Fallpauschalen-Regelung kommt

Die englischen Patienten

Nach einigem politischen Hin und Her war es Anfang des Monats beschlossene Sache: Die Fallpauschalen-Regelung für Krankenhäuser kommt. Während der Diskussion haben sich einige Beteiligte blutige Nasen geholt – andere befürchten jetzt blutige Entlassungen aus dem Krankenbett.

Nicht mehr nach Aufenthaltstagen, sondern nach Krankheitsbildern sollen Kliniken künftig für ihre Leistungen am Patienten bezahlt werden. Den Krankenhausträgern steht eine nie dagewesene Preissystem-Reform ins Haus.

Diagnosis Related Group, kurz DRG – so lautet das Prinzip, das hinter der Fallpauschale steckt. Jeder Patient und jede Behandlung sollen nach genau festgelegten Diagnoseprozeduren einer von 400 Basisfallgruppen und 660 Behandlungsfallgruppen zugeordnet werden. Anhand dieser Festlegung erfolgt die Vergütung durch die Krankenkassen.

Schmidts Kostenblocker

Mit der Reform sollen die Liegezeiten der Patienten verkürzt und damit auch die Kosten gesenkt werden. Zurzeit bleibt ein stationär behandelter Patient in Deutschland durchschnittlich 9,9 Tage in der Klinik. In Italien sind es 7,3 Tage – und in Frankreich sogar nur 5,6. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sieht im Krankenhaus-Bereich den größten Kostenblock innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung. Rund 45 Milliarden Euro würden hier zu Buche schlagen – für die Ministerin Grund genug, den wirtschaftlichen Druck auf die Klinikbetreiber zu erhöhen.

Dabei sah es vor einigen Wochen fast so aus, als würde die Pauschalen-Regel fallen. Auf Betreiben der CDU-regierten Länder war das Gesetz Ende Januar im Bundesrat gestoppt worden. Insbesondere in Brandenburg und Bremen hatte die neue Regelung schon im Vorfeld für Bauchschmerzen gesorgt. Von dort kam die Befürchtung, dass zahlreiche Kliniken Probleme bekommen werden, wenn in bestimmten Fällen eine Mindestanzahl von Operationen gefordert wird, um diese vergütet zu bekommen. Der baden-württembergische Sozialminister Friedhelm Repnik (CDU) erklärte damals, er halte das neue Abrechungssystem zwar grundsätzlich für den richtigen Weg, kritisierte aber, „dass das Gesetz keine Korrekturfaktoren vorsieht“. So gebe es etwa Krankenhäuser, die wirtschaftlich arbeiten, aber dennoch besondere Ausgaben hätten, die in den Fallpauschalen nicht berücksichtigt würden.

Erst der Vermittlungsausschuss sorgte anschließend für die nötigen Korrekturen. Mit den Stimmen von SPD und den Grünen wurden in einer nächtlichen Sitzung die entscheidenden Änderungen ausgehandelt. Am 1. März billigte der Bundesrat die neue Fassung.

Unabhängig von der politischen Debatte hatten die Spitzenverbände der gesetzlichen und privaten Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sich bereits Anfang Februar auf ein „Kalkulationshandbuch“ für Fallpauschalen geeinigt. Hierfür sollen 270 Krankenhäuser über einen Zeitraum von drei Monaten ihre tatsächlichen Kosten ermitteln.

Die Vorbereitung auf den DRG-Ernstfall hat in den Krankenhäusern derweil schon begonnen. So weiß das Bundesgesundheitsministerium zu berichten, dass 60 Prozent aller deutschen Krankenhäuser bereits im kommenden Jahr einen frühzeitigen Fallpauschalen-Einstieg planen. Nach einer Übergangszeit wird ab 2007 nur noch über Fallpauschalen vergütet.

Die DKG sieht durch das Fallpauschalengesetz die Existenz kommunaler und freigemeinnütziger Krankenhäuser bedroht. Ein Szenario, das vom Bundesgesundheitsministerium entschieden zurückgewiesen wird. „Es ist bedauerlich, dass die DKG zu falschen und irreführenden Argumenten greift“, so das Ministerium gegenüber der Presse. „Mit dem Fallpauschalengesetz wird ausdrücklich auf eine landesweite Gesamtbudgetierung verzichtet.“ Zudem hätten alle betroffenen Krankenhäuser bis Januar 2007 genügend Zeit, sich ausreichend auf das neue System vorzubereiten.

Um den Kliniken den Abschied vom alten System ein wenig zu versüßen, gibt’s 2003 und 2004 eine dicke Finanzspritze vom Bund. Hundert Millionen Euro werden zur Verfügung gestellt, um die Arbeitsbedingungen für die Krankenhausärzte zu verbessern.

Dennoch: Dr. Frank Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes, sieht in der Regelung einen „gigantischen Menschenversuch mit 16,5 Millionen Patienten“. Seiner Meinung nach drohe den Krankenhauspatienten wegen zu kurzer Liegezeiten eine „englische Entlassung, sprich ‘noch blutig’“, wenn keine Sicherungsmechanismen in das Gesetz eingebaut werden. Der Umstellungszeitraum sei zu kurz bemessen, Schmidt wolle das Gesetz „mit der Brechstange umsetzen“, so Montgomery. „Das beschlossene Fallpauschalengesetz ist ein fauler Kompromiss, der voll zu Lasten der Patienten und der Klinikärzte gehen wird.“

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