Schnittstellenkommunikation Teil 3

Eine Führung, mehrere Standorte

Auf zwei Hochzeiten kann man (bekanntlich) nicht tanzen. Aber wie führt man eigentlich, wenn man als PraxischefIn mehrere Standorte hat? Je nach Praxissystem entsteht im Team mehr oder weniger Dynamik. Am Ende geht es darum, ein neues, größeres „Wir“ zu schaffen, so dass die Mitarbeitenden auf Dauer konstruktiv und zufrieden zusammenarbeiten.

Jede Praxis hat in der Regel ihre eigene Kultur. Im Laufe der Zeit entwickeln sich Muster und Strukturen , die das Verhalten aller Praxismitglieder unbewusst prägen und formen. Diese Praxiskultur vermittelt das Gefühl von Zugehörigkeit: „So ist das bei uns!“ Und schafft auch ein Stück Sicherheit. Kommt nun eine neue Praxis dazu, wird diese ebenfalls ihre eigene Kultur entwickeln – und das bedeutet eventuell: Das sind „die anderen“.

Die Mitglieder aus der Ursprungspraxis haben selbstverständlich das Gefühl, schon länger da zu sein und es so zu machen, wie die Chefin oder der Chef es haben will. Wenn irgendwann Zweigstellen in ein Praxissystem integriert werden, entstehen automatisch Fragen bei den Mitarbeitenden in der Ursprungspraxis: Warum macht die Chefin / der Chef das? Wer sind wir jetzt? Wer sind die anderen? Reicht das nicht, was wir hier machen? Müssen wir etwa „da rüber“ und ab und zu dort arbeiten? Oder kommen die auch hierher? Nimmt mir vielleicht jemand meine Rolle und Privilegien weg? Die Integration gelingt umso leichter, wenn der/die PraxisinhaberIn sich schon vorher mit diesen Fragen beschäftigt hat.

Welche Beziehung soll es zueinander geben?

Wenn eine neue Praxis zu einer bestehenden hinzukommt, muss man entscheiden, in welcher Beziehung die Praxen zueinanderstehen sollen. Auch davon ist abhängig, welche Reaktionen von den Mitarbeitenden zu erwarten sind. Generell gibt es unterschiedliche Systeme, die verschiedene Reaktionen in den Teams hervorrufen.

1. Unabhängige Standorte mit lokaler Führung und lokalen BehandlerInnen

Es gibt Praxissysteme, wo die einzelnen Standorte mehr oder weniger unabhängig voneinander betrieben werden. Wenn die Praxen entsprechend eigenverantwortlich leitende Führungskräfte und (gegebenenfalls zusätzlich) fachlich leitende ZahnärztInnen haben, ist im alltäglichen Betrieb nahezu nicht spürbar, dass es sich nun um einen größeren Praxisverbund handelt. Dann kommt es in der Regel kaum zu Interferenzen unter den Standorten.

2. Unabhängige Standorte mit zentraler Führung und BehandlerInnenwechsel 

Auch wenn alle Praxen über eine zentrale Führungs- und Verwaltungseinheit geleitet werden und die ZahnärztInnen lediglich an den verschiedenen Standorten zur Patientenbehandlung eingeteilt werden, führt das bei den Mitarbeitenden meist zu wenig Unruhe, da die Teams erhalten bleiben. Diese Lösung wird oft für spezialisierte BehandlerInnen gewählt. 

3. Praxisübergreifendes Team

Strebt man hingegen ein großes gemeinsames Team an, in dem viele Mitarbeitende an unterschiedlichen Standorten eingesetzt werden, so führt das in der Umstellungsphase oft zu starken Interferenzen und teilweise auch zu Kündigungen, da ja die Teamstrukturen aufgelöst werden und das zu Verunsicherung führen kann. Immer wenn die Bindungen im Team gelockert werden, nimmt die Anzahl der Neuorientierungen zu. Nach der Umstellung lässt sich so ein System jedoch oft gut koordinieren, falls die Einsatzplanung gut kommuniziert wird und als sinnvoll und gerecht empfunden wird.

Bei all diesen Strukturen sollte allerdings für alle Teammitglieder transparent sein, nach welchen Kriterien die Verteilung von Ressourcen erfolgt. Wichtig ist für die Mitarbeitenden auch zu erfahren, welche Veranstaltungen gemeinsam und welche separat stattfinden. Daraus erwächst dann langsam das neue gemeinsame „Wir“ und die übergreifende Praxiskultur.

4. PraxisinhaberIn führt selbst mehrere Standorte und wechselt dazwischen

Anders sieht das aus, wenn eine Chefin oder ein Chef in zwei oder drei Praxen jeweils an einem oder mehreren Tagen in der Woche anwesend ist und auch die Führungsrolle wahrnimmt. Denn Menschen, die lange in Gruppen zusammenarbeiten, entwickeln unbewusste systemische Erwartungsstrukturen. Wenn eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt anfangs eine Einzelpraxis geleitet hat und die Mitarbeitenden gewöhnt waren, dass er oder sie immer als Ansprechpartner:in zur Verfügung stand, erleben sie das Hinzukommen einer zweiten Praxis oft unbewusst als Verlust von Zuwendung, Anerkennung und Wertschätzung.


Dabei handelt es sich nicht um ein kognitives Problem, sondern um das emotionale Empfinden, vergleichbar mit dem eines älteren Kindes, das ein kleines Geschwisterchen bekommt. Plötzlich müssen die Aufmerksamkeit und die Ressourcen geteilt werden. Je nach Struktur der Praxis – also je nach der Intensität der aufgebauten Delegationsstrukturen – wird das Fehlen des Chefs oder der Chefin stärker oder weniger stark bemerkt. Je stärker er oder sie bisher selber geführt hat, desto herausfordernder kann die Situation nun werden.

Praxen, in denen die Leitung nahezu die gesamte Führung an qualifizierte PraxismanagerInnen (oder auch an angestellte ZahnärtztInnen) übergeben hat, sind von diesem Phänomen (viel) weniger betroffen.

Je stärker das Fehlen empfunden wird, desto öfter entstehen Situationen, in denen die Frage auftritt, welches Teilsystem der Chefin oder dem Chef wichtiger ist. Das kann zur Folge haben, dass immer dann, wenn der Chef oder die Chefin gerade in der anderen Praxis ist, großer Klärungsbedarf entsteht, der dann zu Blockaden oder auch zu Anrufen in der anderen Praxis führt – mit der Bitte, den Chef oder die Chefin mal eben zu fragen „Wie soll das gelöst werden?“. Das führt dort zu einem erhöhten Arbeitsaufkommen und kann Unmut mit sich bringen. Solche Probleme treten verstärkt auf, wenn die Zeiten, in denen die Zahnärztin / der Zahnarzt in den verschiedenen Praxen ist, nicht zuverlässig festgelegt sind. Unbewusst versuchen dann beide Teams dafür zu sorgen, dass der/die ChefIn möglichst viel am jeweils eigenen Standort ist. Sehr klare, feste zeitliche Regeln können dem entgegenwirken.



Plant man den Aufbau eines zusätzlichen Standorts, sollte man wissen, dass neu hinzukommende Systeme eine doppelte systemische Aufgabe haben. Auf der einen Seite müssen die Beschäftigten sich in den durch die Fusion entstandenen größeren Gesamtrahmen einfügen. Dafür brauchen alle klare Vorgaben und einen Rahmen: 

  • Was wird in allen Praxen gleich sein und gemeinsam getan und verwaltet?

  • Wo hat jede einzelne Praxis organisatorische Freiheiten?

  • Welche Veranstaltungen werden gemeinsam und welche getrennt durchgeführt (Praxisausflüge, Feiern, Teambesprechungen)?

  • Gibt es jetzt eine gemeinsame Corporate Identity, Praxiskleidung (mit eventuell anderen Farben), einen gemeinsamen Internetauftritt?

Auf der anderen Seite hat jede Praxis – wenn sie als eigener Standort bestehen bleibt – die Aufgabe, ihre eigene Identität zu schützen und ihr eigenes Wir-Gefühl aufrechtzuerhalten. Das führt dazu, dass es zum Beispiel beim Austausch von Mitarbeitenden, etwa aus Krankheitsgründen, häufiger zu einem Gefühl von Ungerechtigkeit kommt. Das bereitet den Boden für Reibereien. Falls standortbezogen geführt wird und dennoch Mitarbeitende systemübergreifend bei Engpässen aushelfen, ist es hilfreich, derartige Einsätze gesondert wertzuschätzen.

Fazit

Beim Aufbau eines Systems mit mehreren Standorten kann es hilfreich sein, die Führungsaufgaben möglichst frühzeitig und umfassend an PraxismanagerInnen zu delegieren. So kann man die systemischen Störungen und den eigenen Führungsaufwand minimieren. Auf diese Weise müssen nur ein bis zwei Personen geführt werden, die leitenden ZahnärztInnen werden entlastet und das Team erwarten von den BehandlerInnen auf Dauer hauptsächlich die Erbringung hochwertiger Behandlungsleistungen.

Teil 1 zur Schnittstellenkommunikation „Reibungslos durch den Tag“ finden Sie in der zm 13/2022 auf S. 70–71, Teil 2 „Wer ist hier eigentlich die Chefin?“ in der zm 15-16/2022 auf S. 26–28.

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