Kommentar von Rechtsanwältin Dr. Frauke Schmid-Petersen zu jameda

„Ein bedeutender Schritt zur Sicherstellung der Transparenz“

Die Prozesse gegen jameda in den vergangenen Jahren sind Legion. Allgemein geht es dabei immer darum, ob das Portal ein neutraler Informationsvermittler ist oder ob es seinen Premiumkunden heimlich Vorteile gewährt. Die Kölner Rechtsanwältin Dr. Frauke Schmid-Petersen ordnet die aktuellen Urteile in den Konnex der bisherigen Rechtsprechung.

Das Oberlandesgericht München ist der Auffassung, dass die (frühere) Gestaltung des Bewertungsportals jameda in Teilen unzulässig ist. Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe müssen es nicht hinnehmen, dass jameda ungewollt „Basis“-Profile anlegt, solange zahlenden Kunden in dem Portal bestimmte Vorteile verschafft werden (Urteile vom 19.01.2021, 18 U 7246/19 Pre und 18 U 7243/19 Pre).

Das Internet ist zu einem wichtigen Hilfsmittel bei der Arztsuche geworden, die Nutzerzahlen bei jameda gehen in die Millionen. Häufig ist die Bewertungsplattform auch der erste Treffer in der Suchmaschine, noch vor der eigenen Homepage eines Arztes. jameda legt seit Jahren nicht nur für seine zahlenden Kunden, sondern – ungefragt – auch für andere Ärzte Profilseiten an, auf denen Informationen zur Fachrichtung und zur Praxis verzeichnet werden und Patienten Bewertungen abgeben können.

Die Profile sehen dann allerdings sehr unterschiedlich aus. Während zahlende Kunden ihre Darstellung mit Texten, Bildern, Interviews oder Videos ansprechend gestalten können, bleibt das Profil eines nicht zahlenden Arztes an vielen Stellen leer und wenig aussagekräftig. Besonders auffällig: das Fehlen eines Profilbildes bei Basis-Kunden. Bis zum „Relaunch“ der Seite im Jahr 2019 waren die leeren Felder dazu noch mit geradezu abwertenden Hinweisen versehen, wie zum Beispiel „Dieser Arzt hat leider noch kein Porträt hinterlegt“. Man könnte meinen, ein solcher Arzt habe einfach kein Interesse an den Nutzern des Portals.

Dabei ist es nicht etwa möglich, einzelne Elemente freischalten zu lassen, sondern der Arzt muss sich – will er nicht mit einem blassen Eintrag gegen die zahlenden Kunden abfallen – für ein „Premium-Paket“ entscheiden und damit im Jahr zwischen circa 820 und 1.660 Euro ausgeben, um die „Leerstellen“ ausfüllen zu dürfen. Das ist für manchen ein nicht unbeachtlicher Kostenfaktor, zumal man in der Regel zusätzlich noch eine eigene Praxishomepage erstellen und pflegen lassen muss.

Für die Zulässigkeit der Datennutzung beruft sich jameda auf ein öffentliches Interesse an einer vollständigen Ärzteliste im Internet, die zu mehr Transparenz führe und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014 (Urteil vom 23.9.2014, VI ZR 358/13) auch grundsätzlich zulässig sei.

Zur Ungleichbehandlung zwischen zahlenden Kunden und anderen Ärzten hatte sich der BGH damals allerdings nicht geäußert. Das kam erst in einer weiteren Entscheidung vor dem BGH im Jahr 2018 (Urteil vom 20.02.2018, VI ZR 30/17). Eine Kölner Hautärztin hatte sich gegen die „Zwangslistung“ gewehrt und Recht bekommen, weil der BGH die datenschutzrechtliche Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausfallen ließ. Der Portalbetreiber verhalte sich nicht mehr neutral, sondern bevorzuge seine zahlenden Kunden, ohne dies ausreichend offenzulegen. Daher müsse die Ärztin die ungewollte Nutzung ihrer Daten nicht akzeptieren und das Profil gelöscht werden.

In der Folge zu dieser Entscheidung entfernte jameda allerdings das vom BGH besonders ins Visier genommene „Werbebanner“ und behielt die „Basis“-Profile bei.

Dagegen richtete sich die im Jahr 2018 eingereichte Klage zweier Orthopäden, die von jameda unter Berufung auf die BGH-Entscheidung erfolglos die Löschung ihrer Profile verlangt hatten. Aus ihrer Sicht ist die ungefragte Datennutzung unzulässig, da es weiterhin eine Vielzahl von anderen „verdeckten Vorteilen“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung für zahlende Kunden gab. Konkret beanstandeten die beiden Ärzte 21 Gestaltungselemente, wie zum Beispiel die Hinweise auf andere Ärzte oder auf „Fachartikel“ in den „Basis“-Profilen.

In der ersten Instanz konnten die Kläger zwar bereits einen datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch durchsetzen, allerdings nur bezogen auf eines der „Features“, nämlich den Hinweis auf sogenannte Fachartikel von zahlenden Kunden. Eine Profillöschung auf Dauer war damit aber noch nicht erreicht, da jameda die Möglichkeit bleibt, dieses Element zu entfernen. Das gesamte Portal war zwischenzeitlich ohnehin einem „Relaunch“ unterzogen worden, vielleicht auch, um weiteren Klagen zuvorzukommen.

Anders nun das Oberlandesgericht: Von den 21 beanstandeten Gestaltungselementen und „Features“ (wie zum Beispiel das Angebot, Interviews in einem „Experten-Ratgeber“ zu veröffentlichen) hielt das Gericht 14 für unzulässig. Der Portalbetreiber verhalte sich nicht neutral, wenn er zahlenden Kunden ermögliche, das eigene Profil durch zusätzliche Informationen und Hilfestellungen des Portalbetreibers aufzuwerten, ohne gleichzeitig für den Nutzer deutlich zu machen, dass es sich insoweit um zahlungspflichtige Angebote handelt. Zulässig sei aber dagegen die Einblendung einer Liste mit Ärzten zu speziellen Behandlungsgebieten und die Schaltung von Werbung für Drittunternehmen. Dass der Portalbetreiber die Profilgestaltung zwischenzeitlich in einigen Punkten geändert hat, hielt das OLG im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr für unschädlich.

Auch wenn das Ziel der Kläger noch nicht vollständig erreicht ist, stellt das Münchener Urteil einen bedeutsamen Schritt zur Sicherstellung der Transparenz auf Bewertungsplattformen dar. Der Plattformbetreiber muss zumindest offenlegen, inwiefern seine Kunden bezahlte Leistungen in Anspruch nehmen, wenn sie Daten von anderen Ärzten ohne Zustimmung nutzen wollen.

Die Revision wurde zugelassen, da sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Daten für ungewollt angelegte Profile verwenden darf, für eine Vielzahl von Fällen stellt und die Entscheidung in mehreren Punkten von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteile vom 14.11.2019, 15 U 89/19 und 126/19) abweicht. Die Urteile des OLG Köln, die deutlich zugunsten von jameda ausgefallen waren, stehen bereits zur Überprüfung beim BGH an und sollen im Juni in Karlsruhe verhandelt werden.

Rechtsanwältin Dr. Frauke Schmid-Petersen, HÖCKER Rechtsanwälte, Köln

Der Link führt auf unseren Beitrag zu dem Urteil.

Dr. Schmid-Petersen hat in den beschriebenen Verfahren die Kläger vertreten. Die Kanzlei HÖCKER vertritt ständig Ärzte und Mandanten anderer Branchen gegen Bewertungsportale in Verfahren um ungerechtfertigte Bewertungen und Profillöschungen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.