Wissenschaftlicher Kongress

Meine Praxis, meine Zukunft – Trends auf dem Prüfstand

Ein durchgängiges Hauptprogramm, parallel zeitlich eng getaktete Sessions der Fachgesellschaften, Gastvorträge internationaler Experten, Zukunftskongress, Studententag, Kurz- und Postervorträge mit Beiträgen aus der Forschung und Veranstaltungen für das Praxisteam. Der wissenschaftliche Kongress des Deutschen Zahnärztetages bot in diesem Jahr wieder ein prall gefülltes Fortbildungsprogramm zu Themen aus allen zahnmedizinischen Disziplinen und zog knapp 3.000 Teilnehmer ins Frankfurter Congress Center.

Anders als in den Vorjahren fanden in diesem Jahr der wissenschaftliche und der standespolitische Teil des Deutschen Zahnärztetages nicht mehr parallel, sondern zeitlich aufeinanderfolgend statt. Während der wissenschaftliche Kongress unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) am 8. und 9. November in Frankfurt am Main tagte, trat die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) am 15./16. November in Berlin zusammen.

DGZMK-Präsident Prof. Dr. Michael Walter wies in seiner Begrüßungsansprache auf die umfassende thematische Breite des Kongresses hin. Hier habe der Deutsche Zahnärztetag ein Alleinstellungsmerkmal und sei nicht zuletzt ein „Familientreffen“ der zahnärztlichen Community.

Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, griff in seiner Begrüßungsrede das Motto „Trends auf dem Prüfstand“ auf. Ein Trend heute sei die Digitalisierung, die bereits viel Nutzen gebracht habe. Doch bei aller Digital-Euphorie müsse es auch „Mahner wie die Bundeszahnärztekammer“ geben“. „Unser Credo lautet: Gerade im Gesundheitsbereich muss Sicherheit und Patientenschutz immer an erster Stelle stehen. Persönliche Gesundheitsdaten sind die sensibelsten Daten, die es gibt. Allein schon wegen unserer berufsethischen Verpflichtung müssen wir darauf bestehen, dass digitale Innovationen immer dem Wohl des Patienten dienen und die Vertrauensbeziehung zwischen Patient und Zahnarzt nicht gefährden. Kurz gesagt: Die Nutzung der schier endlosen Möglichkeiten der Digitalisierung muss dort aufhören, wo freie Arztwahl, Therapiefreiheit, Freiberuflichkeit, Berufsrechte und -pflichten eingeschränkt werden. Diese Werte sind nicht verhandelbar“, betonte Engel.

Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, ging auf die Chancen der Digitalisierung in der Zahnmedizin ein. Hier gebe es vielversprechende Möglichkeiten durch Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI). Darum habe man auch für den Eröffnungsvortrag mit Prof. Wolfgang Wahlster einen der renommiertesten Experten gewinnen wollen. Wahlster ist „Chief Executive Advisor“ des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Mit über 700 Wissenschaftlern ist das DFKI die weltweit größte Forschungseinrichtung auf diesem Gebiet.

Künstliche Intelligenz wird das Berufsbild ändern

Wahlster gab einen Überblick über die Entwicklung der KI-Forschung: Nach Forschungen mit heuristischen, wissensbasierten und lernenden Systemen arbeite man heute an „kognitiven Systemen“, einer Kombination von Lernverfahren und gespeichertem Wissen. Er erläuterte die faszinierenden Möglichkeiten unter anderem an einem KI-gestützten Planungsprozess für Zahnimplantate. Sein Fazit: „Künstliche Intelligenz wird zunächst im Bereich der Bildanalyse in der Diagnostik und bei der OP-Planung zum Einsatz kommen“ und „Sprachdialogsysteme und Chatbots können den Zahnarzt in seiner Praxis entlasten“. Bei alldem gelte jedoch: „Der Arzt kann und soll durch KI nicht ersetzt werden, aber sein Berufsbild ändert sich.“

„Die digitale Abformung hat mich zu einem besseren Zahnarzt gemacht“: Engagiert skizzierte Dr. Ingo Baresel, Cadolzburg, die Möglichkeiten des digitalen Workflows mit intraoralen Scannern. Scannen sei schneller als die Abformung, man könne Details auch nachscannen und mit diesen Daten den Ursprungsscan korrigieren. Auch Bewegungen ließen sich aufzeichnen und nicht zuletzt sei die Kommunikation mit dem Labor über Teamviewer-Sitzungen zeitsparend zu gestalten.

Prof. Dr. Ralf Schulze, Mainz, gab einen Überblick über die bildgebenden Verfahren in der Zahnheilkunde. Das 2-D-Röntgen sei „altbewährt, aber immer noch gut“. Dreidimensionales Röntgen mit dem DVT habe etliche Indikationen, beachtet werden müsse aber immer auch die Belastung des Patienten durch eine meist erhöhte Strahlenexposition – er verwies in diesem Zusammenhang auf das in Arbeit befindliche Update zur DVT-Leitlinie. Neben den Verfahren der Röntgen-Bildgebung rücke aber zunehmend die Diagnostik mit dem MRT in den Fokus des Interesses. „MRT ist teuer, aber MRT hat ein hohes Potenzial“, bilanzierte Schulze und demonstrierte anhand von Beispielen, dass die MRT-Technik inzwischen durchaus Bildauflösungen generiert, die mit der 3-D-Röntgentechnik mithalten kann.

Mit den Potenzialen der MRT-Technik beschäftigten sich gleich vier Kurzvorträge. PD Florian Probst, München, (MRT-basierte computergestützte 3-D-Implantatplanung) und Dr. Alexander Jürchott, Heidelberg, (In-vivo-Vergleich zwischen MRT- und DVT-basierter 3-D-Kephalometrie) sahen bei vergleichbarer Darstellungsqualität die Vorteile für das MRT in der strahlungsfreien Diagnostik. Monika Probst, München, sah beim MRT in der Parodontitisdiagnostik sogar einen diagnostischen Mehrwert, da „potenziell reversible Areale der Erkrankung anzeigt werden“.

„Wir Zahnärzte wollen Fluorid lokal geben.“ Die lokale Fluoridierung sei entscheidend, betonte Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, in seinem Vortrag „Fluoridierungskonzepte auf dem Prüfstand“. Mit Blick auf die neuen Fluoridempfehlungen der deutschen Fachgesellschaften verwies Schiffner auch auf die internationalen Empfehlungen von EAPD und WHO. Mit 1.000 ppm Fluorid „sind wir im Mainstream“. Zu den immer wieder diskutierten toxischen Eigenschaften von Fluorid betonte Schiffner, es gehe hier nicht um ein tödliches Gift, sondern schlimmstenfalls um Übelkeit und Erbrechen, wenn das Kind ganze Zahnpastatuben verzehre. Chronisch seien Schmelz-Fluorosen die einzige unerwünschte Nebenwirkung mit „sehr milden oder milden Ausprägungen“. In Deutschland gebe es zudem generell ein geringes Fluorose-Niveau.

Von der Zahngesundheit zur Mundgesundheit

„Time to put the mouth back inside the body & talk about Oral Health not Dental Health.“ Die Keynote des Parodontologen Prof. Dr. Iain L. C. Chapple, Birmingham, gehörte zu den diesjährigen Höhepunkten. Im Zuge von parodontalen und periimplantären Erkrankungen gelangten pathogene Bakterien aus der Mundhöhle über parodontale Taschen in den Blutkreislauf und könnten sich im ganzen Körper ausbreiten und dort Effekte auslösen. Deshalb sei es heute nicht mehr zeitgemäß, allein von Zahngesundheit zu reden. Man müsse stattdessen von Mundgesundheit sprechen und darüber hinaus die systemischen Konsequenzen für die Allgemeingesundheit einbeziehen.

Mit der Frage „Was ist gesund?“ beleuchtete Chapple aus parodontologischer Sicht eine der zentralen Fragen in der Medizin. Die moderne Sicht auf Gesundheit sieht den Menschen in einer biologischen Balance – als Holobionten, als symbiotisches Zusammenspiel des menschlichen Organismus mit seinen „Bewohnern“, den Bakterien. Verschiebt sich dieses Zusammenspiel ins Dysbiotische, im Fall von Gingivitis und Parodontitis beispielsweise durch Plaqueakkumulation und eine Veränderung des Mikrobioms, könne ein gesunder Zustand in eine Erkrankung umschlagen.

Auch Investoren-betriebene MVZ waren Thema auf dem Zahnärztetag. Die Deutsche Gesellschaft für Orale Epidemiologie und Versorgungsforschung (DGOEV) hatte zu einer Diskussion geladen. Dr. Norbert Engel, Referent für Qualitätsmanagement und Versorgungsforschung bei der LZK Baden-Württemberg, diskutierte mit Dr. Ivona Leventic, geschäftsführende Zahnärztin im AllDent-Zahnzentrum, einem Investoren-MVZ mit vier Standorten in Deutschland.

Engel kritisierte insbesondere die Gesundheitspolitik, die der Überzeugung sei, dass Konzentrationsprozesse eine bessere Medizin hervorbringen. In Wirklichkeit folgten die MVZ einer völlig anderen Mechanik: Dort gehe es um Gewinnmaximierung und letztlich würden Versichertengelder aus der Wertschöpfungskette entnommen, um als Renditen ins Ausland zu fließen. Auch Leventic sah die Gefahr, dass das ärztliche Ethos „in den Hintergrund rückt“. Aber letztlich würden nur die MVZ erfolgreich sein, die die Ethik in den Vordergrund stellen.

Aufschlussreich war, was Leventic über die Strukturen bei AllDent berichtete. Dort habe man kleine Teams aus nur wenigen Zahnärzten gebildet, um eine engere Zahnarzt-Patient-Beziehung zu schaffen – das sei wichtig, „um die Patienten zu binden“. Patientenbehandlung „mit ärztlichem Ethos“, Versorgung in kleinen Teams – kopieren da Großversorger-MVZ die Strukturen der Niedergelassenen?

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