KZBV-Vertreterversammlung in Köln

MVZ: Strategien gegen den Ausverkauf

Medizinische Versorgungszentren – kurz MVZ – sind das Thema der Stunde: Ausländische Kapitalgeber kaufen sich ein, Ziel ist das große Geld, Unterversorgung das Ergebnis. Die Zahnärzteschaft wird diese Entwicklung nicht hinnehmen, machten die Delegierten auf der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Ende Juni in Köln deutlich. Aber was kann sie tun?

„Wie will man der Unterversorgung erfolgreich begegnen, wenn man den überschüssigen Leistungsumfang sofort degressiert? Und wie will man junge Kollegen motivieren, den Patienten auf dem Land die Stange zu halten und die Engpässe aufzufangen, wenn man diese Leistungen hinterher gleich wieder abschöpft und abkassiert?“ Anhand von zwei rhetorischen Fragen umriss der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer das ganze Ausmaß der MVZ-Problematik. 

Degression killt Motivation

„MVZ sind das Thema, das in der Versorgungsdebatte am meisten bagatellisiert wurde“, stellte Eßer klar. „Wenn sich die politischen Vorgaben nicht ändern, werden wir in Zukunft zwei Sorten von Zahnärzten haben: Die, die unter dem Schutz von Großkonstruktionen ihr Geld verdienen und dort reiche und gut situierte Menschen behandeln, und die, die die restliche Arbeit machen, das heißt, die Versorgung sicherstellen. Dieses Szenario werde ich mit aller Macht zu verhindern versuchen. Für diese Zukunftsaussichten bin ich nicht Zahnarzt geworden!“

Wie fatal sich das GKV-Modernisierungsgesetz von 2003 als Ausgangspunkt auf die Versorgung ausgewirkt hat, schilderte Eßer am Beispiel des ärztlichen Sektors: „Ganze Bereiche, wie etwa die Dialyse, liegen mittlerweile in der Hand von ausländischen Großinvestoren.“ Die Intention des Gesetzgebers sei ursprünglich gewesen, mithilfe von MVZ die Versorgung insbesondere in ländlichen und unterversorgten Gebieten zu verbessern. Eßer: „Fakt ist: Passiert ist genau das Gegenteil! MVZ saugen junge Zahnärzte vom Land ab und spülen sie in die Stadt, in der die Versorgung ohnehin schon gut ist. Das führt zu einer zahnärztlichen Unterversorgung – eine Situation, die wir in der Zahnmedizin bis dato gar nicht kannten. Die Praxis auf dem Land ist nicht nur nicht mehr verkaufbar, sondern sie ist für alle Zeiten weg! MVZ schaffen aktiv Unterversorgung in der Zahnmedizin!“

MVZ heißt Unterversorgung

Aktuellen KZBV-Zahlen zufolge sind über 50 Prozent der circa 580 MVZ in Deutschland in Ketten organisiert, seit 2017 haben sieben große Kapitalinvestoren mit 85 Milliarden Euro im Rücken den deutschen Dentalmarkt für sich entdeckt, den sie nun möglichst schnell durchdringen wollen. „Sie geben Renditeversprechen von bis zu 20 Prozent“, berichtete Eßer, „das bedeutet für die Anleger einen wahren ‚gold rush‘. Für Versorgung ist da kein Platz, damit haben diese Leute nichts am Hut.“ 

Wie die Lage in Nordrhein aussieht, schilderte der dortige KZV-Vorsitzende Ralf Wagner: „Hier gibt es Krankenhäuser, die sind marode, das ist bekannt, und noch dazu 340 Kilometer vom Gründungs-MVZ entfernt. Die elf angestellten Zahnärzte dienen als Mäntelchen, um als Zahnärzte-MVZ das große Geld zu verdienen. Hier werden Bohrsklaven eingestellt!“ Dass die Investoren die Kliniken benutzen, um sich spinnenartig in der Versorgungslandschaft auszubreiten, bekräftigten unter anderem der Vorsitzende Dr. Holger Seib und Joachim Hoffmann von der KZV Westfalen-Lippe sowie der stellvertretende KZVB-Vorsitzende Dr. Rüdiger Schott und Hamburgs KZV-Chef Dr./RO Eric Banthien. 

Die zentrale Frage der Delegierten lautete daher: „Wie können wir uns aufstellen, um im Hinblick auf merkantile Strukturen ein Gegengewicht einzunehmen?“ Da die Investoren sich über den Kauf von Krankenhäusern als Träger in die MVZ einklinken, müsse die Politik zum Wohle der Versorgung dafür sorgen, dass diese – bislang völlig legale – Eintrittspforte geschlossen wird, forderte der Bundesvorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Dr. Harald Schrader. „Erstens muss man den Zutritt für Fremdinvestoren schließen und eine Kettenbildung unterbinden, zweitens den Gründerkreis auf Leistungserbringer beschränken, und drittens sollten für die Zahnmedizin ausschließlich fachübergreifende MVZ zulässig sein, und parallel dazu Einzelpraxen und ÜBAGs stärker gefördert werden.“

Jetzt ist die Pflege dran

 Da momentan ein riesiger Kapitalstrom in die Pflege fließt, sind die Heime auch von dieser Entwicklung betroffen – auch hinsichtlich der zahnmedizinischen Versorgung: Rund 4.000 Kooperationsverträge existieren aktuell zwischen Zahnärzten und Pflegeeinrichtungen. Eine bemerkenswerte Zahl, wie der stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Martin Hendges, mit Blick auf die Ärzte feststellte, die bislang 13.000 Verträge abschließen konnten. Seinen Ärger über den Barmer Zahnreport machte indes KZBV-Chef Eßer Luft: „Man hat uns Zahnärzten unterstellt, dass wir in die Pflege fahren, und uns – ohne etwas zu leisten – die Taschen mit Zuschlägen vollpacken.“ Richtig sei: „Die Kollegen, die Pflegebedürftige im Heim behandeln, arbeiten unter größten Schwierigkeiten, das beginnt mit den Hürden der Krankenbeförderung und endet mit den fehlenden Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Instrumente und den Polypharmazien der Patienten.“ Gerade die bürokratisch anmutende Beantragung und Genehmigung des Taxi-Scheins sei eine Farce: „Hier muss im Sinne der Praktikabilität die Krankentransport-Richtlinie geändert werden!“

Hendges warb auf der Versammlung außerdem um Unterstützung für das Zahnärzte-Praxis-Panel: „Die Informationen aus dem ZäPP über die Kennzahlen der Zahnarztpraxen liefern uns die Grundlage, um mit wissenschaftlich fundierten Daten die Zahnärzte in den Verhandlungen mit den Krankenkassen optimal vertreten zu können!“

"Wenn sich die Vorgaben nicht ändern, werden wir in Zukunft zwei Sorten von Zahnärzten haben: Die, die unter dem Schutz von Großkonstruktionen ihr Geld verdienen und reiche, gut situierte Menschen behandeln, und die, die die restliche Arbeit machen, das heißt die Versorgung sicherstellen. Dieses Szenario werde ich mit aller Macht zu verhindern versuchen. Für diese Zukunftsaussichten bin ich nicht Zahnarzt geworden!"


Dr. Wolfgang Eßer


Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)




Über Fortschritte bei der Anbindung an die Telematik-Infrastruktur informierte der stellvertretende Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Karl-Georg Pochhammer: „Gut 5.000 Zahnarztpraxen sind inzwischen an die TI angeschlossen, allein im April wurden über sieben Millionen Steckvorgänge registriert.“ Aussagen des BMG zu einer entsprechenden Fristverlängerung zur Ausstattung der Praxen erwartet er jedoch erst Ende 2018. Grundsätzlich geklärt werden müssen aus seiner Sicht noch Detailfragen, etwa das Einlesen der Notfalldaten in die eGK an der Rezeption: „Bei der PIN-Eingabe müsste das Kartenterminal über die Theke gereicht werden, das halte ich für unpraktikabel und außerdem datenschutzrechtlich für sehr bedenklich!“

Der Job ist kein Action-Spiel 

Wie wichtig das geschlossene Auftreten des Berufsstands in der Politik ist, unterstrich abschließend KZBV-Vorstandschef Eßer: „Wir haben unsere Positionen kraftvoll nach außen getragen und nur so ist es uns gelungen, auf den ersten Blick scheinbar unmögliche Ziele zu erreichen. Unser Job ist kein Action-Spiel, sondern jeder Schritt hat Folgen. Nur wenn wir unsere Forderungen geschlossen vertreten, werden wir von der Politik auch wahrgenommen.“ Zentrale Person, weil Bundesgesundheitsminister und ausgewiesener Kenner der Materie sei Jens Spahn: „Spahn wird der Gesundheitspolitik eine viel prominentere Rolle verschaffen als dies bisher der Fall war. Für die KZBV birgt dies Risiken, eröffnet aber auch Chancen.“ 

„Machst Du? Sonst mach ich!“ – sei das Handlungsprinzip von Jens Spahn. Eßer: „Nur Forderungen zu stellen, wird nicht reichen, wir müssen klare Konzepte präsentieren und durchsetzen. Ansonsten werden wir genauso durchreguliert wie die Ärzteschaft.“

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