“ deren Richtigkeit anzweifeln wolle. 


Die beiden Zahnärzte sind zufrieden. Die Gespräche verlaufen angenehm. Man möchte gerne weiterkommen. Im nächsten Schritt will der Investor Anwälte und Wirtschaftsprüfer beauftragen, die Praxisverträge und -zahlen zu sichten und zu prüfen. Als Zeichen der Ernsthaftigkeit des Interesses der beiden Zahnärzte lässt der Investor sich einen „Letter of Intent“ mit Exklusivitätsvereinbarung unterschreiben. Damit bleiben andere Interessenten erst einmal außen vor. 


Prüfungsphase: Zahlen, Fakten, Verträge


Die Zahnärzte stimmen zu, die drei Kollegen mit ihrem Angebot von 2,25 Millionen Euro sind aus dem Spiel. Vom Investor beauftragte Anwälte durchforsten nun sämtliche Verträge. Die beiden Praxisinhaber sind überrascht, wie viele Verträge hierbei relevant sind. Die Anwälte finden unter anderem eine Rückbauverpflichtung in dem neuen Mietvertrag, die eine Rückstellung von 80.000 Euro erfordert. Parallel arbeiten sich Wirtschaftsprüfer durch sämtliche Praxiszahlen. Statt des nachhaltigen Gewinns von 950.000 Euro errechnen sie 860.000 Euro. Nach Abzug fiktiver Gehälter für die beiden Praxisinhaber (2 x 250.000 Euro) verbleiben noch 360.000 Euro. Dies ergibt einen Wert der Praxis von 2,88 Millionen Euro. Davon muss noch die Rückstellung für die Rückbauverpflichtung aus dem Mietvertrag von 80.000 Euro abgezogen werden.


In dieser Zeit leidet die Arbeit der beiden Zahnärzte unter den vielen Zuarbeiten und Rückfragen der Prüfer. Gleichzeitig entstehen hohe Beratungskosten für die eigenen Anwälte und Steuerberater, die die beiden Praxisinhaber mit der Vertretung ihrer Interessen gegenüber dem Investor beauftragt haben.


Für den Investor hat sich der Aufwand gelohnt. Der Wert ist auf dem Papier um 800.000 Euro auf 2,8 Millionen Euro gesunken, ohne dass die Argumentation (Multiple 8) aufgegeben werden musste. Der Vermittler betont aber, dass die Ergebnisse der Anwälte und Wirtschaftsprüfer die Investoren doch verunsichert hätten. Deshalb sei ein Multiple 8 nur weiter darstellbar, wenn die beiden Abgeber noch zwei Jahre „eingebunden“ würden – als Gesellschafter/Geschäftsführer. Als Geschäftsführergehalt werden jeweils 250.000 Euro pro Jahr angeboten. Erst bei der abschließenden Vertragsverhandlung erkennen die beiden Praxisinhaber, dass 50.000 Euro davon nur gezahlt werden, wenn die vereinbarten Ziele erreicht werden. Und: Der geldwerte Vorteil des Dienstwagens kürzt das, was beim angestellten Zahnarzt an Gehalt ankommt. Netto bleiben jedem von ihnen vom Gehalt 9.000 Euro im Monat. Im Vergleich: Bisher haben sie sich jeden Monat 30.000 Euro entnommen.


Darüber hinaus bietet man jedem der beiden Zahnärzte an, sich mit 10 Prozent an der neuen MVZ GmbH zu beteiligen. Dabei handelt es sich eigentlich nicht um ein Angebot, sondern um eine freundlich verpackte Bedingung, der sich die Zahnärzte zum jetzigen Zeitpunkt der Verhandlungen kaum mehr entziehen können.

###more### ###title### Das endgültige Angebot: versteckte Knebel ###title### ###more###

Von den ursprünglich erhofften 3,6 Millionen Euro ist man weit entfernt. Die beiden Zahnärzte verkaufen „die Praxis“ (Praxis, Goodwill, Einrichtung, Forderungen, Arbeitsverträge, Rückstellung für Rückbau) nun für 2,8 Millionen Euro an die neue GmbH (Berechnung siehe Tabelle 2). Zur Erinnerung: Die zahnärztlichen Kollegen wollten die Praxis für 2,25 Millionen Euro übernehmen.


10 Prozent des Kaufpreises werden erst nach 18 Monaten ausbezahlt, wenn sich alles wie abgesprochen entwickelt. Von den ausbezahlten 2,52 Millionen Euro fließen 600.000 Euro in die Ablösung der Restkredite – für den Praxisumbau (500.000 Euro) und für den DVT (100.000 Euro). Jeder erhält somit 960.000 Euro ausbezahlt und muss den vollen Veräußerungsgewinn versteuern. Bei den Praxisinhabern greift die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG. Das heißt, die Veräußerungsgewinne werden auf Antrag statt mit 530.000 Euro mit 300.000 Euro an Einkommensteuer inklusive Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag belastet. Außerdem müssen sich beide jeweils mit 10 Prozent an der neuen GmbH beteiligen, das heißt, 280.000 Euro an Liquidität bereitstellen. Nach alledem bleiben ihnen also im Beispiel zunächst jeweils 380.000 Euro auf dem Konto.


Weitere 140.000 Euro erhalten sie jeweils nach 18 Monaten. Sie sind beide mit 10 Prozent an dem neuen Konstrukt beteiligt. Sie müssen für mindestens zwei weitere Jahre mit vollem Einsatz als Zahnärzte arbeiten und sind als Geschäftsführer dem Investor beziehungsweise seinen Mitarbeitern gegenüber mit monatlichen Controlling-Berichten rechenschaftspflichtig – und an die Weisungen des/der Mehrheitsgesellschafter/s gebunden. Vorher hatten sie sich nur untereinander abstimmen müssen – auf Augenhöhe. Sie erhalten jetzt jeweils 9.000 Euro netto im Monat. Bisher hatte jeder 30.000 Euro monatlich entnommen. Davon hatten sie allerdings Steuern und Beiträge zum Versorgungswerk selbst bezahlt. 


Was wäre gewesen, wenn die beiden Praxisinhaber das Angebot der drei Kollegen angenommen hätten? Wäre der Aufwand zeitlich und finanziell geringer ausgefallen? Wäre mehr für jeden übriggeblieben? Hätte man sofort aufhören können zu arbeiten oder vielleicht nur als Springer eine sogenannte „Altersteilzeit“ vereinbaren können? Fragen, für die es in dem Moment eigentlich schon zu spät war, als der Letter of Intent unterzeichnet wurde. Die Veränderungen im Markt lassen sich nicht aufhalten, aber das Beispiel der beiden Zahnärzte zeigt deutlich, dass es entscheidend darauf ankommt, wie gut man auf diese Veränderungen vorbereitet ist.

Was bleibt nach dem endgültigen Vertrag?

TEUR

Nachhaltiges Ergebnis

./. (kalk.) Gehälter für zwei Praxisinhaber (zweimal 250 TEUR)

 = übertragbarer Gewinn

x Multiple

= Wert der Praxis

./Rückstellung für Rückbau

860

500

360

x8

2.880

80

= Kaufpreis 2.880

./. Einbehalt (10%)

=

./. Ablösung Kredit aus Umzug (2013)

.Ablösung Kredit für DVT

280

2.520

500

100

= Zufluss an beide Zahnärzte 1.920

:2

= Zufluss je Zahnarzt 960

./. ESt. inkl. KiSt und Soli

./. Abfluss für Beteiligung GmbH

300

280

= auf dem Konto 380

+ nach 18 Monaten, wenn ...

140

Tabelle 2, Quelle Bischoff


Alternative Strategien


Wer sich intensiv mit dem Thema Wachstum im Dentalmarkt befasst, erkennt neben der Kapitalkraft der Investoren die Schwächen ihrer Konstrukte, die Ansatzpunkte für alternative Strategien sein können. So ist das zwischengeschaltete Krankenhaus für die meisten ein teurer Umweg. Außerdem erwarten Investoren eine wesentlich höhere Rendite, als Zahnärzte an Zinsen für die Finanzierung von Praxisinvestitionen heute bezahlen müssen. Und: Bei vielen Fondstrukturen sind sehr viele Löffel in der Suppe.


Größe allein verspricht nicht automatisch Kostendegression und Skalierungseffekte, sondern bringt auch komplexere Verwaltungsstrukturen und einen erhöhten Marketingaufwand mit sich. Beide Seiten müssen ausbalanciert sein. Größe kann, muss aber nicht wirtschaftlicher sein. Es ist also ein Trugschluss, dass nur große Praxen renditestark sein können.


Gängige freiberufliche Strategien sind zum Beispiel Nischenstrategien, wie die Spezialisierung auf spezielle Behandlungsmethoden oder Zielgruppen. Eine weitere Stärke freiberuflich geführter Praxen liegt in der starken Patientenbeziehung und in der Flexibilität, auf Patientenwünsche einzugehen.


Für mutige und unternehmerisch denkende Zahnärzte ist es aber auch in diesen Umbruchzeiten möglich, zu den Gewinnern zu gehören – mit größeren, schnell wachsenden, aber zahnärztlich bestimmten Strukturen. Sie können ebenfalls Skalierungseffekte nutzen und professionell Marketing betreiben. Mit konkreten zahnärztlichen Konstrukten befasst sich der dritte Teil. n



Teil 2:

Investoren im Dentalmarkt


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Privat


Univ.-Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer.   Seit 1985 ist er geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Unternehmensgruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner® mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin. Bischoff lehrt seit 1996 Controlling an der Bergischen Universität Wuppertal.  

In einem dreiteiligen Beitrag beleuchtet er, welche Konzepte Investoren verfolgen (

www.zm-online.de/archiv/2018/11/praxis/was-investoren-wollen/ _blank external-link-new-window

), wie sie dabei vorgehen (Teil 2) und welche Wachstumsmöglichkeiten es gibt (Teil 3).







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