Regina Först zur Frage „Was tun bei Stress im Team?“

„Hören Sie auf, Ihre Mitarbeiter zu bewerten!“

Tabea redet nicht mehr mit Anja, und Ayse hat Stress mit Ute. Es ist doch schon genug zu tun, jetzt also auch noch Zickenkrieg. Kommunikationstrainerin Regina Först weiß, wie Chefs reagieren sollten, wenn es im Team brodelt: authentisch.

Es gibt zwei Arten von Chefs: Die einen, die bei jeder Spannung sofort flüchten, und diejenigen, die sich ad hoc einmischen. Welchen Typus finden Sie besser?

Regina Först:

Das ist eine gute Frage, aber nicht eindeutig zu beantworten. Ich denke, wenn meine Mitarbeiter in der Lage sind, einen Streit selbst zu lösen, kann ich ihnen diese Freiheit geben. Das Problem dabei: Die meisten Menschen haben nicht gelernt, eine Kontroverse „einfach“ zu lösen – also einen Konflikt so zu führen, dass sie für sich selbst einstehen, und nicht gegen andere kämpfen. Konflikte entstehen meist auf der Beziehungsebene und werden auf der Sachebene ausgetragen. Hier braucht es eine gute Reflektion auf beiden Seiten. Genau dies sollte ich meinen Mitarbeitern beibringen! 

Wie das? 

Etwa indem ich meinen Mitarbeitern klarmache, welche Regeln und Werte es in meiner Praxis gibt. Ich muss klar benennen, besser noch mit dem Team gemeinsam aufstellen, wie wir miteinander umgehen wollen – sonst enden „harmlose“ Reibereien schnell im Chaos. Und wenn die Fronten zwischen Mitarbeitern erst einmal verhärtet sind, muss ich als Chef in jedem Fall eingreifen. Sobald das nämlich geschehen ist, weiß der Patient sofort Bescheid. 

Inwiefern?

Wenn eine Mitarbeiterin ins Behandlungszimmer kommt, um einer Kollegin etwas zu geben, und sagt „Hier ist das Röntgenbild, dass Du gesucht hast“, weiß ich als Patient sofort Bescheid, ob die beiden sich verstehen oder überhaupt nicht leiden können. Letzteras ist in Arzt- oder Zahnarztpraxen, wo der Patient sich eh in einer angespannten Situation befindet, eine absolute Katastrophe!

Längst bevor der Konflikt eine Form angenommen hat, dass der Patient die schlechte Stimmung in der Praxis spüren kann, muss der Behandler eingreifen. Sofort! Aber – und das ist die Crux – dadurch kann der Konflikt vielleicht auf der Sachebene gelöst werden, nicht aber auf der Beziehungsebene. Dementsprechend ist mein erster Punkt entscheidend: Ich muss meine Mitarbeiter dazu befähigen, dass sie selbst Konflikte austragen, ohne gegeneinander zu kämpfen. Und hier muss ich natürlich wieder einmal bei mir selbst anfangen (schmunzelt).

Was ist der größte Fehler, den Chefs in Bezug auf ihr Team machen können?

Dass sie ihre Mitarbeiter vergleichen, statt sie gleich zu behandeln! Eigentlich ist das aber sogar völlig verständlich. Wir wollen zwar alle objektiv sein, können es aber gar nicht. Wir sind subjektiv. Immer. Aber das darf der Mitarbeiter natürlich nicht merken. 

Es ist wie in der Schule: Stolz präsentiert man seinen Eltern seine Zwei in der Mathearbeit, sie fragen aber nur danach, wie viele Schüler eine Eins und eine Zwei bekommen haben. Puh! Genauso ist es im Team: Durch den Vergleich mit anderen fühlt sich der einzelne Mitarbeiter nicht wertgeschätzt. 

Wie kann man dem entgegenwirken?

Indem ich meine Haltung ändere. Eine gute Führung bedeutet, sich für die Menschen und ihre Persönlichkeiten zu interessieren – ohne sie dabei zu bewerten! Das ist ganz entscheidend. Von dem US-amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg stammt der Satz: „Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist, zu beobachten, ohne zu bewerten.“ Wenn ich diese Haltung einnehmen kann, freue ich mich darüber, dass mein Team bunt und heterogen ist. 

Und das ist auch gut so! Wenn alle meine Mitarbeiter mir sehr ähnlich sind, dann habe ich natürlich automatisch einen guten Draht zu ihnen, aber es besteht die Gefahr, dass sie mir eigentlich nur meine Art zu denken bestätigen. Und das bringt mich persönlich ja nicht nach vorne. Die Menschen, die ganz anders sind als ich, sind im ersten Moment sicherlich unbequem, aber von denen kann ich irre viel lernen. Deshalb sollte ich als Praxisinhaber immer das bunte, heterogene Team bevorzugen. Natürlich fordert mich das als Führungskraft, jede Mitarbeiterin individuell zu sehen und zu führen. Die eine braucht manchmal den lieb gemeinten „Tritt“ in den Hintern, die andere dagegen viel Wärme und der dritte nur zwei klare, kurze Ansagen. Das alles muss ich dann herausfinden als Führungskraft.

Warum sollte der Zusammenhalt im Team überhaupt gut sein? Reicht es nicht aus, wenn ordentlich gearbeitet wird? Es müssen ja nicht alle Mitarbeiter miteinander befreundet sein...

Nur wenn Praxisinhaber den Zusammenhalt im Team stärken, haben sie hochmotivierte Mitarbeiter und nur so können sie wachsen – so einfach ist das! Denn ein gutes Team hat eine unglaubliche Außenwirkung. Die Patienten werden staunen, was für eine tolle Stimmung in der Praxis herrscht, sie werden gerne zu Ihnen kommen. Dann kann man den Umsatz ja gar nicht vermeiden (lacht). Um es auf den Punkt zu bringen: DAS ist gute Führung! 

Wie kann der Praxisinhaber denn den Zusammenhalt im Team stärken? Und welche Rolle sollte er einnehmen? Eher passiv oder sollte er sich als Mittelpunkt des Teams begreifen?

Ich als Chef würde immer versuchen, meine Mitarbeiter zu bestärken, sich selbst als Team zu formen. Ich kenne zum Beispiel eine Praxis, in der zwei neue Azubis arbeiten, die sozial sehr engagiert sind. Diese beiden Mädels hatten die Idee, in ihrem Ort die Plastikdeckel von Flaschen zu sammeln und diese zum Recyclen zu geben (http://deckel-gegen-polio.de/). Der Behandler hat das Engagement der Mädels erkannt und sie in ihrer Idee bestärkt. Nun unterstützen alle gemeinsam das Projekt, bei dem das erwirtschaftete Geld aus der Recycling-Aktion für Impfstoffe gegen Kinderlähmung eingesetzt wird. Wow! Da kann man nur den Hut ziehen! 

Das Wichtigste dabei: Die Idee stammt von den Azubis selbst, das Hilfsprojekt ist aus dem Team heraus entstanden und wurde nicht durch den Praxisinhaber von außen aufgezwängt!

Klingt eigentlich ganz einfach...

Das ist es auch. Es gibt so viele, unglaublich tolle Projekte, die den Zusammenhalt im Team stärken und gleichzeitig noch Gutes bewirken: Gemeinsam den Zaun im örtlichen Kindergarten streichen, sich für den Tierschutz engagieren, die Blumenbeete im Altenheim neu bepflanzen. Ist dann vielleicht noch die lokale Zeitung vor Ort, haben Sie ganz nebenbei noch einen Werbeeffekt erzielt – was wollen Sie mehr?!

Dabei darf ich natürlich nicht als Behandler meine eigenen Projekte umsetzen, sondern muss genau schauen, worauf meine Mitarbeiter Lust haben. Wer macht was in seiner Freizeit und wer engagiert sich besonders? Auch wenn die Idee vielleicht erst nur von einer Mitarbeiterin getragen wird, steht schnell das ganze Team dahinter! 

Wie sollte ich als Chef reagieren, wenn es eine Mitarbeiterin gibt, die partout keine Lust auf gemeinsame Projekte hat – immerhin steht das ja nicht in ihrem Arbeitsvertrag.

Wenn ich tatsächlich einen Mitarbeiter habe, der sich aus allem raushält und sagt „ich mache hier nur meinen Job und der Rest interessiert mich nicht“, dann muss ich mir einfach darüber klar sein, dass er nur seinen Job macht und emotional nicht an mich und meine Praxis gebunden ist. Das heißt natürlich nicht, dass er automatisch einen schlechteren Job macht. Aber ich muss bei diesen Mitarbeitern wach sein und schauen, ob die noch bei mir sind oder nicht.

Dann gibt es natürlich noch diejenigen, die total Lust auf solche gemeinsamen Projekte, aber leider keine Zeit dafür haben– weil sie zum Beispiel alleinerziehend sind und der Babysitter einfach zu teuer ist. Hier muss ich als Praxischef gut aufpassen, dass diese Mitarbeiter den Anschluss nicht verlieren. Wenn ich eine alleinerziehende Mutter in meinem Team habe, die total gerne abends mit zum Bowling-Abend kommen würde, sich dies aber nicht erlauben kann, sollte ich vielleicht lieber auf Projekte ausweichen, zu denen sie die Kinder mitbringen kann. 

Um den Zusammenhalt im Team zu stärken, regen Chefs viel an – von der Betriebsfeier über gemeinsame Mittagspausen bis hin zu wöchentlichen Kinobesuchen nach der Arbeit. Wie viele gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Praxis sind sinnvoll?

Natürlich sollte man nicht zu viel machen. Wenn ich einmal pro Woche eine Aktivität außerhalb der Praxis anbiete, ist das ehrlich gesagt viel zu viel. Wir alle kämpfen ja mehr oder weniger um mehr Zeit für uns selbst. Wenn ich dann wöchentlich einen gemeinsamen Praxis-Abend ausrufe, würde dieser irgendwann nur noch als Verpflichtung wahrgenommen werden. Und genau das sollte vermieden werden. Aktivitäten außerhalb der Praxis sind keine Zwangsverfügung!

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