Johann Friedrich Dieffenbach (1792–1847)

Zum Chirurgen geboren

240949-flexible-1900
Johann Friedrich Dieffenbach (1792–1847) zählt zu den bedeutendsten Chirurgen seiner Zeit und wird als Begründer der modernen plastischen Chirurgie angesehen. Durch seine außergewöhnliche manuelle Geschicklichkeit erwarb er sich großes Ansehen in der Chirurgie.

Das Lebenswerk Dieffenbachs, in dem alle seine Erfahrungen und Methoden gesammelt sind, ist „Die operative Chirurgie“ [1845 et 1848] in zwei Bänden, die er seinem Freund und Gönner Alexander von Humboldt widmete. Er zählte zu den ersten in Europa, die nach Einführung der Äthernarkose 1846 in Amerika diese auch bei ihren Patienten anwandten, und er machte sie durch seine Veröffentlichung „Der Äther gegen den Schmerz“ bekannt [1847]. Sein erstes Buch erschien 1828 mit dem Titel „Die Transfusion des Blutes und die Infusion der Arzeneien“. In den späteren Jahren veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten, unter anderem auch seine „Chirurgischen Erfahrungen besonders über die Wiederherstellung zerstörter Teile des menschlichen Körpers nach neuen Methoden“ [1829].

Plastische Operationen

Ein Schwerpunkt Dieffenbachs Arbeit lag in der wiederherstellenden Mund-, Kieferund Gesichtschirurgie. Die plastischen Operationen waren für ihn immer physiologische Operationen, bei denen „die Physiologie der Chirurgie die Hand reicht“ [Dieffenbach 1822]. Sein Vorgehen bei der Cheiloplastik sollte sich bis weit in unser Jahrhundert als eine klassische Operationsmethode etablieren. Hierbei wird zwischen dem Ersatz der Oberlippe durch Umlagerung von Haut und dem Ersatz der ganzen fehlenden Unterlippe durch einen verschobenen Wangenlappen, die so genannte „Totale Lippenbildung nach Dieffenbach“ unterschieden. Dieffenbach führte zusammen mit von Graefe auch den Begriff der Rhinoplastik in Deutschland ein [Keil 1978, Mros et al. 1967]. Er verlangte von einem Rhinoplastiker: „Der Chirurg muß in diesem Falle Bildhauer werden ... ich glaube, derjenige Chirurg wird die beste Hautnase machen, der auch mit der Geschicklichkeit eines Bildhauers dieselbe aus unorganischer Masse zu formen im Stande ist.“ [Mros et al. 1967].

1834 berichtet Dieffenbach über die Heilung eines siebenjährigen Knaben, bei dem in frühester Kindheit durch Wasserkrebs der größte Teil der linken Wange, die Hälfte der Unterlippe mit dem linken Mundwinkel, drei Viertel der Oberlippe und der linke Nasenflügel verloren gegangen waren [Dieffenbach 1834]. Abb. 2 zeigt sowohl den präoperativen Zustand als auch das Endresultat nach mehreren plastischen Eingriffen.

Dieffenbach wurde am 1. Februar 1792 als Kind einer geistlichen Familie in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Er besuchte in Rostock die Lateinschule und nahm 1810 an der Academia Rostockiensis das Studium der Theologie auf. 1812 wechselte er an die Universität des damals noch schwedischen Greifswalds, wo er dem zu dieser Zeit lehrenden Ernst Moritz Arndt (1769-1860) begegnete.

Ein Leben für die Medizin

Nach Ende der Befreiungskriege kehrte Dieffenbach nach Rostock zurück und wechselte, begründet in den Erlebnissen der Kriegsjahre, 1816 zum Medizinstudium über. An der Albertus-Universität zu Königsberg zählten Konrad Burdach, Karl Ernst von Baer und Karl Unger zu seinen Lehrern. „Zum Chirurgen bin ich geboren“, schrieb er von hier in einem Brief an seine jüngere Schwester [Wolff 1992].

Während des Studiums entdeckte Dieffenbach seine Vorliebe für die Problematik der Gewebetransplantation. In Tier- und Selbstversuchen transplantierte er Haare, Federn und Wimpern. Auf einer Frankreichreise als ärztlicher Reisebegleiter der russischen Fürstin Protasekow hospitierte Dieffenbach bei einigen der bedeutendsten Medizinern dieser Zeit, wie Guillaume Dupuytren, Alexis Boyer, François Magendie, Jean Dominique Larrey und Jacques Delpech, von denen er entscheidende Anregungen für seine spätere ärztliche Tätigkeit erhielt [Lampe 1934, Ulrich et al. 1992, Wolff 1992]. Wieder in Deutschland, immatrikulierte er sich 1822 in Würzburg und promovierte mit seiner in lateinisch abgefassten Dissertation „Nonulla de regeneratione et transplatatione“ zum Doktor der Medizin [Dieffenbach 1822], ohne jedoch die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunst in Preußen zu erlangen. 1824 legte er in Berlin sein preußisches Staatsexamen ab und ließ sich als frei praktizierender Arzt nieder. Im Mai 1829 ernannte man Dieffenbach zum dirigierenden Arzt der Chirurgischen Abteilung der Charité und drei Jahre später wurde ihm der außerordentliche Professorentitel verliehen. Nach dem plötzlichen Tod seines Lehrmeisters Carl Ferdinand von Graefe (1787- 1840) verließ Dieffenbach im November 1840 die Charité und wurde dessen Nachfolger als Direktor am Königlichen Klinikum in der Ziegelstraße [Hauben 1984, Wolff 1992].

Dieffenbach heiratete 1831 in zweiter Ehe Emilie Wilhelmine Heydecker und führte mit ihr und den gemeinsamen drei Kindern eine glückliche und harmonische Ehe. Dieffenbach zählte schon zu Lebzeiten zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten des Berliner Stadtbildes (Abb.1) und genoss großes Ansehen in allen Schichten der Bevölkerung. Wenn er selbst kutschierend zu seinen Krankenbesuchen durch die Stadt fuhr, sangen Schusterjungen und Kinder folgenden Reim:

Am 11. November 1847, im Alter von 55 Jahren starb Johann Friedrich Dieffenbach während der Pause einer klinischen Demonstrationsvorlesung, als er auf einem Sofa sitzend in ein Gespräch mit dem Pariser Arzt Contour vertieft war [Lampe 1934, Ulrich et al. 1992, Wolff 1992].

Sein Name ist heutzutage nicht nur in Fachkreisen als Eponym für Operationstechniken bekannt, sondern er ist für die plastische Chirurgie weiterhin von großem allgemeinen Interesse [Ostermeyer 1997].

Dr. Wibke KnönerArbeitskreis Geschichteder Zahnheilkunde

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.