Zahn-Medibus von zahneins und DB Regio

Dieser Bus ist eine Presse-Ente

Chic, modern und mobil: Mit einem Zahn-Medibus möchte die MVZ-Zahnarztkette zahneins die ländliche Versorgung sicherstellen. Die medienwirksam inszenierte Idee hat nur einen Haken: Der Bus ist zu teuer. Eine flächendeckende Versorgung ist so gar nicht möglich.

Es war gerade die gesundheitliche Versorgung auf dem Land, die die Politik mithilfe arztgruppengleicher MVZ verbessern wollte. Zumindest für den zahnärztlichen Bereich hat sich jedoch inzwischen klar gezeigt, dass genau dieses Ziel verfehlt wird. MVZ und insbesondere die Ketten, die von Finanzinvestoren betrieben werden, siedeln sich vornehmlich in städtischen Ballungsräumen an. Diese unbestreitbaren Fakten werden für die Z-MVZ-Lobbyisten zunehmend zum Problem in der Debatte um die Regelungen im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). 

Vor diesem Hintergrund ist nun die MVZ-Kette zahneins in die Offensive gegangen und hat eine „Absichtserklärung für eine bessere zahnärztliche Versorgung in ländlichen Regionen“ veröffentlicht. Konkret geht es um eine rollende Zahnarztpraxis, den „Zahn-Medibus“, der gemeinsam mit der Deutschen Bahn entwickelt und betrieben werden soll. Die Idee klingt gut: „Der Medibus wird wie eine zahnärztliche Praxis mit Behandlungsstühlen und der nötigen Technik ausgestattet. An Bord der mobilen Arztpraxis sollen ein Zahnarzt und zwei Medizinische Fachangestellte von zahneins für eine zahnärztliche Grundversorgung auf höchstem medizinischen Niveau verantwortlich sein. Der Betrieb des Busses wird von DB Regio sichergestellt. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die wohnortnahe, zahnmedizinische Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu verbessern“, heißt es in der Pressemitteilung von zahneins. Der Zahn-Medibus könne – bei gutem Verlauf der technischen Planungsprozesse und der Gespräche mit externen Partnern – in der zweiten Jahreshälfte 2019 den Betrieb aufnehmen, erklärte zahneins auf eine Nachfrage der zm.

KZVen sehen keine Unterversorgung

Der Start der rollenden Zahnarztpraxis ist in Ostfriesland und Südbayern geplant. Diese Information hat nun die betroffenen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) auf den Plan gerufen. Von Engpässen bei der zahnärztlichen Versorgung in ihren Bereichen wisse man nichts, ließen sie in Pressemitteilungen verlauten. Die „Aussage, dass der Raum Südbayern ein mögliches Einsatzgebiet wäre, ist für uns nicht nachvollziehbar“, meint Christian Berger, Vorsitzender des Vorstands der KZV Bayerns (KZVB). Gemäß der Bedarfsplanung der KZVB gebe es so gut wie keine unterversorgten Gebiete. Der durchschnittliche Versorgungsgrad liege, sagte Berger, Stand 31. Dezember 2018, bei 112,0 Prozent.  

Ein ähnliches Bild ergibt sich für Niedersachsen. Auch dort weiß man nichts von angeblich unterversorgten Gebieten. Nach Informationen der KZV Niedersachsen (KZVN) zeichne sich „nahezu jeder Planungsbereich [...] durch eine Idealversorgung aus“. Es gebe auch nirgendwo in Niedersachsen eine Unterversorgung. Der Vorsitzende der KZVN, Dr. Thomas Nels, vermutet daher einen Zusammenhang mit der gegenwärtigen MVZ-Diskussion: „Der Zeitpunkt der Veröffentlichung deutet unseres Erachtens darauf hin, dass es eher darum geht, zu verhindern, dass die bislang gesetzlich eingeräumte Bevorteilung von Medizinischen Versorgungszentren gegenüber den Vertragszahnärzten und Vertragszahnärztinnen nicht durch die bevorstehende Verabschiedung des TSVG rückgängig gemacht oder eingeschränkt wird.“

Ähnlich sieht es der Vorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Harald Schrader. Der Vorstoß von zahneins zur „Zahnbehandlung im Umherziehen“ sei ein taktisches Manöver, um den Vorwurf der Rosinenpickerei durch Investoren-MVZ zu entkräften, und ergänzt: „Wie soll sich das denn rechnen? Doch nur, wenn im Bus so behandelt wird, dass damit die Akquise für möglichst aufwendige Weiterbehandlungen gemacht wird. Man stelle sich das praktisch vor: Schlange am Bushaltehäuschen, Patienten mit Schmerzen im Bus, Röntgen, Anästhesie, Wurzelbehandlung? Da dürfte doch wohl eher zur Zange gegriffen werden und vielleicht anschließend zum Gutschein für ein verbilligtes Implantat vom eigenen Großlabor.“

Für die KV Hessen nur eine Übergangslösung

Mit der Frage, wie sich der Zahn-Medibus eigentlich rechnen soll, trifft Schrader ins Schwarze. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen betreibt seit dem 2. Juli 2018 im Rahmen eines Pilotprojekts einen hausärztlichen Medibus, der mit einem festen Fahrplan unterversorgte ländliche Gemeinden in Nordhessen anfährt. An vier Werktagen, 28 Stunden pro Woche, ist die mobile Hausarztpraxis geöffnet. An Bord befinden sich ein Arzt und zwei Medizinische Fachangestellte. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio durchgeführt, die den Bus an die KV vermietet und den laufenden Betrieb sicherstellt. Während der Busfahrer in Diensten von DB Regio steht, ist das medizinische Personal bei der KV Hessen angestellt. Nach Angaben der KV Hessen belaufen sich die Gesamtkosten des Projekts für die zweijährige Pilotphase auf 600.000 Euro. „Damit ist der Medibus teurer als eine Hausarztpraxis vor Ort“, stellt die KV Hessen in einer Presseinformation fest. Ohne öffentliche Mittel aus einem Strukturfonds des hessischen Sozialministeriums wäre das Projekt nicht finanzierbar gewesen.

Rund 70.000 Euro teurer als die Einzelpraxis 

Was für das Pilotprojekt der KV Hessen gilt, dürfte in noch stärkerem Maß auf die Einrichtung und den Betrieb einer mobilen, technisch weit umfangreicher ausgestatteten Zahnarztpraxis zutreffen. Ein simpler Kostenvergleich zeigt: Nach Berechnungen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung liegen die durchschnittlichen Praxiseinnahmen einer kleinen Einzelpraxis (ohne angestellte Zahnärzte, ohne Eigenlabor, mit zwei ZFA und höchstens zwei Behandlungsstühlen, bereinigt um die durchlaufenden Posten der Fremdlaborkosten) bei rund 230.000 Euro pro Jahr [KZBV-Kostenstrukturerhebung, 2016]. Die durchschnittlichen Erlöse einer personell vergleichbar dem Medibus der KV Hessen ausgestatteten Zahnarztpraxis würden nicht einmal annähernd ausreichen, die Betriebskosten des mobilen Betriebs zu decken.

Als Modell für die flächendeckende Versorgung auf dem Land taugt die rollende (Zahn-)Arztpraxis jedenfalls nicht – für die KV Hessen ist der Medibus eine „Übergangslösung“, um die ärgsten hausärztlichen Versorgungsdefizite auszugleichen. Auf unsere Frage bei zahneins, ob man denn schon mal betriebswirtschaftliche Kalkulationen zum Betrieb des Zahn-Medibusses angestellt habe, erhielten wir leider keine Antwort.

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