Hilfsorganisation Mercy Ships

Eine zahnärztliche Ausbildungsklinik in Guinea

Tabea Supplieth
Mercy Ships entsendet Hospitalschiffe in Entwicklungsländer, um dort die Gesundheitsversorgung zu verbessern. In Conakry (Guinea) betrat die Organisation 2018 strategisch Neuland: Sie kooperierte offiziell mit der Fakultät für Zahnmedizin der örtlichen Universität. Gemeinsam errichteten sie eine Zahnklinik und etablierten ein Mentorenprogramm. Tabea Supplieth von Mercy Ships berichtet über das Projekt.

Es war ein ernüchterndes Bild, das sich Dr. David Ugai, dem leitenden Zahnarzt von Mercy Ships, bot. Hier in Conakry, Guinea, besuchte er im Sommer 2018 die Gamal Abdel Nasser Universität, die größte und älteste Universität des Landes. Guinea liegt dem US-Amerikaner besonders am Herzen. Bereits 2012 war er für einen Hilfseinsatz im Land und hatte unzählige einheimische Patienten behandelt. Doch 2018 hatte Ugai ein anderes Anliegen: die Qualität der Ausbildung der Zahnmedizinstudierenden. Deshalb traf er sich mit den Leitern der Fakultät für Zahnmedizin, die ihm die Lehrräume und das Universitätsgebäude zeigten. Vieles war renovierungsbedürftig, ein Teil aufgrund des Verfalls gar nicht mehr nutzbar.

Was Ugai besonders ins Auge stach: Es gab in der gesamten Universität keinen einzigen Behandlungsstuhl – das bedeutet keine praktischen Erfahrungen im Studium. „Die Studierenden absolvieren eine sechsjährige Ausbildung, bei der sie keinerlei Patientenkontakt hatten oder praktische Erfahrungen sammeln konnten“, bilanzierte Ugai. Diese desolate Situation war auch der Leitung bewusst. Sie wollte dringend etwas ändern, schließlich verfolgt sie ein ambitioniertes Ziel: Die Universität soll ein Exzellenzzentrum für die dentale Ausbildung in ganz Westafrika werden.

Im Gesundheitssystem des Landes mangelt es an allen Ecken und Enden. Guinea belegt im Index der menschlichen Entwicklung im Jahr 2017 den 175. Platz und ist eines der Schlusslichter, wenn es um Lebenserwartung, Ausbildung und Einkommen geht. Obwohl es einige private und öffentliche Krankenhäuser gibt, ist die Behandlung dort für den Großteil der Bürger unerschwinglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen Kliniken schlecht ausgestattet sind, es an sauberem Wasser, an Material, Geräten und Strom fehlt.

An der Uni gab es keinen einzigen Behandlungsstuhl

Aus diesem Grund kehrte die Hilfsorganisation Mercy Ships 2018 für einen zweiten Hilfseinsatz in den westafrikanischen Staat zurück: Sie wollte an Bord der Africa Mercy, des eigenen Hospitalschiffs, Operationen und medizinische Behandlungen anbieten. Wie immer sollte das dentale Versorgungsprogramm an Land ausgelagert werden, denn die Zahnmediziner rechneten mit Tausenden von Hilfsbedürftigen. Dass alle Patienten an Bord des Schiffs kommen, ist logistisch unmöglich. Eine Kooperation mit der zentralen Gamal Universität bot daher für alle große Chancen.

Zahlen zur dentalen Versorgung innerhalb des Landes gibt es kaum. Doch Ugai kennt das Land. Während des ersten Einsatzes behandelte sein Team mehr als 10.000 Patienten. „Viele hatten jahrelang Abszesse, die sich lebensbedrohlich entwickeln können. Manchmal blieb uns nichts anderes mehr übrig, als alle Zähne zu ziehen“, erinnert sich der Zahnarzt. „Die Universität gibt ihr Bestes und bildet seit 20 Jahren Zahnärzte und Zahnärztinnen aus. Die wenigen Ressourcen, die sie haben, nutzen sie voll aus. Aber das reicht einfach nicht!“ Es musste sich etwas ändern, das war für ihn klar. Er traf sich mehrmals mit der Fakultätsleitung, den Lehrkräften und Studierenden. Nach unzähligen Meetings und Diskussionsrunden stand das PUMP-Projekt in den Startlöchern. PUMP ist das Kürzel für Partner Unit Mentoring Project und soll den Aspekt der Partnerschaft betonen. Ugai: „Uns ist wichtig, dass wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten.“

Endlich ist eine praktische Ausbildung möglich

Vom 28. Juni bis zum 16. August 2018 wurde die Fakultät renoviert und im ersten Stock eine Dentalklinik eingerichtet. Ermöglicht haben dies die Spenden vieler Privatpersonen und Unternehmen an Mercy Ships. Es entstanden Büroräume für die Verwaltung der Klinik, ein zahnmedizinisches Simulationslabor, ein Warteraum für die Patienten, wo viele von ihnen zum ersten Mal etwas über Zahnhygiene lernen würden.

Doch das Herzstück der Klinik ist ein Raum mit acht Lehrstühlen. Hier können die Studierenden endlich praktisch ausgebildet werden und die ersten handwerklichen Erfahrungen sammeln. Darüber hinaus gibt es drei weitere Lehrstühle, die Zahnärzten vorbehalten sind – auch hier besteht nach wie vor Weiterbildungsbedarf. In den folgenden Monaten begann die erste Praxisphase. Ehrenamtliche Zahnärzte behandelten in der neuen Dentalklinik der Gamal Universität unzählige Patienten. Dabei assistierten im Rotationsmodus die Studierenden der höheren Semester und führten unter Anleitung der Experten ihre ersten eigenen Behandlungen durch.

Einer der Mentoren ist ein Zahnarzt aus Bayern

Auch Dr. Volker Arendt aus Ansbach in Bayern nahm die Studierenden an die Hand. Der Zahnarzt reist regelmäßig zur Africa Mercy. „Meine Arbeit betrachte ich als einen einfachen und effektiven Dienst für mehr Menschlichkeit in der Welt“, erklärt er sein Engagement. „Von den Menschen kommt unglaublich viel Dankbarkeit zurück. So manche Behandlung chronifizierter Abszesse und Extraktionen oder Osteotomien tief zerstörter Zähne stellen häufig eine lebensrettende Maßnahme dar!“

Ugai kennt er bereits seit seinem ersten Einsatz in Guinea 2012. Einige Jahre später saßen beide wieder bei einem Hilfseinsatz zusammen und diskutierten, wie die Hilfe noch nachhaltiger werden kann. Das Projekt in Guinea war das Ergebnis dieser Diskussion.

Tabea Supplieth
Mercy Ships Deutschland e. V.
86899 Landsberg

Tabea Supplieth

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