Gesundheitspolitisches Forum in NRW

Ende der Gängelei gefordert

Gesundheit geht jeden was an. Doch was sich aus Patientensicht um Sprechstunde, Versicherungskarte und Bonusheft dreht, sieht aus der Perspektive der Ärzte und Zahnärzte vollkommen anders aus: Auf einer Podiumsdiskussion von Ärzten, Zahnärzten und dem nordrhein-westfälischen FDP-Landesverband in Wattenscheid Anfang Juli wurden nicht nur die Vertreter von Ärzte- und Zahnärzteschaft in ihrer Forderung nach einem Ende der Gängelei bestätigt. Auch die interessierten Versicherten und Patienten kamen zu neuen Einsichten.

Reglementierung, Budgetierung und bürokratische Auswüchse – auf den ersten Blick nur Schlagworte für die anwesenden Ärzte und Zahnärzte. Doch die ZGPBochum (Zahnärztliche Gesellschaft zur Patienteninformation Bochum e.V.) und der LPWL e.V. (Landesverband Praxisnetze Westfalen-Lippe e.V.) sorgten dafür, dass neben den politischen Statements von Jürgen W. Möllemann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP und Landesvorsitzender in NRW, und Dr. Wilfried Beckmann, Bundesvorsitzender des FVDZ, die interessierten Versicherten einen Einblick in die Folgen des Regulierungswahnsinns erhielten.

Konkursverschleppung

So bewegte sich Hermann Brünjes (LPWL) zwischen Augenzwinkern und Sarkasmus, als er mit klaren Beispielen erläuterte, wie sich Budgets, Richtgrößen und die seit Juli 2002 in Kraft gesetzten DMPs auf den Praxisalltag auswirken: „Weder eine Hausnoch eine Facharztpraxis, noch eine Verbindung aus beiden Praxen wird bei diesem Regulierungswahnsinn einen schwer Herzoder Rheumakranken behandeln können. Es sei denn, alleine in der Hausarztpraxis kämen für einen Rheumakranken noch 16 weitere gesunde Rentner oder 52 zahlende gesunde Mitglieder hobbymäßig zum Ausgleich vorbei, ohne sich behandeln zu lassen.“ Die DMPs seien ein groß angelegter Feldversuch mit unabschätzbaren Risiken für den Datenschutz, der die Ärzte derzeit mangels Vorgaben vollkommen im Unklaren lasse, wie sie in den Praxisalltag integriert werden könnten.

Rot-Grüne Gesundheitspolitik im Zeichen fortgesetzter Budgetierung war dann Gegenstand der politischen Statements von Günther Leyk (ZGP-Bochum) und Wilfried Beckmann (FVDZ). Die anwesenden Ärzte und Zahnärzte konnten sich in ihrer Forderung nach einem Ende der Gängelei bestätigt sehen. Die Gesetzmäßigkeiten der freien Wirtschaft würden im Gesundheitswesen missachtet, die ohnehin schon unter den Vorgaben verbürokratisierten Praxen wären durch immer neue Programme dazu verurteilt, täglich mindestens „ein Pfund Müll“ in Form von Anträgen, Formularen und anderem zu produzieren. Floatende Punktwerte hätten zu einem unhaltbaren Zustand geführt. Überdeutlich war daher auch der Vorwurf Beckmanns an die Adresse der Bundesgesundheitsministerin, sie betreibe mit ihrer Beruhigungspolitik „Konkursverschleppung im Gesundheitswesen“.

Die Perspektiven eines nach liberalen Vorstellungen reformierten Gesundheitswesens entwickelte Möllemann in seinem Beitrag „Liberale Positionen für ein leistungsgerechtes Gesundheitswesen“. Dem ausufernden Bürokratismus erteilte er eine klare Absage. Statt weiterer Regulierungsmechanismen und entsprechender Institutionen zu ihrer Überwachung müsse es vorrangiges Ziel sein, mit den begrenzten Mitteln des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens wirtschaftlich vernünftig umzugehen. Leistungen und Finanzierbarkeit müssten wieder in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen. Neben wirtschaftlichen Anreizen für die Versicherten und festen Preisen statt floatenden Punktwerten für die medizinischen Leistungen soll vor allem die Einführung der Kostenerstattung den Systemwechsel bringen.

Zukunftskonzepte

Auch das Vertragsrecht in der Gesetzlichen Krankenversicherung geriet ins Visier des Liberalen: Weder sei derzeit ein Wettbewerb der Kassen untereinander möglich, noch hätten die einzelnen Kassen Gestaltungsspielräume in ihren Vertragsbeziehungen. Möllemann forderte die direkte Kundenbeziehung zwischen Ärzten/Zahnärzten und Patienten. Für die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Selbstverwaltungsorgane der Ärzte und Zahnärzte bedeute dies jedoch, dass sie sich auf eine nachgeordnete und dienende Rolle – als „Tarifpartner“ – zurückziehen müssten, da sie dann in das Abrechnungsgeschehen nicht mehr unmittelbar einbezogen seien.

Letztlich waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion einig, dass die Bundesregierung kein tragfähiges Konzept habe, um die drängenden Probleme und zukünftigen Herausforderungen der Gesundheitsversorgung anzugehen.

Dr. Alexandra PützUniversitätsstraße 73, 50931 Köln

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