Editorial

Provokationen …

Uwe Axel Richter

Kürzlich sagte ein von mir sehr geschätzter Kammerpräsident zu mir: „Ich weiß, Herr Richter, sie provozieren ja gerne …“ So manche Reaktion auf den Artikel „40 sind schon oben!“* in der zm 15/16, S. 84–87, unterstellten mir genau dieses! Warum überhaupt so ein Artikel über Frauen und dann auch noch unvollständig. Zugegeben, dieser betrübliche Umstand ließ sich redaktionellerseits auch mit groß angelegter Recherche nicht beheben, so dass wir uns auf Zahnärztinnen in Führungsfunktionen der Körperschaften beschränkt haben. Was zwangsläufig nicht allen in der Berufs- und Standespolitik aktiven Frauen gerecht werden kann. Egal wie: Die gewählte Auflistung widerlegt die insbesondere von der Politik stetig wiederholte Aussage, dass die zahnärztliche Professionspolitik nur männlich und zudem nur von den älteren Semestern gemacht wird. Diese Übersicht zeigt im Übrigen nicht, dass bereits alles in bester „Geschlechterordnung“ ist, sondern dass zur Parität – oder welcher Verhältniszahl auch immer – noch erhebliche berufs- und standespolitische Anstrengungen notwendig sind. Aber: Was es dazu nicht braucht, sind parteipolitisch motivierte Quoten-Vorgaben von außen. Das kann unser Berufsstand ausweislich vieler Maßnahmen seitens der Körperschaften bis hin zu den Verbänden wie Dentista besser selber regeln. Wobei Dentista provozieren kann und auch muss, aber dennoch keine Provokation ist.

Nun bewegt man sich als Chefredakteur der zm beruflich zu einem großen Teil im Bereich der Professionspolitik. Deren Regeln, die „Dos and Don’ts“, wie auch die Empfindlichkeiten unterscheiden sich letztlich kaum von der „großen“ Politik. Da ist es mit dem Provozieren nicht so einfach, zumal auch die zahnärztlichen Novizinnen und Novizen im berufspolitischen Business ihre Verhaltensmuster schnell an die neue Umgebung adaptieren. Das gilt übrigens gleichermaßen für Frauen und für Männer und spricht selbstverständlich nicht dagegen, dass der Berufsstand mehr Frauen in verantwortlichen politischen Funktionen braucht. Oder wie es eine junge Zahnärztin kürzlich formulierte. „Die Männer müssen endlich kapieren: Wir Frauen sind nun einmal da. Ende der Diskussion!“ Ob das wirklich eine Provokation ist?

Was in der Professionspolitik zudem – sagen wir es mal so – ausbaufähig ist, ist der Anteil engagierter junger Zahnärztinnen und Zahnärzte. Das ist aus meiner Sicht ebenfalls keine Frage des Proporzes, sondern mit Blick auf die Zukunft eine zwingende Notwendigkeit. Es nutzt der Gremienarbeit sehr, wenn man nicht nur über die Generation Y („why?“) und Z redet, sondern diese bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben direkt am Tisch hat. Man muss zwar nicht gleich von „digital natives“ reden, aber diese Generationen sind nun mal mit den digital induzierten Umbrüchen in der Gesellschaft, in der Lern- und Arbeitswelt aufgewachsen. Das bedingt eben auch andere Implikationen für die Ausübung des Berufs. Es ist sehr erhellend, deren Blick auch auf die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen zu sehen. Der ist nämlich erheblich anders, als viele in den Körperschaften so meinen. Was jetzt keine Provokation ist. Nun bin auch ich nicht mehr der Jüngste, selbst wenn ich für mich in Anspruch nehme, im Kopf und im Denken jung geblieben zu sein. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, deshalb in der Einschätzung der Bedürfnisse der jungen Zahnmedizinergenerationen, die – geprägt von veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und den „Segnungen“ der Digitalisierung – in vielen Bereichen gänzlich anders „ticken“, richtig zu liegen. Die Medienindustrie – von den etablierten Verlagen bis hin zu Facebook und Co. – kann trotz enormer Marktforschungsaktivitäten viele Lieder der Fehleinschätzungen digitaler Konsum- und Informationsangebote singen.

Die Zahnmedizin (wie die anderen Heilberufe) zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Sie verfügt über ein verbindendes Band, das aus dem gemeinsamen Beruf eine Berufung macht. Dieses „Band“ ist im Übrigen unterschiedslos und nicht vom Geschlecht oder vom Lebensalter abhängig. Geschickt verknüpft würde es den Berufsstand fast unschlagbar machen … Das ist dann mit Sicherheit eine Provokation. Sie ahnen für wen?

* https://www.zm-online.de/news/nachrichten/diese-frauen-sind-die-spitze-1/

Dr. Uwe Axel Richter
Chefredakteur

Dr. Uwe Axel Richter

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