Marktwirtschaftliche Steuerung im Gesundheitswesen

Chancen und Risiken für den Zahnarztberuf

Trotz einer Serie von Reformgesetzen bleiben die Strukturprobleme unseres Gesundheitswesens ungelöst. Der Bedarf an Leistungen wächst unaufhörlich. Die Medizin kann immer mehr leisten, die Gesundheit wird den Menschen immer wichtiger, die Bevölkerung immer älter. Und alles das soll, so das offenbar unbeirrbare Credo der Gesundheitspolitik, mit einem stagnierenden Anteil am Volkseinkommen geleistet werden. Dass das nicht geht, weiß auch die Politik. Die alle vier Jahre um das Regierungsmandat buhlenden Parteien trauen sich aber nicht, dem Bürger die Wahrheit zu gestehen, dass auch und gerade die nicht rationalisierbare Gesundheits-Dienstleistung ohne die dafür notwendigen Finanzmittel nicht unbegrenzt vermehrbar ist.

Noch lebt die Politik von der Schutzbehauptung, dass erst einmal Qualitätsdefizite und Rationalisierungsreserven ausgeschöpft werden müssen, bevor die „solidarische“ Fiktion des „alles für alle“ aufgelöst werden kann. Ein begriffliches Verwirrspiel um Fehlsteuerungen, Leitlinien und Evidenzbasierung der Medizin beschäftigt derzeit die Expertenrunden. Dass dieses Ablenkungsmanöver nicht mehr lange trägt, ist aber schon jetzt nur zu offensichtlich.

Neue Konzepte

Neue Lösungen müssen also her. Die Gesundheitsökonomie ist gefragt und weiß auch eine Antwort: Marktwirtschaft und Wettbewerb im Gesundheitswesen sollen eine dauerhafte Lösung bringen. Das für die Politik Verführerische an diesem Konzept ist, dass es die Verteilungskonflikte im Gesundheitswesen ohne politisch zu verantwortende Leistungsverknappung steuern könnte.

Politiker aller Parteien haben mittlerweile in ihre programmatischen Konzepte und Wahlprogramme entsprechende Ansätze und Ankündigungen aufgenommen, zum Teil in kämpferischer Attitüde („Aufbrechen der Kartelle auf der Seite der Leistungsanbieter“), zum Teil in recht verhaltener Form („Einführung marktwirtschaftlicher Steuerungselemente“), um die Wähler-Klientel nicht zu verschrecken. Man muss aber kein Prophet sein, um für die Zeit kurz nach der nächsten Bundestagswahl eine echte Systemveränderung im Gesundheitswesen vorauszusagen.

Ärzte- und Zahnärzteschaft werden von diesen Entwicklungen massiv betroffen sein. Das ganze tradierte System der kollektiven Wahrnehmung von beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Berufsstände wird in Frage gestellt werden. Naheliegend also, sich mit entsprechenden Szenarien intensiv, ernsthaft und frühzeitig auseinander zu setzen.

Eine solche Auseinandersetzung beginnt notwendigerweise mit einer Analyse der Ausgangs-Situation:

• Welche Möglichkeiten bietet seit der Gesundheitsreform 2000 schon das geltende Sozialgesetzbuch (SGB) V?

• Wie äußern sich konkret die im Gesundheitswesen agierenden Politiker und Sachverständigen?

• Was fordern Vertreter der gesetzlichen und privaten Krankenkassen?

• Wie ist der status quo des eigenen Berufsstandes?

SGB V: Der aktuelle Stand

Wenig bekannt ist, dass das SGB V schon jetzt den Parteien der Kollektivverträge konkrete Möglichkeit zu Einzelabschlüssen bietet:

§ 64 – Vereinbarungen mit Leistungserbringern:

„Die Krankenkassen und ihre Verbände können mit den in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringern oder Gruppen von Leistungserbringern Vereinbarungen über die Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 Abs.1 od. 2 schließen. ...“

§ 140 a – Integrierte Versorgung:

„... Die Versicherten haben das Recht, von ihrer Krankenkasse umfassend über die Verträge zur integrierten Versorgung, die teilnehmenden Leistungserbringer, besondere Leistungen und vereinbarte Qualitätsstandards informiert zu werden. Dieses Recht besteht auch gegenüber den teilnehmenden Leistungserbringern ... .“

Die Inhalte solche Einzelverträge auf dieser Rechtsgrundlage können vielfältig sein:

– Regelungen zum Inhalt und zu den Mindeststandards des Versorgungsauftrags der integrierten Versorgung,

– Regelungen zu den Mindestanforderungen an die Qualitätssicherung,

– Regelungen über die inhaltlichen Voraussetzungen zur Teilnahme der Vertragsärzte einschließlich Festlegung von einer Mindest- oder Höchstzahl,

– Regelungen zur Finanzierung.

Das für manche als unrealistisch heraufbeschworene Menetekel des Einkaufsmodells für die Krankenkassen ist also in der Rechtssystematik des SGB V schon heute angelegt.

Aktuelle Stellungnahmen

Doch was sagen die Akteure selbst? Eine wahre Flut von Expertenmeinungen und politischen Bekenntnissen sind in diesem Zusammenhang zu registrieren.

Besonders markant sind die Thesen von SPD-Politiker Florian Gerster, der sich zwar mittlerweile aus der Gesundheitspolitik abgemeldet hat, aber durchaus die moderne Denkrichtung in seiner Partei artikulierte:

• Das Gesundheitswesen in Deutschland ist durch kartellähnliche Strukturen auf der Seite der Leistungserbringer und der Kostenträger gekennzeichnet.

• ... Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit können durch direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungsanbietern gestärkt werden (Einkaufsmodell).

• Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen stammt noch aus einer Zeit der Unterversorgung. Heute behindert dieser gesetzliche Auftrag neue, erfolgreich erprobte Vertragsmodelle zwischen Krankenkassen und Leistungsanbietern. Er muss deshalb eingeschränkt werden.

Das Konzept der CDU

Hierzu einige markante Stichworte aus dem aktuellen CDU-Regierungsprogramm unter der Überschrift „Ein menschliches Deutschland gestalten“:

„Mehr Wettbewerb und Flexibilität im zu starren Vertragssystem zwischen Kassen und Leistungserbringern werden helfen, die strukturellen Defizite des Gesundheitswesens zu beseitigen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Dienste zu erhöhen. Die Krankenkassen sollen mehr Verantwortung für die Ausgestaltung ihres Angebotes erhalten, etwa für unterschiedliche Selbstbehalte und Mehrleistungen. Nur mit mehr Gestaltungsfreiheit kann ein funktionierender Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen entstehen. Dieser Wettbewerb führt letztlich zu höherer Qualität und einer besseren Effizienz unseres Gesundheitssystems.

Die dazu erforderlichen Voraussetzungen werden wir im Organisations-, Vertragsund Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung schaffen.

Die dazu erforderlichen Voraussetzungen werden wir im Organisations-, Vertragsund Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung schaffen.

Alle Budgetierungen bei den Leistungserbringern werden abgeschafft. Um den tatsächlichen Aufwand für medizinische Leistungen deutlich zu machen und erbrachte Leistungen besser zu kontrollieren, soll eine Wahlmöglichkeit zwischen Sachleistungs- und Kostenerstattungsprinzip – ohne Vorleistung bei größeren Beträgen – geschaffen werden.“

Die Position der FDP

Hier Auszüge aus dem aktuellen gesundheitspolitischen Programm der Liberalen:

„Mehr Wettbewerb für versicherten- und patientengerechte Lösungen. Der Wettbewerb fördert die Kreativität, versicherten- und patientengerechte Lösungen zu finden. Er muss deshalb intensiviert werden.

Die gesetzliche Vorgabe für einheitliche und gemeinsame Verhandlungen der Krankenkassen muss fallen. An die Stelle staatlicher Vorgaben müssen Verhandlungslösungen treten. Staatliche Planwirtschaft führt zu Missmanagement und Fehlleitung knapper Ressourcen.

Auch auf Seiten der Leistungsanbieter ist Wettbewerb erforderlich, um eine effiziente Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu erreichen. Dabei muss der freie Zugang zur Berufsausübung stets erhalten bleiben.“

Die Vorstellungen der SPD

Was sagte unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt noch kürzlich?

– Eine Aufteilung der Kassenleistungen in Grund- und Wahlleistungen ist „unsozial und ökonomisch schwachsinnig!“

– Die KVen müssen entmachtet werden (Pressekonferenz vom 5.12.2001).

– Der Wechsel von der gesetzlichen zur privaten Krankenversicherung muss erschwert werden. Und MdB Kirschner, SPD, forderte:

– die Abschaffung des „Blockadekartells“ der K(Z)Ven,

– eine noch viel radikalere Entmachtung der Kassenarztlobby,

– die Auflösung des Kontrahierungszwangs,

– den Übergang der Sicherstellung an die Krankenkassen.

Die geistige Quelle für diese Aussagen ist die gesundheitsökonomische Expertenrunde im Auftrage der SPD. Sie fordert:

– Der Aufbau einer modernen, qualitätsorientierten Wettbewerbsordnung ist notwendig.

– „Solidarischer Wettbewerb“ heißt nicht: Aufgabe der solidarischen Finanzierung, Einführung von Wahl- und Regelleistungen.

– Bisherige institutionelle Strukturen sind ein Innovations-, Qualitätsund Effizienzhemmnis.

– Beitragssatzstabilität ist ein wichtiges Ziel.

– Ein neuer GKV-Ordnungsrahmen mit Öffnungsangebot für alle Krankenkassen ist notwendig.

Das hat unter anderem Konsequenzen für die Organisation der GKV, das Verbänderecht und die Selbstverwaltungsorganisationen.

– Die KVen können allenfalls formale Voraussetzungen zur Teilnahme an der GKVVersorgung prüfen.

– Die Sicherstellung der Versorgung ist durch die Erfüllung gesetzlich normierter Vorgaben durch die Krankenkassen zu garantieren.

– Der Kontrahierungszwang gegenüber Leistungserbringern und Krankenkassen entfällt.

– Kein Markt kann funktionieren, in dem jeder Nachfrager gesetzlich verpflichtet ist, mit jedem Anbieter zu kooperieren.

– Es wird eine Rückführung einheitlicher und gemeinsamer Verträge notwendig.

– Gefordert wird ein einheitlicher Leistungskatalog für alle Krankenkassen.

– Institutionen, die die Aufgabe der Qualitätssicherung und -weiterentwicklung haben, dürfen nicht selbst Teil des Wettbewerbs sein.

– Gruppen von Anbietern konkurrieren mit anderen Gruppen von Anbietern.

– Kurzfristig ist ein Verzicht auf die Budgetierung nicht möglich (erst bei Erfolg von Einzelverträgen!).

Dieses Gedankengut ist auch eingeflossen in ein Positionspapier mit „Eckpunkten einer neuen Gesundheitspolitik“, das der Gesprächskreis Arbeit und Soziales der Friedrich-Ebert-Stiftung vorgelegt hat. Dort heißt es unter anderem:

„Im Mittelpunkt einer neuen Gesundheitsreform muss der Aufbau einer modernen, solidarischen Wettbewerbsordnung stehen. Die bisherigen Möglichkeiten des Wettbewerbs werden kaum zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Krankenversicherung genutzt. Krankenkassen, aber auch Ärzte, Krankenhäuser und die übrigen Erbringer von Gesundheitsleistungen sind heute zu sehr durch starre Vorschriften eingeschränkt.

Der Wettbewerb ist bisher auf halber Strecke stehen geblieben. Es fehlen die notwendigen Instrumente in den Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, damit sich die wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Versorgung im Wettbewerb herausbilden kann. Umgekehrt haben auch einzelne Leistungserbringer oder Gruppen von Leistungserbringern kaum Chancen, sich durch besondere Leistungsfähigkeit oder besondere Wirtschaftlichkeit zu profilieren und so einen größeren Marktanteil in der Versorgung der Versicherten an sich zu binden.

Zu einer solidarischen Wettbewerbsordnung gehören:

Ein einheitlicher Leistungskatalog

Ein sinnvoller Wettbewerb muss sich auf die Frage konzentrieren, welche Qualität und welche Kosten-Nutzen-Relation eine bedarfsgerechte Versorgung für alle Versicherten haben muss. Vermieden werden muss ein Wettbewerb, in dem sich die Versorgung nicht mehr am medizinisch notwendigen Bedarf, sondern an der Zahlungsfähigkeit der Versicherten oder ihrer Attraktivität für die Krankenkassen orientiert. Nicht die Frage, welche Leistungen von den Krankenkassen finanziert werden, sondern von wem und wie die Leistungen erbracht werden, muss Gegenstand des neuen Wettbewerbs sein. Staatliche Aufgabe ist es, den Rahmen für einen einheitlichen Leistungskatalog zu bestimmen und eine moderne Gesundheitsberichterstattung aufzubauen.

Ein Übergang des Sicherstellungsauftrages auf die Krankenkassen

Die Krankenkassen müssen die Verantwortung für die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung übernehmen. Wie in jedem wettbewerblichen System muss die Leistung von demjenigen garantiert werden, der auch die Verantwortung für die Kosten trägt. Eine Krankenkasse wird vom Versicherten mit seinen Beiträgen verpflichtet, eine bedarfsgerechte Versorgung zu garantieren. Dieser Verantwortung entledigt sich die Krankenkasse heute durch die pauschale Weitergabe dieses Auftrages an einen Monopolanbieter. In Zukunft müssen die Krankenkassen ihr Rollenverständnis wandeln: Sie müssen vom „payer“ zum „player“ im Gesundheitswesen werden. Voraussetzung dafür ist die umfassende Revision des GKVOrganisationsrahmens.

Ein Fortfall des Kontrahierungszwanges zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen

Kein Wettbewerb kann ohne geeignete Wettbewerbsordnung funktionieren. Wettbewerb entsteht nicht, wenn jeder Nachfrager gesetzlich verpflichtet ist, mit jedem Anbieter zu kooperieren. Dies bedeutet für den Nachfrager, dass er auch Leistungen einkaufen muss, von denen er weiß, dass sie seinen qualitativen Anforderungen nicht entsprechen. Heute müssen die Krankenkassen auch mit denjenigen Einrichtungen Verträge schließen, die keine gesicherte Versorgungsqualität bieten. Künftig müssen Krankenkassen und Anbieter freie Verträge im Rahmen der qualitätsorientierten Versorgung schließen können. Der Wettbewerb führt dann zu mehr Effizienz, wenn er Anbietern mit hoher Qualität und einer guten Kosten-Nutzen-Relation Vorteile ermöglicht. Wenn der Sicherstellungsauftrag durch die Krankenkassen übernommen wird, darf es für die Leistungserbringer keine Pflicht geben, einen Einheitsvertrag aller Krankenkassen erfüllen zu müssen. Umgekehrt kann es einer Krankenkasse und einem Patienten nicht zugemutet werden, über den Bedarf hinaus oder in Fällen inakzeptabler Qualität dennoch Verträge abschließen zu müssen.

Eine Weiterentwicklung des Leistungskataloges

Die Prüfung des Leistungskataloges auf Bedarfsgerechtigkeit kann weder den Krankenkassen noch den Leistungserbringern aufgetragen werden. Die Prüfung neuer Verfahren für die Aufnahme in den Leistungskatalog beziehungsweise die Prüfung bereits etablierter Verfahren im Lichte des technischen Fortschritts muss unabhängig geregelt, klar definiert und zugeordnet sein. Dazu sollte auf wissenschaftlichen Sachverstand und dafür eingerichtete Institutionen zurückgegriffen werden, wie dies in England zum Beispiel durch das National Institute of Clinical Excellence (NICE) getan wird.“

Diese Thesen sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Interpretation.

Vorstellungen aus GKV und PKV

Die Vorstellungswelt der GKV-Funktionäre lässt sich unter anderem aus den Formulierungsvorschlägen des AOK-Bundesverbandes für die Rahmenvereinbarungen gemäß § 140 SGB V ablesen:

• Allgemeine Voraussetzungen – Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung;

• Besondere Voraussetzungen

– zum Beispiel bestimmte fachliche Ausrichtung;

– zusätzliche Qualifikation;

– besondere technische oder personelle Ausstattung;

• Höchstzahl der teilnehmenden Vertragsärzte

– kein Rechtsanspruch auf Teilnahme an der integrierten Versorgung,

– sachgerechte Auswahlkriterien;

• Vergütung

– Die Vergütung kann als Festbetrag, nach Einzelleistungen, als Kopfpauschale, als Fallpauschale oder nach einem System berechnet werden, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt.

Die GKV möchte also vor allem die Zahl der Anbieter bestimmen können, aber auch die PKV strebt Direktverträge mit Leistungsanbietern an und möchte im Wahlleistungsbereich der GKV tätig werden.

Kritik und Forderungen der Spitzenverbände der GKV

Die Position der Spitzenverbände der GKV lässt sich in folgenden Stichworten zusammenfassen:

• eine schon jetzt defizitäre Umsetzung der Sicherstellung (mangelhafte Dienstbereitschaft und mehr),

• Kritik an dem „Anpreisen“ individueller Gesundheitsleistungen,

• K(Z)Ven verhindern Transparenz und behindern die Umsetzung des § 140,

• Forderung nach Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den K(Z)Ven,

• Forderung einer Weiterentwicklung des „Kollektivvertragssystems“:

– Konkrete Versorgungsinhalte und Aufträge sollen über Einzelverträge geregelt werden.

– Kollektivverträge dienen nur der Sicherstellung allgemeiner Grundlagen und Mindestanforderungen an die Qualität.

• dauerhafter Beibehalt der Budgets,

Einforderung von mehr Mitwirkungsrechten bei:

– Abrechnungsprüfung

– Plausibilitätskontrolle

– Honorarverteilung

– Überprüfung der Qualität.

Status quo des eigenen Berufsstandes

Wie ist in dieser Situation der Berufstand der Zahnärzte aufgestellt? Auch hierzu einige stichwortartige Thesen:

• zunehmende Betroffenheit durch Budget, HVM, Degression, Wirtschaftlichkeitsprüfung und fehlende Anpassung der Honorare;

• Frustration, Resignation oder Gleichgültigkeit als Folgen;

• viele haben gelernt, im System zu (über)leben;

• der Berufsstand

– mutiert zum Einzelkämpfertum,

– stellt Zwangsmitgliedschaft in Körperschaften nicht in Frage,

– kompensiert fehlende gerechte Honorierung durch mehr Einsatz und noch mehr Arbeitszeit,

– richtet Leistung HVM-konform aus,

– nutzt vorhandene Spielräume nicht (GOZ),

– geht im Dschungel der Paragrafen, Bestimmungen, Verordnungen und gesetzlich festgeschriebenen Reglementierungen unter,

– hat keine Lobby

– wird zunehmend in der Öffentlichkeit in Verruf gebracht

– und gerät immer mehr in die „Ethik-Falle“.

Mögliche Szenarien

Wer im Politik-Geschehen bestehen will, der darf sich nicht allein an dem orientieren, was er möchte, sondern muss vor allem zur Kenntnis nehmen, was Gesetzgeber und Öffentlichkeit einfordern. Welche Parameter sind also wahrscheinlich feste Größen in einer geplanten Gesundheitsreform?

Nicht ernsthaft zur Disposition stehen werden die Budgetierung, Beitragssatzstabilität, eine solidarische Grundfinanzierung, ein einheitlicher Leistungskatalog, die Sachleistung und das System von GKV und PKV.

Bestehen bleiben werden auch die KZVen und Kammern, jedoch mit reduzierten beziehungsweise veränderten Aufgabenfeldern. Das von der GKV zu bietende Leistungsspektrum bleibt gleich oder wird noch größer. Reformvorhaben zielen ab auf neue Transparenzgesetze, den Ausbau der Qualitätssicherung, eine Stärkung der Patientenrechte und zunehmende Patientenorientierung.

Offen sind vor allem die folgenden Aspekte:

• Wer bekommt den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag?

• Wird es einen Kontrahierungszwang für die Krankenkassen geben?

• Erhalten die Kassen das Vertragsmonopol der KZVen?

• Erfolgt die Teilnahmeberechtigung alleine über die Zulassung?

• Wie gestaltet sich die Vertragsbeziehung zwischen Zahnarzt und Krankenkassen? Bei der Ausfüllung entsprechender Szenarien ist konkret zu klären:

• die Einführung von Wettbewerbsparametern im vertragszahnärztlichen und/ oder im außervertraglichen Bereich;

• die Modifizierung des Sicherstellungsauftrages oder ein vollständiger Übergang an die Krankenkassen;

• Beibehaltung der KZV als Vertragspartner oder Umorganisation zur Regulierungsbehörde;

• Einführung von Wettbewerbsparametern, wie Preis, Qualität, Gewährleistung, Art der Vergütung (Einzelleistungsvergütung bis hin zur Kopfpauschale), Qualifizierung des Anbieters, Kopplung an Wahl- beziehungsweise Mehrleistungen;

• die Frage der Anfälligkeit für Einzelverträge unter diesen Rahmenbedingungen bei Fachgruppen, HVMgeschädigten beziehungsweise Systemgeschädigten, Klinikmodellen (Medeco) oder zahnärztlichem Nachwuchs (Neugründer und mehr).

Wenn sich die Standesführung der Zahnärzte dieser Entwicklung stellt, gilt es zunächst, möglichst „realistische Szenarien“ zu beschreiben. Erst danach macht es Sinn, darüber nachzudenken, wie der Berufsstand agieren, reagieren oder aufgestellt sein sollte.

Schwächung der Leistungsanbieter

Als Fazit ist festzuhalten, dass die führenden politischen Parteien für die anstehende Gesundheitsreform 2003/2004 ganz neue Reformansätze zu Grunde legen. Durch „solidarischen Wettbewerb“ soll die Misere des deutschen Gesundheitswesens in der GKV beendet werden. Damit ist aber nicht freier und gleichberechtigter Wettbewerb gemeint. Das Gegenteil ist der Fall. „Solidarisch“ soll dieser Wettbewerb nämlich dadurch sein, dass er unter festen Vorgaben, wie Beitragssatzstabilität und Budgets, steht.

Es geht also um die ungleichgewichtete Stärkung der Position der Krankenkassen. Die Seite der Leistungsanbieter soll geschwächt werden, indem man Kollektivverträge zurückführt, damit die Vertragshoheit der KVen beziehungsweise KZVen aufgelöst wird und über die Einführung von Einzelverträgen der Berufsstand zersplittert.

Die Kontrahierungspflicht der Krankenkassen steht zur Disposition. Sie sollen künftig die Möglichkeit erhalten, besondere Voraussetzungen zur Teilnahme an der vertrags- zahnärztlichen Versorgung zu definieren, um so eine Reduzierung der Anbieterzahl erreichen zu können.

Die Qualität der Versorgung steht zudem im Mittelpunkt, ohne dass dafür mehr Geld ins System gestellt werden soll. Da nicht damit zu rechnen ist, dass zukünftig weniger Leistungen von der Bevölkerung abgefragt werden, kann das Resultat nur sein, den Preis der Leistungen weiter senken zu müssen. Zum gleichen Ergebnis führt es, wenn auch künftig zu gleichen Kosten „alles für alle“ geboten werden soll und sich darüber hinaus der medizinisch-technische Fortschritt im Leistungskatalog der GKV wiederfinden soll.

Vorsorge treffen

Unter dem Preisdiktat einer Marktmacht „Gesetzliche Krankenversicherung“, die 18 Milliarden Euro im Bereich der Zahnmedizin zu verteilen hat, wird es – ohne Re-Organisation der Anbieterseite – zu einem Ausbluten vieler Zahnarztpraxen kommen. Zu befürchten ist dann auch ein Verteilungskampf innerhalb des Berufsstandes. Dies könnte beispielsweise Resultat einer weiteren fachlichen Differenzierung sein, bei der es den einzelnen Gruppierungen nur darum geht, ein möglichst großes Stück aus dem Budgetkuchen herausschneiden zu können. Die Entwicklung in der Ärzteschaft sollte dafür ein mahnendes Beispiel geben.

Bei solchen Gefahren stellen sich auf Seiten des Berufsstandes schnell Resignation und Frustration ein. Aber gerade jetzt gilt es, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern Konzepte zu erarbeiten, mit denen ein adäquates Gegengewicht auf der Anbieterseite geschaffen werden kann. Notwendige und noch nicht erfüllte Voraussetzung dafür ist zunächst, dass der Berufsstand – vom einzelnen Zahnarzt an der Basis bis hin zu den verschiedenen Berufsvertretungen auf Länder- und Bundesebene – sich dieser Gefahren bewusst wird und den dringenden Handlungsbedarf erkennt.

In vielen Bundesländern wurden schon im Zusammenhang mit der geplanten „GKV-Gesundheitsreform 2000“ vor allem zur Abwehr von Einkaufsmodellen so genannte regionale Initiativen und landesweite Dachverbände gegründet. Nur kam es damals nicht zur Umsetzung aller geplanten Reformvorhaben (wie etwa auch die Abschaffung der KZVen). Das hatte zur Folge, dass viele Zahnärzte – aber auch Standesvertreter – die Einkaufsmodellproblematik ad acta legten und man sich wieder eher der HVM-Diskussion widmete.

Spätestens jetzt ist die Zeit gekommen, diese Initiativen neu mit Leben zu erfüllen. Auf der Bundesebene hat – unter der Federführung des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte – ein verbandsübergreifender Koordinierungsausschuss seine Arbeit dazu bereits aufgenommen.

Dipl. Kfm. Prof. Dr. Wolfgang GoetzkeIm Hörnchen 1251429 Bergisch Gladbach

ZA Martin HendgesBergisch Gladbacher Str. 43451067 Köln

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