Mit Mercy Ships in Dakar

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Janina Sander
Vom 6. bis zum 20. Oktober war Dr. Janina Sander mit der Hilfsorganisation Mercy Ships im Senegal. Eine ihrer Erfahrungen: Es tut gut, einmal aus seiner Komfortzone herauszutreten. Und es ist erfüllend, Menschen ohne Zugang zu zahnärztlicher Versorgung zu helfen. Allerdings vermisst sie die Nachhaltigkeit des Einsatzes. Hier ihr Bericht.

Die Idee zu meinem Hilfseinsatz mit Mercy Ships hatte ich schon länger. Als ich eines Tages mit meinem Chef mein Vorhaben besprach, berichtete er, dass einige seiner MKG-Kollegen dort schon operiert hätten und Mercy Ships kontinuierlich auch Zahnärzte suchen würde, die bereit sind, sich zu engagieren. Ich sagte mir, „wenn nicht jetzt, wann dann“. Ich bin in den letzten Monaten meiner Weiterbildung zur Fachzahnärztin für Oralchirurgie – und mit einer eigenen Praxis wird es sicher nicht einfacher werden, sich die Zeit für einen Hilfseinsatz zu nehmen. 

Mercy Ships prüft sehr genau, wer bei ihnen mitarbeiten darf. Neben Nachweisen zu meiner beruflicher Erfahrung und zu meiner Gesundheit waren auch Empfehlungsschreiben erforderlich. Erhält man eine Zusage, kümmert sich die Organisation sehr gut um ihre Einsatzkräfte. Man bekommt vor Antritt des Aufenthalts eine umfassende Einführung und absolviert vorbereitend zahlreiche E-Learning-Module.

Am Sonntag, dem 6. Oktober, ging es dann endlich in den Senegal. Am Flughafen empfing mich Antoine, ein Mitarbeiter des Dental Teams. Vom modernen Flughafen fuhren wir auf zunehmend unbefestigten Straßen in immer ärmere Regionen von Dakar. Unser Dental-Team-Haus befand sich in Malika, einem recht armen Viertel.

Das Haus war umgeben von Mauern und bewacht von einem Sicherheitsmann mit Hund. Dort angekommen, wurde ich vom Team herzlich empfangen. Das Haus war sehr sauber, mit einem wunderschönen Garten, jedoch musste man sich an die kalte Dusche, den einen oder anderen Stromausfall und an die Übernachtung in einem Vierer-Zimmer im Hochbett erst gewöhnen.

Ein Übersetzer, eine ZFA und ein/e Toubab

Am nächsten Morgen ging es gleich an die Arbeit. Wir – vier Zahnärzte und einige zahnmedizinische Fachangestellte – wurden von unserem Team-Haus in Malika zur Dental Clinic in Sangalkam gefahren. In großen Teilen Westafrikas ist die zahnärztliche Versorgung nur spärlich vorhanden und viele Menschen haben auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, um sich dieses Privileg zu leisten. Mercy Ships verfügt über eine mobile Zahnklinik, in der kostenlos behandelt wird. Für viele Patienten ist dies die einzige Möglichkeit für eine zahnmedizinische Behandlung.

In der Zahnklinik warteten schon zahlreiche Patienten auf uns. Amtssprache in Dakar ist Französisch, der Großteil der Bevölkerung spricht aber nur Wolof, einen lokalen Dialekt. Jedem Zahnarzt wurde daher zusätzlich zur zahnmedizinischen Fachangestellten ein Übersetzer gestellt. Für mich übersetzte Malik. Er leistete tolle Arbeit und wir haben viel zusammen gelacht. Eines der wenigen Worte, die ich auf Wolof gelernt habe, war „Toubab“, was so viel wie „weißes Gesicht“ bedeutet.

Die Ausstattung des zahnärztlichen Equipments war erfreulich gut. Nach einer kurzen Einarbeitung begann ich Patienten zu behandeln und führte zahlreiche Zahnextraktionen, Abszessbehandlungen und auch die eine oder andere Füllungstherapie durch.

Oft waren die Zähne schon so zerstört, dass eine zahnerhaltende Therapie nicht mehr möglich war.

Extraktionen im nicht-kaukasischen Kiefer

Da kein Röntgengerät vorhanden war, musste ich mich diagnostisch allein auf klinische Kriterien stützen, was teilweise schon eine Herausforderung war. Eine weitere Besonderheit bei der Behandlung der Patienten im Senegal bestand darin, dass die Zähne im Vergleich mit kaukasischen Kiefern sehr lange Wurzeln aufweisen und besonders fest im Kiefer verankert sind. Die Entfernung dieser Zähne gestaltete sich deswegen anspruchsvoll.

Viele der Patienten hatten noch nie einen Zahnarzt gesehen und Angst vor der Behandlung. Doch unser Übersetzer half den Patienten, Vertrauen zu gewinnen. Auch Kinder ließen sich nach ein bisschen Überredungskunst gut behandeln. Beeindruckend war die große Dankbarkeit für unsere Hilfe.

Zweimal unternahmen wir einen Ausflug zum Schiff, um die dortige große Crew zu besuchen und einige Erledigungen an Bord zu machen. Auf dem Schiff befinden sich komplett ausgestattete OP-Säle mit den Abteilungen MKG-Chirurgie, HNO, Augenheilkunde, Allgemeine Chirurgie, Orthopädie und Gynäkologie. Die Aufgabenbereiche innerhalb der Crew sind klar definiert, und ich hatte den Eindruck, dass alles sehr gut organisiert ist.

Das ganze Schiff ist komplett klimatisiert, was bei dem feucht-warmen Klima und Temperaturen von über 30 Grad sehr angenehm ist. In einem großen Speisesaal, im Coffeeshop Starbucks – mit echtem Cappuccino – oder im Gemeinschaftsraum kann sich die Crew erholen.

Ich wurde oft nach meiner Motivation zu diesem Hilfseinsatz gefragt. Natürlich war mein Hauptanliegen, Menschen mit meinem medizinischen Wissen zu helfen. Aber für mich war es auch wichtig, mich selbst aus der eigenen „comfort zone“ zu bewegen, über mich selbst hinauszuwachsen und zu spüren, was man alles bewegen kann, wenn man den Mut dazu hat.

Trotz der doch erheblichen Anstrengung – man behandelt täglich eine Vielzahl an Patienten – erfüllte es mich mit einer großen Zufriedenheit, Menschen helfen zu können, die sonst nie Zugang zu einer zahnärztlichen Versorgung hätten. Neben den inspirierenden Menschen, die ich kennenlernen durfte, genoss ich es sehr, mich nur auf die Behandlung meiner Patienten konzentrieren zu können. Es gab nur wenig Bürokratie und vor allem keinen ausgeprägten Dokumentations- und Aufklärungsaufwand, wie ich ihn von meiner Arbeit in Deutschland gewohnt bin. Dafür blieb mehr Zeit zum persönlichen Kontakt mit den Patienten.

Insgesamt leistet Mercy Ships in den Ländern einen wichtigen Beitrag. Darüber hinaus wird medizinisches Hilfspersonal ausgebildet und steht über die Dauer des Einsatzes hinweg vor Ort zu Verfügung. Kritisch anzusehen ist, dass mit Abfahrt des Mercy Ships das dringend benötigte fachärztliche Personal die Region wieder verlässt. Notwendig wäre jedoch der Aufbau einer Infrastruktur, so dass Fachärzte im Land eine flächendeckende medizinische Versorgung leisten können.

Dr. Janina Sander,
Weiterbildungsassistentin bei Dr. Dr. Weber, Dr. Ueding in Passau

Dr. Janina Sander

Weiterbildungsassistentin

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