Leitartikel

Pecunia non olet?

Wolfgang Eßer

Allein vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung der Zahnärzteschaft und der von vielen mantrahaft wiederholten Formel, wie junge Zahnärztinnen und Zahnärzte heute und in Zukunft arbeiten wollen, kommt man an einer Feststellung nicht vorbei: Die zahnärztliche Versorgungswelt wird sich verändern. Vielmehr noch: Sie muss es auch, will sie den Anforderungen der Zukunft gerecht werden. Denn einerseits steigt die Zahl angestellter Zahnärzte stetig, andererseits ist bundesweit jeder zweite Praxisinhaber über 50 Jahre alt. Hinzu kommen die demografische Veränderung in der Bevölkerung, der teils erhebliche Kostenanstieg in den Praxen, die weiter zunehmenden Bürokratielasten und die Probleme, ausreichend und gutes Praxispersonal zu finden. Die großen Fragen, die mich umtreiben lauten: Sind bei dieser Gemengelage arztgruppengleiche MVZ perspektivisch die Lösung und brauchen wir Fremdinvestoren und Private-Equity-Gesellschaften, um die Anforderungen der Zukunft zu lösen? Um es vorweg auf den Punkt zu bringen: Ich bin der Meinung, dass wir die auf uns zukommenden Herausforderungen lösen können, indem wir sinnvolle Weiterentwicklungen innerhalb des bestehenden Systems anstoßen.

 Mehr als 60 Jahre erfolgreich praktizierte Sicherstellung einer wohnortnahen, flächendeckenden und qualitätsgesicherten Versorgung quasi im Handstreich von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen, stellt für mich keinen zielführenden Ansatz dar. Hierfür möchte ich beispielhaft zwei Argumente ins Feld führen: Nachweislich sind die Ziele des Gesetzgebers, mit Z-MVZ im zahnärztlichen Bereich die Unterversorgung auf dem Land und in strukturschwachen Gebieten zu verbessern, krachend gescheitert. Das genaue Gegenteil ist Realität geworden. Bedingt durch die Tatsache, dass sich die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte in großer Zahl an die städtischen ZMV-Z gebunden haben, fehlt der Nachwuchs auf dem Land. Dort sind Praxen heute nahezu unverkäuflich. Die Folgen entstehen sofort und sind unumkehrbar: Regionale Unterversorgung im Einzugsgebiet der früheren Praxis und Verlust an Altersversorgung für den Praxisinhaber. Zum anderen ist mit dem Umstand, dass in MVZ das Prinzip der persönlichen Leistungserbringung außer Kraft gesetzt ist und die ansonsten geltenden Anstellungsgrenzen aufgehoben wurden eine Wettbewerbsverzerrung künstlich implementiert worden, die die tradierten Praxisformen massiv benachteiligt, und damit zu einer Zweiklassengesellschaft innerhalb der Zahnärzteschaft führt. Es gibt nun privilegierte und unterprivilegierte Zahnärzte. Das ist für mich nicht hinnehmbar. Um den Wünschen der jungen Zahnarztgeneration nach Anstellung in größeren Praxiseinheiten nachzukommen könnten im BMV-Z und der Zulassungsverordnung die existierenden Anstellungsgrenzen in tradierten Praxisformen geändert werden. Dazu bedarf es keiner Z-MVZ. Auch könnte man so dem Wunsch vieler Praxisinhaber nachkommen, mehr als zwei angestellte Zahnärzte zu beschäftigen, was bislang den Wandel einer BAG in ein Z-MVZ erforderlich machte. Die VV der KZBV wird im Herbst über mögliche diesbezügliche Änderungen beraten und ggf. beschließen. 

Frei nach dem Motto „pecunia non olet“ wird gerade von wirtschaftsliberalen Politikern der Zustrom von Fremdkapital über ausländische Investoren und Private-Equity-Gesellschaften begrüßt. Dass mit dem weiterhin ungebremsten Zustrom von Fremdkapital in den deutschen Gesundheitsmarkt eine perfekt funktionierende zahnärztliche Versorgung ruiniert wird, wird dabei offensichtlich schulterzuckend in Kauf genommen. Interessant in diesem Zusammenhang sind aktuelle Meldungen aus der Wirtschaft, nach denen Wirtschaftsminister Altmaier strengere Vorgaben im Wettbewerbsrecht prüft, um zu verhindern, dass solche Gesellschaften mit ihrer enormen Kapitalisierung in großem Stil kleinere konkurrierende Unternehmen aufkaufen. Man müsse dies unterbinden, um ein Umkippen ins Monopol zu verhindern. Betrachtet man den Bereich der stationären und ambulanten medizinischen Versorgung, stellt man unschwer fest, dass in diesem Bereich schon längst konzernartige Strukturen entstanden sind und sich regional tatsächlich monopolartige Versorgungskonstrukte etabliert haben. Als Folge solcher Entwicklungen können Patientinnen und Patienten zumindest regional ihr Recht auf freie Arztwahl nicht oder nur mit erheblichem Aufwand realisieren. Ärztinnen und Ärzte können sich in dem konzernbeherrschten Fachgebiet nicht mehr niederlassen und anstellungswillige Kolleginnen und Kollegen sind an den Konzern als Arbeitgeber gebunden. Warum also tut sich die Politik so schwer, gerade in dem so sensiblen Bereich der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung keine strengeren Regeln für den Zugang von Fremdinvestoren zu schaffen? Meine mehrfach geäußerte Behauptung, Fremdinvestoren und Private-Equity-Gesellschaften würden allein getrieben von Renditebestrebungen in den zahnärztlichen Markt investieren, stützt sich neben den Recherchen z. B. der Fondsprospekte auch zunehmend auf Berichte junger Kolleginnen und Kollegen, die in von Fremdinvestoren betriebenen Z-MVZ arbeiten oder gearbeitet haben. Erheblicher Leistungsdruck mit z. B. abendlichem Ertragsrapport, strenge Vorgaben für renditeorientierte Therapieentscheidungen und interkollegialer Konkurrenzdruck scheinen nicht unüblich zu sein. Grundprinzipien der freiberuflichen Tätigkeit wie fachliche Weisungsungebundenheit sowie Patienten- und Gemeinwohlverpflichtung scheinen wenig Beachtung zu finden. All das verträgt sich nur schwer mit Freiberuflichkeit, Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit des zahnärztlichen Berufsstands. Und da es so gerne in der politischen Diskussion vergessen wird, sei es wiederholt: Dieses ist kein Selbstzweck, sondern unabdingbare Grundvoraussetzung für eine ärztliche Tätigkeit, die den Patienten in den Mittelpunkt stellt. Zahnärzte sind Heilberufler und keine Gewerbetreibenden. Deshalb ist der Gesetzgeber gefordert, Fremdinvestoren, die dem Kapital und der Rendite verpflichtet sind, in der ambulanten Versorgung nicht zum Zuge kommen zu lassen. Unsere umfangreichen politischen Aktivitäten und Gespräche sowie die breite Medienpräsenz, die wir in den letzten Wochen zu diesem Thema erreichen konnten, lassen mich hoffen, dass das diesbezügliche Fenster in der Gesundheitspolitik noch nicht geschlossen ist. Für eine suffiziente und individuelle Versorgung führt auch in Zukunft kein Weg an den ausschließlich ihren Patienten verpflichteten Praxiseigentümern vorbei. Es sei denn, man will eine industrielle Zahnheilkunde und opfert die Freiberuflichkeit.


Dr. Wolfgang EßerVorsitzender des Vorstands der KZBV 

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