WHO-Exekutivrat verabschiedet Resolution

Ein Meilenstein in der Geschichte der Mundgesundheit

Der Exekutivrat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Resolution verabschiedet, die die Mundgesundheit als wichtigen Eckpfeiler der Gesundheitsversorgung auf die Agenda setzt. Ein Novum, denn damit erkennt die WHO die Mundgesundheit als wesentlichen und untrennbaren Bestandteil der Allgemeingesundheit an. Im Mai soll die Resolution auf der Weltgesundheitsversammlung verabschiedet werden.

Einen „Meilenstein in der Geschichte der Mundgesundheit“ nannte WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus die Resolution zur Mundgesundheit. Diese wurde am 21. Januar 2021 von den Vertretern des WHO-Exekutivrats in Genf verabschiedet. Vor einem Jahr war das Projekt von Sri Lanka eingebracht und zwischenzeitlich von 13 weiteren Einzelländern und allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mitgetragen worden.

Im Rat herrschte Konsens darüber, dass die Mundgesundheit ein wichtiger Eckpfeiler der Gesundheitsversorgung und damit untrennbar mit der Allgemeingesundheit verbunden sei und dass Maßnahmen ergriffen werden sollten, um den Mundgesundheitszustand weltweit zu verbessern. Die breite Unterstützung der Resolution sei wohl auch von der WHO selbst so nicht erwartet worden.

Mundgesundheit soll weltweit besser werden

Der WHO-Exekutivrat sieht also dringenden Handlungsbedarf. Als Grund für seinen Vorstoß führt er an, dass orale Erkrankungen weltweit verbreitet und oft eng mit nichtübertragbaren Krankheiten verbunden sind – vor allem bei den gesundheitlich am stärksten gefährdeten Menschen. Er weist auch auf die internationale Minamata-Konvention hin, wonach weltweit ein phasenweiser Ausstieg aus der Versorgung mit Dentalamalgam geplant ist und durch gezielte Forschung ein brauchbares Ersatzmaterial entwickelt werden soll.

Außerdem heißt es in der Resolution, dass unbehandelte Karies bei bleibenden Zähnen bei rund 2,3 Milliarden Menschen auftritt. Mehr als 530 Millionen Kinder leiden an Milchzahnkaries und 796 Millionen Menschen sind von Parodontalerkrankungen betroffen. Durch Prävention sind viele Krankheiten vermeidbar, vor allem bei vulnerablen Gruppen. Ferner gehören orale Krebserkrankungen mit 180.000 Todesfällen jährlich zu den weltweit häufigsten Krebserkrankungen. Neben Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht eine schlechte Mundgesundheit die höchsten Kosten im Gesundheitsbereich weltweit. Die WHO beziffert die dadurch entstehenden direkten und indirekte Kosten auf 545 Milliarden US-Dollar.

Gesucht sind politische Präventionsstrategien

Eine schlechte Mundgesundheit führt überdies zu erheblichen sozialen Ungleichheiten, wie es in der Resolution weiter heißt. Überproportional betroffen sind Länder, die wirtschaftlich schlecht dastehen, in der Bevölkerung trifft es vor allem Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund und Risikogruppen.

Weltzahnärzteorganisation FDI

„Ein Bahnbrechender Vorstoß“

„Die WHO-Resolution wurde von ihren Mitgliedstaaten weltweit enthusiastisch begrüßt“, meldet die Weltzahnärzteorganisation FDI zum Beschluss des Exekutivrats und spricht von einem „bahnbrechenden Vorstoß“. Die FDI hatte in ihrer Stellungnahme dazu aufgefordert, zahnärztlichen Sachverstand einzubinden, wenn es darum geht, nationale Strategien zur Mundgesundheit zu entwickeln.

Zahlreiche zahnmedizinische und medizinische Fachgesellschaften und Fachverbände hatten die Resolution unterstützt. So unterstrich etwa die International Association for Dental Research (IADR) die Wichtigkeit fundierter Forschung zur Verbesserung der Mundgesundheit weltweit.

Munderkrankungen beruhen zudem auf vielen Risikofaktoren, die auch bei nicht-übertragbaren Krankheiten eine Rolle spielen – wie zum Beispiel Tabak- und Alkoholabusus, zu viel Zucker oder schlechte Hygiene. Laut Resolution besteht damit die Notwendigkeit, Mundgesundheitsstrategien in allgemeine politische Präventionsstrategien zu integrieren. Nicht zuletzt habe auch die COVID-19-Pandemie in vielen Ländern zu einer Verschlechterung der nationalen Gesundheitsdienste geführt. Die WHO berichtet von 77 Prozent der Länder weltweit, die hier Störungen melden.

Die Länder sollen jetzt Strategien erarbeiten

Deshalb fordert der Exekutivrat die Mitgliedstaaten der WHO weltweit dazu auf, entsprechende Gegenmaßnahmen in ihren Ländern einzuleiten. Die Versorgung der Zahn- und Mundgesundheit sollte als wesentlicher Teil der allgemeinen Gesundheitsdienste eines Landes integriert werden. Und auch die Öffentlichkeit sollte für die Belange der Mundgesundheit aufgeklärt und sensibilisiert werden.

Reformdebatte in der WHO

Seit mehreren Jahren fordern verschiedene Seiten eine Reform der Strukturen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Kritisiert werden unter anderem die Finanzierung, ein ungenügendes Mitspracherecht bei Entscheidungen und eine mangelhafte Transparenz. Die Corona-Pandemie hat zu weiterer Kritik an der Krisenreaktion der WHO und an ihrer Abhängigkeit von großen Geldgebern wie China geführt.

Unter Vorsitz der deutschen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 hatte die Europäische Union ein gemeinsames Vorgehen bei der Reformierung der WHO beschlossen und in einer Agenda bekräftigt. Als Schwachstellen arbeiteten die EU-Länder heraus, dass die Möglichkeiten der WHO im bestehenden Rahmen nur sehr beschränkt sind. Sie schlagen vor, dass die WHO weitere Partnerschaften eingehen, ihre normative und wissenschaftliche Arbeit ausbauen, die technische Ausstattung verbessern und die Arbeit mehr an Transparenz und Effektivität ausrichten soll. So sollten das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die WHO wesentlich stärker als bisher kooperieren und ein neues Ampel-Alarmsystem für internationale Gesundheitsgefahren eingerichtet werden.

Auch die USA hatten im September 2020 Vorschläge zur Reform der WHO mit derselben Stoßrichtung vorgelegt. Die Budgetstruktur sollte sich ändern, die Berichterstattung sowie die internationale Koordination verbessert werden und die WHO-Mitgliedsländer sollten mehr Mitspracherechte erhalten.

Die Länder sind aufgerufen, Richtlinien, Strategien und Projekte für die Mundgesundheit zu erarbeiten. Diese sollten Bestandteil der geplanten „Vision 2030“ der FDI werden. Als wichtig erachtet der Exekutivrat eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen wie Schulen, Gemeinden oder Arbeitsplätzen. Auch die Förderung eines gesunden Lebensstils gehört dazu. Ferner sollten auch Gesundheitsberufe dazu befähigt werden, mögliche Fälle von Vernachlässigung der Mundgesundheit aufzudecken und an die zuständigen Behörden ihres Landes weiterzugeben.

Bis 2030 will die WHO messbare Ziele erreichen

Vorgesehen ist, dass die World Health Assembly (Weltgesundheitsversammlung) im Mai dieses Jahres die Resolution verabschiedet und der WHO damit ein Mandat gibt, bis 2022 eine Strategie zur Förderung der Mundgesundheit weltweit zu entwickeln und diese in ein Arbeitsprogramm umzusetzen, das bis 2023 wirksam werden soll – mit messbaren Zielen, die bis 2030 erreicht werden sollen.

BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel

„Die Resolution spiegelt ein Umdenken wider“

„Aus Sicht der Bundeszahnärztekammer ist die WHO-Resolution des Exekutivrats in der Geschichte der Mundgesundheit in der Tat ein – wie Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, betont – wegweisender Meilenstein. Nachdem die Mundgesundheit in dem weltweiten Gremium über Jahrzehnte hinweg nur eine geringe gesundheitspolitische Priorität hatte, spiegelt die aktuelle Resolution ein Umdenken wider. Mit ihrem Vorstoß erkennt die Weltgesundheitsorganisation die Mundgesundheit als einen wesentlichen und untrennbaren Bestandteil der Allgemeingesundheit an. Strategien zur Gesundheitsförderung können einen wesentlichen Beitrag liefern, um nichtübertragbare chronische Krankheiten zu verhindern. Und die wesentlichen nichtübertragbaren Erkrankungen in der Zahnmedizin sind Zahnkaries und Parodontalerkrankungen.“

Dies soll schließlich zu einer Mundgesundheitsagenda führen, die vollständig in die WHO-Programme zu nicht übertragbaren Krankheiten (Non Communicable Diseases, NCD) und zur umfassenden Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage, UHC) eingebettet werden soll.

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