Im Juni 2018 hatten sich Experten mehrerer zahnärztlicher deutscher Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ), der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) gemeinsam mit dem Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) sowie Experten aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden auf einem Treffen in Berlin auf neue Empfehlungen für fluoridhaltige Kinderzahnpasten geeinigt.
Kernpunkt war die Erhöhung der Fluoridkonzentration. Kinder sollten künftig vom ersten Zahn bis zum zweiten Geburtstag mit einer reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit 1.000 ppm, vom zweiten bis zum sechsten Geburtstag zweimal täglich ihre Zähne mit einer erbsengroßen Menge dieser Zahnpasta putzen (Abbildungen 1a/1b). Alternativ kann bis zum zweiten Geburtstag auch die 500 ppm Zahnpaste genutzt werden, mit einer erbsengroßen Menge.
Abbildung 1a: Die europäische Empfehlungen zur Kariesprävention favorisiert vom ersten Zahn an die Nutzung von fluoridhaltiger Zahnpaste. | Toumba et al. 2019
Die gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ), Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiz), des Bundesverbands der Zahnärztinnen und Zahnärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) vom 27.9.2018 ist ganz ähnlich - bietet zusätzlich aber noch eine alternative Dosierung von Paste mit 500 ppm Fluorid an. | DGPZM 2018
September 2018 wurden die neuen Empfehlungen dann vorgestellt. Den Hintergrund für diese Initiative bildete der Befund, dass bevölkerungsweit der Kariesrückgang bei den Milchzähnen im Vergleich zum bleibenden Gebiss deutlich zurückgeblieben war.
Mit der Erhöhung der Fluoridkonzentration in den Kinderzahnpasten wird die Erhebung einer präzisen Fluoridanamnese immer wichtiger, um die Gefahr der Ausbildung von Dentalfluorosen zu vermeiden.
Fluoride
Die Wirkmechanismen von Fluoriden in der Kariesprävention sind wissenschaftlich gut untersucht, wobei allerdings die Bedeutung der einzelnen Aspekte lange klinisch nicht geklärt war [Fejerskov, 1996]:
- Bei der Schmelzbildung werden größere und stabilere Kristalle gebildet.
- Fluorid scheint die Kronenmorphologie zu beeinflussen und die Ausbildung flacherer Fissuren und Grübchen mit geringerem Kariesrisiko zu fördern.
- Fluoride blockieren glykolytische Enzyme und damit den Bakterienstoffwechsel.
Die Demineralisation des Schmelzes wird bei Säureangriffen durch Fluorid in der Lösung reduziert.
Die Remineralisation des Schmelzes wird durch Fluorid in der Lösung verbessert.
Initial wurde vor allem die systemische Wirkung favorisiert, auch wenn bei der Schmelzbildung nur in geringem Ausmaß reiner Hydroxyl- oder Fluorapatit entsteht. Mehrheitlich liegt ein Gemisch aus unterschiedlichen Kristallen mit vielen Substitutionen vor, das auch während der posteruptiven De- und Remineralisation modifiziert wird. Kalziumbindungsstellen werden dabei häufig mit Karbonaten gefüllt, die aber zu einer erhöhten Säurelöslichkeit führen [Fejerskov, 1996].
Auch das Hydroxylion (OH-) im Hydroxylapatit führt zu einer suboptimalen Kristallstruktur, was mit einer geringeren Säurelösung einhergeht. Ein Ersatz des Hydroxylions durch Fluoridionen (F-) führt zu einem sehr säureresistenten Fluorapatit, so dass systemische Fluoride und eine Optimierung der Schmelzbildung für die Kariesprävention sinnvoll erschienen. Daher wurde der Einlagerung von Fluorapatit bei der Schmelzbildung durch Trinkwasserfluoridierung oder Fluoridtabletten eine große Bedeutung zugeschrieben. Lokale Effekte, die über gelöstes Fluorid während der De- und Remineralisationsprozesse in der Mundhöhle wirken, wurden dagegen als weniger bedeutsam angesehen.
Eine Studie von Øgaard et al. [Øgaard et al., 1991] zur Kariesanfälligkeit von Haifischzähnen führte zu einem klaren Umdenken: Die Demineralisation dieser Zähne, die fast vollständig aus Fluorapatit bestehen, war zwar niedriger als bei humanen Zähnen, die aus „minderwertigem“ Hydroxylapatit mit vielen weiteren Substitutionen bestanden. Die regelmäßige Zufuhr von löslichem Fluorid reduzierte aber die Demineralisationsprozesse bei humanem Schmelz sogar noch unter das Niveau der Haifischzähne. Eine präventiv ausreichende Fluoridanreicherung bei der humanen Zahnschmelzbildung erscheint dagegen wegen der Fluorosegefahr nicht realistisch.
Daraus kann man schlussfolgern, dass die Fluoridanreicherung bei der Schmelzbildung nicht zu klinisch relevanten Auswirkungen auf die De- beziehungsweise Remineralisationsvorgänge an der Schmelzoberfläche nach dem Durchbruch führt. Auch „systemische“ Applikationsformen wie Trinkwasser-, Salz- oder Tablettenfluoridierung wirken damit vorrangig posteruptiv, also lokal im Mund [Limeback et al., 1999], und es erscheint sinnvoller, gleich den topischen Weg über Zahnpaste zu wählen, da hier gleichzeitig eine Plaqueentfernung erfolgt und die regelmäßige Mundhygiene von Anfang an habitualisiert wird.
Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass der wesentliche Wirkmechanismus von Fluoriden bei der Kariesprävention in der Reduktion der Demineralisation durch kariogene Säuren und in der Verbesserung der nachfolgenden Remineralisation bedingt ist. Daraus folgt, dass Fluoride während der De- und Remineralisationsprozesse intraoral lebenslang möglichst kontinuierlich vorhanden sein sollten.
Stefan Dr. Dietsche | die heilige Kuh
Sehr geehrte Kollegen-innen,
auch wenn es die heilige Kuh der ZHK ist...
Gibt man "fluoride toxicity" oder "fluoride toxicity" ein, erhält man über 400.000 links mit oft schlimmen wissenschaftlichen Verdachtsmomenten. Und das Argument,
mehr anzeigen ... es werden nur kleine Dosen Fluoride..., ist angesichts der Fluoridakkumulations im Körper hinfällig.
Und nun?