Aus der Wissenschaft

Kompositrestaurationen: Inkrement- versus Bulkfill-Technik

Elmar Hellwig
Bulkfill-Komposite sind einfacher und schneller zu verarbeiten als herkömmliche Komposite, die zeitaufwendig inkrementell in die Kavität eingebracht werden müssen. Doch wie steht es um die Qualität des Materials? Wird das einfachere Handling mit materialtechnisch bedingten Nachteilen erkauft? Eine brasilianische Arbeitsgruppe hat diese Frage jetzt in einem Review mit anschließender Metaanalyse untersucht.

Komposite sind heute sowohl im Front- als auch im Seitenzahnbereich die Füllungsmaterialien der Wahl für direkte Restaurationen. Grund dafür sind die hervorragenden ästhetischen und guten mechanischen Eigenschaften der Kompositmaterialien. Zudem kann auf eine minimalinvasive Präparationstechnik zurückgegriffen werden. Allerdings gibt es Materialeigenschaften wie zum Beispiel die Polymerisationsschrumpfung, die zu negativen klinischen Ergebnissen führen können – hier sind die postoperative Sensibilität, Randspaltbildungen, Randverfärbungen et cetera zu nennen. Um dennoch zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen, wurden Kompositmaterialien zunächst in Schichttechnik in Kavitäten eingebracht, wobei allerdings ein erheblicher Zeitaufwand in Kauf genommen werden musste.

Bulkfill-Kompositmaterialien hingegen können in größeren Schichten (4–5 mm) eingebracht werden, ohne dass deren mechanische Eigenschaften und der Polymerisationsgrad beeinträchtigt sind. Diese Materialien haben häufig eine höhere Transluzenz und verfügen nicht selten über alternative Fotoinitiatorsysteme sowie modifizierte Monomere, damit die größere Polymerisationstiefe tatsächlich erreicht werden kann. Bulkfill-Kompositmaterialien sind also eine attraktive Alternative zu den Kompositen, die in Schichttechnik appliziert werden müssen. Es stellt sich dabei allerdings die Frage, ob die beiden Füllungstechniken zu ähnlich guten, klinisch adäquaten Langzeitergebnissen führen oder ob die Schichttechnik der Bulkfill-Technik tatsächlich überlegen ist. 

Material und Methode

Eine Autorengruppe um Patrícia Valéria Manozzo Kunz und Carla Castiglia Gonzaga aus Brasilien führte ein systematisches Literaturreview mit einer anschließenden Metaanalyse durch, um diese Fragestellung zu beantworten. Dabei wurden die Bedingungen für ein wissenschaftliches Review grundlegend berücksichtigt und entsprechende PICO-Fragen formuliert (für die detaillierte Beschäftigung mit diesen Fragen siehe die Originalpublikation). Anhand dieser Fragen wurde in den wichtigen medizinischen Datenbanken, etwa PubMed, Scopus, Web of Science, Latin American and Caribbean Health Sciences Literature (LILACS), Brazilian Bibliography in Dentistry (BBO) und Cochrane Library, nach randomisierten, kontrollierten Studien gesucht.

AUS DER WISSENSCHAFT

In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung.

Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern:

Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn

Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Dabei wurden Studien identifiziert, die sich mit Klasse-I- und -II-Restaurationen im Seitenzahnbereich bei erwachsenen Patienten beschäftigt haben und in denen entweder die Bulkfill- oder die Inkrement-Technik untersucht wurde. Das primäre Outcome waren Retention und Frakturrate. Als sekundäres Ergebnis wurden anatomische Form, Oberflächentextur, Farbanpassung, marginale Adaptation, marginale Verfärbung, Karies und postoperative Sensitivität berücksichtigt. Dabei wurden ausschließlich RCTs mit Parallel- oder Split-Mouth-Design eingeschlossen. Die dabei gefundenen Studien wurden von zwei Wissenschaftlern gelesen, die die relevanten Informationen extrahierten.

Ergebnisse

Nach Durchsicht der unterschiedlichen Datenbanken wurden 1.646 Studien identifiziert. Nach Evaluation der Titel und Abstracts verblieben 630 Studien, die sich entsprechend der Anwendung der unterschiedlichen Kriterien auf 25 klinische Studien reduzieren ließen. In-vitro-Studien, retrospektive Studien und Studien an Milchzähnen wurden ausgeschlossen. Letztlich verblieben 22 Publikationen für eine qualitative Analyse. Es zeigte sich, dass einige Artikel Follow-ups vorhergehender Studien waren, so dass letztlich 14 Studien für die Gesamtevaluation berücksichtigt werden konnten. Die Follow-up-Zeiten der entsprechenden Studien variierten von sieben Tagen bis zehn Jahren, wobei die meisten Untersuchungen Daten über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren beinhalteten.

Betrachtet man die Metaanalyse, so ließ sich feststellen, dass es auch nach einem Zeitraum von fünf Jahren oder mehr keinen Unterschied in der Retention beziehungsweise Frakturanfälligkeit für beide Techniken gab. Auch die postoperative Sensitivität nach 30 Tagen war für beide Restaurationsgruppen nicht unterschiedlich. Bezüglich der sekundären Ergebnisse ließ sich feststellen, dass auch hier keine statistisch signifikanten Unterschiede für die beiden Restaurationsarten zu finden waren.

Diskussion

Im vorliegenden systematischen Review mit Metaanalyse konnte kein signifikanter Unterschied im klinischen Verhalten von Restaurationen gefunden werden, die mit Schichttechnik versus Bulkfill-Technik gelegt wurden. Damit könnten Füllungen in Bulkfill-Technik eine attraktive Alternative für Seitenzahnrestaurationen mit Komposit sein. Insbesondere die kürzere Behandlungsdauer kommt dem Wunsch vieler zahnärztlicher Kolleginnen und Kollegen nach Vereinfachung der Füllungstechnik näher. Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass aufgrund der größeren Inkremente möglicherweise Polymerisationslampen mit hoher Leistung verwendet werden müssten. Ein limitierender Faktor ist sicherlich, dass die meisten Bulkfill-Kompositmaterialien eine höhere Transluzenz besitzen, so dass die Restaurationen ein gräuliches Aussehen haben. Aber möglicherweise werden die Hersteller an diesem Punkt ansetzen und ästhetisch bessere Bulkfill-Materialien entwickeln. Bei den eingeschlossenen Studien wurden unterschiedliche Adhäsivsysteme verwendet, was aber offensichtlich relativ unproblematisch war.

Die vorliegende Studie hat Limitationen. Die Qualität der betrachteten Studien erscheint sehr variabel – so konnten beispielsweise bei drei Untersuchungen 20 Prozent der Restaurationen nicht nachuntersucht werden. Ebenso gab es erhebliche Unterschiede bei der Bewertung von Verzerrungsrisiken – nur vier Studien zeigten ein geringes Verzerrungsrisiko. Bei sieben Studien war nicht klar, ob es ein Verzerrungsrisiko gab, und bei drei Studien gab es ein hohes Risiko der Ergebnisverzerrung. Trotz der Limitationen sehen sich die Autoren in der Lage, ein Fazit zu formulieren. Sie schlussfolgern, dass sich das klinische Verhalten von Klasse-I- und -II-Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich klinisch nicht signifikant unterscheidet, unabhängig davon ob man die Schichttechnik oder die Bulkfill-Technik anwendet.

Die Aussagekraft einer Metaanalyse ist letztlich abhängig von der Qualität der Daten der eingeschlossenen Studien – bei denen hier offensichtlich Abstriche gemacht werden müssen. Für die Schlussfolgerung der vorliegenden Studie sprechen jedoch die weitgehend übereinstimmenden Ergebnisse eines weiteren systematischen Reviews [Veloso et al., 2019]. Auch Veloso et al. konnten zeigen, dass das klinische Verhalten von Bulkfill-Kompositrestaurationen mit denen konventioneller Kompositrestaurationen im Seitenzahnbereich vergleichbar ist. 

Bedeutung für die Praxis

Unter Berücksichtigung der für die Kompositverarbeitung wichtigen Parameter wie adäquate Trockenlegung, ausreichende Polymerisation und Auswahl eines bewährten Adhäsivsystems können zeitsparende Bulkfill-Restaurationen möglicherweise zukünftig eine größere Rolle im Praxisalltag spielen.

Quelle: Manozzo Kunz et al.: Is the clinical performance of composite resin restorations in posterior teeth similar if restored with incremental or bulk-filling techniques? A systematic review and meta-analysis; Clin. Oral Investig. 26(3):2281–2297 (2022)

Prof. Dr. Elmar Hellwig

Universitätsklinikum Freiburg, Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie
Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg

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