Ethisch-rechtliche Gesichtspunkte bei zahnärztlichen Hilfseinsätzen im Ausland

Reiselust allein reicht nicht

In zahlreichen Ländern der Welt ist die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung nicht in ausreichendem Maß gewährleistet. Um den betroffenen Menschen zu helfen, entscheiden sich daher viele Zahnärzte für ehrenamtliche Einsätze im Ausland – darunter auch Studierende, etwa im Rahmen einer Famulatur oder der Tätigkeit in einer Hilfsorganisation. Was es dabei zu beachten gibt, hat nun die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in einer Handreichung zusammengefasst.

Oft finden Hilfseinsätze unter schwierigen Rahmenbedingungen statt oder sind privat initiiert und mit einer touristischen Reise ins betreffende Einwicklungsland verwoben. Oder die Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort fand nicht (hinreichend) statt. Diese und weitere Aspekte können zu spezifischen ethischen und/oder rechtlichen Konflikten führen. Auch der konkrete Aufgaben- und Einsatzbereich von Studierenden in derartigen Einsätzen wirft Fragen auf. Vor diesem Hintergrund soll die Handreichung eine Orientierung bieten. „Die Lektüre ist allen empfohlen, die einen solchen Einsatz planen, selbst Profis werden noch interessante Punkte finden“, betont Prof. Dr. Christoph Benz, Vorstand der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Co-Autor des Papiers. „Denn zahnärztlicher Sachverstand und Lust am Reisen allein sind noch kein Garant für einen erfolgreichen Hilfseinsatz!“

Auszug aus der Handreichung:

 „Was die strittige Frage eines privat organisierten Hilfseinsatzes im Rahmen einer touristischen Reise in ein Einwicklungsland betrifft, so ist auf den genuin unterschiedlichen Charakter beider Aktivitäten Rücksicht zu nehmen: Ein Hilfseinsatz ist an entsprechende Expertisen und Vorerfahrungen der Akteure gebunden. Er orientiert sich zudem streng an den Kriterien Professionalität und Primat des Patientenwohls und sollte überdies – bezogen auf die lokalen Versorgungsstrukturen – auf Nachhaltigkeit angelegt sein; hierbei sollten persönliche Interessen der Helfenden weitestgehend zurücktreten. Eine touristische Reise wiederum dient zuvorderst der persönlichen Erholung und Zerstreuung und dem Ich-Erleben der Reisenden.“

(S.5, Schlussfolgerung)

Ziel für die Autoren Dominik Groß, Christoph Benz, Christoph Hoder-Przyrembel, Dietmar Oesterreich, Bernd Oppermann, Robert Sader und Maik Wieczorrek war es, zum einen ethische Leitplanken zu setzen und zum anderen Handlungssicherheit zu geben. Prof. Dr. Dominik Groß bricht das auf diese Fragen herunter: „Worauf muss ich aus ethischer und rechtlicher Sicht achten? In welcher Weise kann ich Studierende beziehungsweise Nicht-Approbierte einbinden? Wie müssen die Strukturen vor Ort ausgestaltet sein, um Patienten risikoarm versorgen zu können?“

Denn bei den Einsätzen im Ausland gibt es einige Fallstricke. Es kann sein, dass Studierende voreilig wie approbierte Zahnärzte eingesetzt werden. „Das ist aber nicht zulässig und auch nicht wünschenswert, denn Hilfseinsätze dienen ja zuvorderst dem Patientenwohl und nicht primär dem Sammeln von Behandlungserfahrung“, gibt Groß zu bedenken. Problematisch sei auch der Versuch, eine touristische Reise „mal schnell“ mit einem spontanen Hilfseinsatz vor Ort zu verknüpfen. Auch bei der Patientenaufklärung und der Frage der Einbindung der einheimischen Fachkräfte könne man einiges falsch oder eben richtig machen – es gebe einfach häufig sprachliche, kulturelle und technisch-apparative Barrieren, die man meistern muss, erklärt er. „Wir haben versucht, möglichst viele dieser Probleme zu adressieren und Hinweise zu geben.“

Statement Dr. Karsten Heegewaldt

„Die Handreichung ist von großer Relevanz“

Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin und Mitglied des Bundesvorstands sowie Vorstandsreferent für Soziale Aufgaben und Hilfsorganisationen der Bundeszahnärztekammer, betonte bei der Vorstellung des Papiers die Wichtigkeit der Hilfseinsätze – besonders in schwierigen Zeiten wie der Corona-Pandemie. „Wir freuen uns sehr, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen sozial engagieren, ob in Deutschland oder im Ausland, ob in kleinen lokalen Projekten oder bei groß angelegten Hilfseinsätzen, als Einzelkämpfer oder in größeren Teams. Viele von ihnen opfern dafür ihre Freizeit, investieren Geld und vor allem viel Energie. Gleichwohl ist es wichtig, sich immer wieder die ethischen und rechtlichen Aspekte bei den Einsätzen vor Augen zu führen. Um daran zu erinnern und diese Aspekte einmal zu bündeln, ist die Handreichung von großer Relevanz.“

Benz betont: „Probleme entstehen dann, wenn wir im Ausland anders agieren, als wir dies in Deutschland tun würden. Dies betrifft insbesondere die ausreichende Erfahrung mit den Behandlungsschritten, die Sicherheit der Patientinnen und Patienten sowie ihre Aufklärung und Einwilligung in die Therapie.“ Besonders am Herzen liegt den Initiatoren dabei auch die eigene Sicherheit und die der Personen, die unter Aufsicht vor Ort arbeiten. Deshalb gelten für Studierende die gleichen Behandlungseinschränkungen wie in Deutschland auch.

Auszug aus der Handreichung:

 

„Zum Respekt vor der Patientenautonomie gehört es, die Entscheidungskompetenz der PatientInnen zu stärken und ihnen so selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen. Hierzu zählt die Darlegung des Ausbildungsstandes der in den Einsatz involvierten Studierenden, die vollständige und verständliche Aufklärung über den jeweiligen Befund der zu behandelnden Personen und die bestehenden Therapieoptionen. Ein besonderes Augenmerk gilt im Auslandseinsatz der Überwindung etwaiger Sprach- und Kulturbarrieren (ggf. Zuhilfenahme einheimischer Übersetzer, Einsatz von Piktogrammen, Aufzeichnungen in Lautschrift, stärkeres Einbeziehen von Gestik, Mimik und Tonalität der Stimme bei der Ausgestaltung des Aufklärungsgesprächs).“

(S. 3, ethische Einordnung)

Entstanden ist das Orientierungspapier als klassisches Gemeinschaftsprojekt, die Initiative ging vom Vorstand der BZÄK aus. Aus einem Impulsvortrag im Rahmen einer Konferenz der Hilfsorganisationen Anfang des Jahres entwickelte sich dann dieses Positionspapier. Daran mitgewirkt haben neben Benz, Dr. Karsten Heegewaldt und Judith Frey von der BZÄK auch Vertreter der Hilfsorganisationen. „Dieses große Konsortium war absolut hilfreich und notwendig, denn solche Papiere sollten nicht im sprichwörtlichen ‚Elfenbeinturm‘ verfasst werden, sondern müssen auch praxisnah sein“, erklärt Groß. „Ich finde, die Zahnärzteschaft kann mit Stolz auf ihre vielfältigen Hilfseinsätze und die dort ehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen blicken!“

Die sechs Leitsätze der Handreichung

Grundsätzlich sollten alle Aktivitäten von Professionalität und vom Primat des Patientenwohls getragen sein und zudem die Versorgungssituation vor Ort nachhaltig verbessern. Doch wie sollten die Aktivitäten ausgestaltet sein, welche Rolle Studierende einnehmen und was ist von der strittigen Kombination von Hilfseinsätzen mit touristischen Reisen zu halten?

Hier helfen die sechs Leitsätze der Handreichung:

  • Sei ein Spezialist und nicht ein Auszubildender für das, was Du tust!

  • Behandele Deine Patienten im Hilfseinsatz mit derselben Sorgfalt wie im Inland!

  • Führe möglichst viele Eingriffe mit einer lokalen Fachkraft durch, um die Fachkompetenz vor Ort zu stärken!

  • Führe ein Follow-up Deiner Patienten durch, um Langzeiterfolg und Nachhaltigkeit zu gewährleisten!

  • Unterstütze mit Deinem Hilfsprojekt die lokale (interdisziplinäre) Infrastruktur und den lokalen Ausbildungsstand, um vor Ort Qualität und zukünftige Autonomie zu entwickeln!

  • Motiviere das Team vor Ort, damit es sich als gleichwertigen Partner betrachtet! 

Der Link führt zur Handreichung.

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