Gründen in Corona-Zeiten – Teil 3

Ein Mietvertrag muss 30 Jahre passen!

Das Konzept steht, die Finanzierung ist eingeleitet, die Kündigung liegt beim alten Chef fast auf dem Tisch. Was fehlt, ist die Praxis. Zwar gibt es Immobilien, die infrage kommen, doch die große Hürde bleibt nach wie vor der Mietvertrag. Warum Gründer Philipp Tavrovski immer noch keine Nägel mit Köpfen gemacht hat, lesen Sie hier.

Eigentlich wollte Tavrovski längst in seiner neuen Zuweiserpraxis für Oralchirurgie  am Behandlungsstuhl stehen. Zunächst alleine, dann – step by step – die Praxis auf bis zu neun Behandlungszimmer ausweiten. Doch nachdem der Mietvertrag kurz vor der Unterzeichnung geplatzt war, beginnt die Suche nach Räumlichkeiten von Neuem.

Die Pandemie-Lage macht die Situation nicht einfacher: Die Ausarbeitungen von Architekten und Anwälten, und auch die Rückmeldungen von den großen Investmentgesellschaften, die man häufig als Vermieter bei solch großen Flächen antrifft, lassen immer wieder auf sich warten. „Ich möchte meine Praxis 30 Jahre führen und bin bereit, einen Großteil der Investitionskosten zu übernehmen und dennoch zeigen sich die Vermieter in den Verhandlungen zögerlich und nicht kompromissbereit“, erzählt er frustriert. Oft wartet er lange auf eine Rückmeldung, die häufig über den Makler erst eingeholt werden muss. „Das zieht sich und so sind wir immer noch ohne Objekt.“

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Gründen in Corona-Zeiten Teil 1 finden Sie in der zm 17/2020, S. 89 (Oder über den Link), Teil 2 in der zm 22/2020, S. 84 (Oder über den Link).

Aktuell befinden sich vier Objekte in der näheren Auswahl. Auch das mittlerweile verkaufte Gebäude, das er im Sommer 2020 beinahe angemietet hatte, taucht plötzlich mit neuem Eigentümer wieder auf der Verhandlungsfläche auf. Eine Entscheidung will der junge Zahnarzt spätestens Ende März treffen. Leerlauf hat er bis dahin nicht, im Gegenteil. Er hat die Zeit genutzt, um den Namen der Praxis zu bestimmen, ihn namensrechtlich schützen zu lassen und ein Logo zu entwerfen. Die Corporate Identity und das Design stehen also. Jetzt will er versuchen, Mitarbeiter zu gewinnen und zu schulen – für die Abläufe, die Software, den Umgang mit Patienten und die Hygiene.

Realistisch scheint eine Eröffnung im Herbst

Realistisch sieht er seine Eröffnung erst ab Herbst 2021. Wenn er eine passende Immobilie gefunden hat, muss er ja auch noch rechtzeitig den Kassensitz beantragen. Sein Berater Robert Döringer aus Hamburg rät dem jungen Gründer zu warten, bis die richtige Immobilie kommt, statt große Kompromisse einzugehen, die später teuer werden. „Das ist einfach zu unsicher für ein Gründungsprojekt in der Größenordnung“, betont Döringer. „Wenn es nicht passt, wird die Lage neu sondiert. Es ist besser, sich Zeit zu lassen und auf das richtige Objekt zu warten.“

Bleibt die Frage, warum ein junger zuverlässiger und solventer Mieter keine Einigung mit den Vermietern erzielt. Döringer: „Das Immobiliengeschäft floriert. Trotz Krise herrscht immer noch eine große Nachfrage an Mietobjekten. Besonders große Flächen werden häufig von Investment-getriebenen Vermietern angeboten. Selbst der Leerstand ihrer Objekte schmälert die Rendite nicht zwangsläufig.“

Mietvertrag

Lange Laufzeiten sind wichtig

Tipps vom Gründerberater Robert Döringer vom Bollwerk aus Hamburg | privat

 

  • Besteht Interesse an der Anmietung einer Praxisfläche, legt der Vermieter in der Regel einen Vertragsentwurf vor. Für selbstständige Zahnärzte ist vor allem die Laufzeit wichtig: Sie sollte analog der Finanzierung bei zehn bis 15 Jahren liegen.

  • Ratsam ist, mehrere Optionen zu verhandeln, also sich die Möglichkeit als Mieter einzuräumen, den Vertrag mehrfach zu verlängern – etwa alle fünf Jahre, und am besten, ohne dass der Vermieter dem Praxisinhaber kündigen kann. Nur dann kann der Gründer langfristig planen.

  • Bei einer Praxisabgabe sollte man prüfen, ob man den bestehenden Mietvertrag übernehmen kann. Allerdings sollte der Vertrag für die Zukunft ein möglichst langes, störungsfreies Mietverhältnis garantieren.

  • Sehr wichtig für einen Zahnarzt ist die Konkurrenzschutzklausel. Sie verhindert im Zweifelsfall, dass ein Kollege sich direkt nebenan niederlässt.

  • Klar geregelt sollte auch ein Sonderkündigungsrecht sein, das im Fall einer Berufsunfähigkeit greift.

  • Gerade wenn es um hohe Investitionen geht, gehört eine aufschiebende Bedingung in den Vertrag. Sie stellt sicher, dass der Mietvertrag erst zustande kommt, wenn die Finanzierungszusage vorliegt und eine Zulassung der KZV erteilt wurde.

  • Die Nutzung der Räumlichkeiten als Praxis sollte bereits von den Behörden bewilligt sein. Nur dann hat der Zahnarzt die Sicherheit, dass er zurücktreten kann, falls die Eröffnung an behördlichen Auflagen oder anderen Widrigkeiten scheitern sollte. Eine Baugenehmigung kann in Hamburg Monate dauern.

  • Bei der Verhandlung über den Mietzins und die Umbau-Investitionen muss man sich einigen, wer welche Kosten trägt und in welcher Form. Während des Umbaus ist eine mietfreie Zeit am Anfang einer Neugründung natürlich sehr hilfreich.

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