Interview mit Prof. Dr. Roland Frankenberger

„Großes Kompliment an die Studierenden!“

Warum ein weiteres „Corona-Semester“ im Fall einer zweiten Welle nicht mehr ohne Einbußen in der Qualität zu stemmen ist und wie essenziell die Patientenbehandlungen für das Zahnmedizinstudium sind, erklärt Prof. Dr. Roland Frankenberger.

Laut Abweichungsverordnung zur zahnärztlichen Approbationsordnung ist der Einsatz von alternativen Lehr- und Prüfungsformaten möglich: Wie wirken diese sich auf das Studium aus?

Prof. Roland Frankenberger:

Zunächst einmal muss ich zugeben, dass wir in der deutschen Universitätszahnmedizin viel besser durch die Krise gekommen sind, als vorher von vielen (auch von mir) prognostiziert. Ich war wirklich skeptisch, ob wir mit den angesprochenen Alternativformaten eine gute und nachhaltige Lehre gewährleisten können.

In der Regel war das vergangene Sommersemester dreigeteilt: Am Anfang stand ein Block mit reiner Online-Lehre, gefolgt von praktischer Ausbildung am Phantom, wofür eine Vielzahl zusätzlicher Dummys (Puppen) beschafft wurde. Der Online-Lehr-Block hat technisch hervorragend funktioniert und rein didaktisch hat er sich ebenfalls bewährt. An vielen Standorten wurden in der restlichen Zeit Lehrvideos und Tutorials gedreht, von denen wir noch jahrelang profitieren werden. Je nach lokaler epidemiologischer Lage wurden dann im dritten Abschnitt noch Patienten in den klinischen Kursen einbestellt – zusätzlich wurde das Semester erheblich in die vorlesungsfreie Zeit extendiert.

Es ist breiter Konsens bei meinen Kollegen an den bundesdeutschen Zahnmedizin-Standorten, dass wir sehr gut dazu in der Lage sind, ein solches „Corona-Semester“ ohne nennenswerte Einbußen der Lehrqualität zu organisieren, auch und trotz der teilweise erheblichen Unterfinanzierung unserer Zahnkliniken. In diesem Fall war es mehr Berufsethik und Begeisterung der Lehrenden als wirklich gute finanzielle Unterstützung.

Es ist aber ebenso Konsens, dass im Fall einer „zweiten Welle“ ein weiteres solches Semester nicht mehr ohne Einbußen in der Qualität zu stemmen sein wird, und damit auch nicht die Einhaltung des Zeitrahmens für das Studium. Bei vier Semestern klinischer Ausbildung ist es ein riesengroßer Unterschied, ob unsere Studierenden 25 Prozent oder 50 Prozent kompromittierte Semester erleben, für die vorklinischen Semester gilt das in ähnlichem Maße.

Welche Herausforderungen bringt die schrittweise Wiederaufnahme des Unterrichts am Patienten?

Zunächst einmal mussten an jedem Standort mit der Universitätsleitung und dem Klinikum abgestimmte Hygienekonzepte erarbeitet werden, etwa Ein- und Ausschleusungsvorgänge aller Studierenden durch wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Einlasskontrollen für die Patienten. Für unsere Mitarbeiter war das schon ein beträchtlicher Mehraufwand.

Ansonsten wurde die Rückkehr zum Patientenbetrieb von beiden Seiten (Studierende/Patienten) mit großer Begeisterung aufgenommen. Es war auch vernünftig, nicht zu früh mit den Patientenbehandlungen zu beginnen, da viele unserer Kurspatienten anfangs noch wesentlich verunsicherter waren als etwas später im Semester.

Den Studierenden muss ich ein großes Kompliment machen, da sie extrem diszipliniert waren und uns immer auch in den Fachschaften auf unserem Weg unterstützt haben. Außerdem haben wir von unseren Studierenden große Dankbarkeit erfahren, weil sie natürlich auch gemerkt haben, wie groß der zusätzliche organisatorische Aufwand an den Zahnkliniken war.

Wie hoch war der Aufwand für die Fakultäten?

Gerade der Beginn der Pandemie war geprägt von einer Vielzahl von Versammlungen, Taskforces, Abstimmungen zwischen den Standorten und Improvisation. Der MFT hat ja wöchentliche Videokonferenzen mit allen medizinischen und zahnmedizinischen Standorten organisiert, bei denen regelmäßig über 100 Teilnehmer online waren, gefolgt von kleineren Konferenzen der nationalen Taskforce Corona des MFT. Wir waren auch für die Zahnmedizin jederzeit für alle Standorte ansprechbar.

Logistisch das größte Problem abseits der oben beschriebenen Dreiteilung des Semesters war vor allem die zusätzliche Organisation der Staatsexamina, die im Frühjahr teilweise sehr kurzfristig abgesagt wurden – bei uns zum Beispiel kurz vor dem Wochenende bei geplantem Beginn am Montag. Die Nachhol-Staatsexamina mussten dann auch noch zwischen den praktischen Anteilen des Semesters untergebracht werden.

Eine weitere organisatorische Hürde war die Tatsache, dass die meisten Universitäten Präsenzlehre nur in absoluten Ausnahmefällen überhaupt genehmigten und die Zahnmediziner hier sehr früh einen Sonderweg gehen mussten – was im Nachhinein absolut richtig war. Auch hier haben unsere MFT-seitigen regelmäßig publizierten Empfehlungen zur Universitätsmedizin und -Zahnmedizin einen wichtigen Beitrag zur Orientierung und gemeinsamen Stoßrichtung geleistet.

Am Ende ist es mir noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die klinische Ausbildung ein fundamental wichtiger Teil der deutschen Zahnmedizinerausbildung ist. Abgesehen von einer Ausnahmesituation wie einer nie dagewesenen Pandemie in 2020 sind wir gut beraten, diese Fahne der invasiven Patientenbehandlung durch Studierende hochzuhalten, zu hegen und zu pflegen. Nachdem nun im vergangenen Semester viele Patientenbehandlungen ausgefallen sind, ist es wichtig, die Patienten zurückzuholen und wieder dauerhaft an unsere Universitätszahnkliniken zu binden.

Die Fragen stellte Gabriele Prchala.

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