BGH-Urteil zur Bezeichnung „Kieferorthopädie“

Bundesgerichtshof konkretisiert die Anforderungen für Werbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuellen Urteil die Vorgaben für die Werbung von Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ konkretisiert und klargestellt.

Zahnärzte haben selbstverständlich ein Interesse daran, sich und die angebotenen Leistungen vorzustellen und zu bewerben. Ein Interesse, dem auch das Berufsrecht und die Rechtsprechung Rechnung trägt. Das unbestrittene Recht zur Information und Werbung gilt aber nicht grenzenlos. Bestimmte berufsrechtliche Regeln haben das Ziel, einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Berufs des Zahnarztes vorzubeugen. Deshalb ist Zahnärzten berufswidrige Werbung verboten. Berufswidrig ist dabei eine Werbung, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt.

In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH die Vorgaben für eine Werbung von Zahnärzten mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ nun konkretisiert und klargestellt:

„Wirbt ein Zahnarzt, der nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, mit den Angaben ‚Kieferorthopädie‘ und ‚(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie‘, muss er der dadurch ausgelösten Fehlvorstellung eines erheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegenwirken. [...] Dies stellt eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit zum Schutz der auch im öffentlichen Interesse liegenden Fachzahnarztbezeichnung dar. Welche Maßnahmen der Aufklärung zu fordern sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.“

Sachverhalt

Ausgangspunkt des Verfahrens war der Internetauftritt eines Zahnarztes, der seine Praxis unter anderem mit folgenden Aussagen bewarb: „Kieferorthopädie in der ...-Straße“, „Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie“ und „Praxis für Kieferorthopädie“.

Der Zahnarzt bietet zwar kieferorthopädische Leistungen an, hat seiner Kammer, der Zahnärztekammer Nordrhein, den Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie angezeigt und hat zudem den österreichischen Masterabschluss mit dem Titel „Master of Science Kieferorthopädie (MSc)“ erworben. Eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie hatte er allerdings nicht absolviert.

Die Zahnärztekammer Nordrhein hat die Werbung des Zahnarztes als irreführend und damit berufsrechts- und wettbewerbswidrig beanstandet. Irreführend, weil bei potenziellen Patienten die hier unzutreffende Erwartung eines erfolgreichen Abschlusses einer Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Kieferorthopädie geweckt werde.

Urteil

Der BGH bestätigt den Unterlassungsanspruch der Zahnärztekammer Nordrhein wegen irreführender Angaben hinsichtlich eines Teils der beanstandeten Werbungen. Die Angaben „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“ sind aus Sicht des Gerichts zwar objektiv zutreffend, da der beklagte Zahnarzt unstreitig kieferorthopädische Leistungen erbringt. Eine zutreffende Angabe könne aber gleichwohl irreführend sein, wenn sie trotzdem zu einer Fehlvorstellung führt. Hiervon ausgehend verlangt der BGH, dass der werbende Zahnarzt möglichen Fehlvorstellungen durch aufklärende Hinweise begegnen muss. 

Deshalb sei zum Beispiel die Werbung mit der Angabe „Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie“ dann irreführend und unlauter, wenn der Beklagte hier lediglich den Zusatz „... M.Sc.“ angefügt hatte. Das reiche für einen aufklärenden Hinweis nicht aus, weil daraus nicht hervorgeht, dass es sich um einen Master of Science Kieferorthopädie handelt. Im Umkehrschluss ist die Angabe „Praxis für Kieferorthopädie“ an den Stellen zulässig, an denen der Zahnarzt seiner Person die aufklärende Angabe „Master of Science Kieferorthopädie“ hinzugefügt hatte. Damit habe er hinreichend über seine Qualifikation aufgeklärt.

Fazit

Das Urteil des BGH ist zwar in erster Linie eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Qualifikation und Tätigkeit des beklagten Zahnarztes. Dennoch lassen sich einige grundlegende Erwägungen auch auf andere, vergleichbare Sachverhalte übertragen, so dass das vorliegende Urteil zu mehr Rechtsklarheit beiträgt.

So hat der BGH eindeutig klargestellt, dass mit der Werbung für das Fachgebiet der Kieferorthopädie durch einen Zahnarzt, der nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, eine Irreführungsgefahr einhergeht. Natürlich kann ein Zahnarzt, der kraft seiner Approbation zur Erbringung kieferorthopädischer Leistungen berechtigt ist, auf sein kieferorthopädisches Leistungsangebot hinweisen. Ihm ist jedoch auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht zuzumuten, den entstehenden Fehlvorstellungen durch aufklärende Hinweise entgegenzuwirken, damit keine Verwässerung der Fachzahnarztbezeichnung eintritt. Die fachzahnärztliche Weiterbildung als hohes Gemeinschaftsgut wird somit auch im wettbewerbsrechtlichen Kontext umfassend gewürdigt.

Das vorliegende Urteil des BGH reiht sich konsequent ein in die Entscheidungen des Senats zur Zulässigkeit des Führens des von einer österreichischen Universität verliehenen Grades „Master of Science Kieferorthopädie“ (BGH, Urteil vom 18.03.2010 – I ZR 172/08 – Master of Science Kieferorthopädie) und zur Irreführung durch den Namensbestandteil „Dr. Z“ bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (BGH, Urteil vom 11.02.2021 – I ZR 126/19 – Dr. Z).

Die im Sinne einer einfachen und klaren Vorgabe für Werbung mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ gegebenenfalls wünschenswerte Feststellung, dass nur Fachzahnärzte für Kieferorthopädie mit der Bezeichnung überhaupt werben dürfen, hat der BGH nicht getroffen. Unter Berücksichtigung der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit ist die Entscheidung des BGH jedoch nachvollziehbar und auch sachgerecht. Die Irreführungsgefahr auf der einen Seite und das Recht eines jeden Zahnarztes zur sachlichen Information auf der anderen Seite sind ausgleichend ins Verhältnis gesetzt worden.

Welche aufklärenden Hinweise in anderen Fällen genügen, bleibt auch zukünftig einer Gesamtbetrachtung und Einzelfallbewertung vorbehalten. Der Hinweis muss jedenfalls deutlich sein und in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Angabe stehen. Fehlender Platz im Menü auf Internetseiten oder zum Beispiel auch am Klingel- oder Briefkastenschild ist dabei unerheblich. Für die Aufklärung selbst kommt insbesondere im Internet ein Hinweis auf die Art der erworbenen Zusatzqualifikation und den Umfang der praktischen Erfahrung in Betracht. Auch der Ausweis eines Tätigkeitsschwerpunkts kann zur Abgrenzung zu einer Fachzahnarztbezeichnung herangezogen werden. Liegt all dies nicht vor, sind sicherlich noch höheren Anforderungen an die Aufklärung zu stellen. 

Dr. iur. Kathrin Thumer

Justitiarin

Leiterin der Rechtsabteilung der ZÄK Nordrhein

René Krouský

Syndikusrechtsanwalt

Stv. HGF / Justitiar der Bundeszahnärztekammer

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