Bundesweit realisierbares Modell aus Berlin

Eine Woche zahnaktiv

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Birgit Dohlus Berliner Lehrer und Zahnärzte haben ein bundesweit realisierbares Modell für mehr Mundgesundheit bei Jugendlichen entwickelt. Gerade für diese Altersgruppe ist das ein besonders schwieriges Unterfangen. Motivation schafft das Projekt „zahnaktiv“ für Schulen: Eine Woche lang gibt es fächerübergreifenden Unterricht mit dem Generalthema „Zähne“ – mit Blick hinter die Kulissen beim Zahnarzt und beim Zahntechniker.

„Diese ekligen Bilder mit den Zahnbelägen zeigen – das bringt´s!“ So ganz entsprachen die Tipps, wie Jugendliche ihre Alterskollegen mit Mundgeruch und schmutzigen Zähnen von notwendiger Hygiene überzeugen würden, zwar nicht den pädagogisch für richtig erachteten Maßnahmen, aber: In diesem Punkt war man sich einig wie selten. Vor einer Pressekonferenz, bei der das neue Projekt in Berlin vorgestellt wurde, bekannten die Jugendlichen zudem: Mundhygiene wird in ihrem Alter schwerlichst vernachlässigt.

Das sahen ihre Lehrer ebenso und arbeiteten daran, etwas zu ändern. Frontalunterricht jedoch, so erkannten die Initiatoren Dr. Reinhard Pastille und Herrmann Bruhn (Lehrer) sowie Zahnarzt Klaus-Peter Jurkat, bewirkt hier gar nichts. Deshalb so begannen sie 1997 mit der Entwicklung einer ganzen „Zahnwoche“, die einen durchgehenden roten Faden über alle Fächer hat: Mundgesundheit. Damit die Jugendlichen nicht nur im gewohnten Schulgebäude, sondern auch quasi „an der Dentalfront“ eigene Erfahrungen machen konnten, gewann das Projektteam Prof. Dr. Jean-François Roulet, Charité Berlin, als Partner, der seinen Bereich für die praktischen Arbeiten zur Verfügung stellte: Hier wurde nun gegipst, poliert, geputzt, geschliffen – und, so die Erinnerung aller Beteiligten, auch viel gelacht. Spass muss das Ganze auch machen, darin waren sich die Pädagogen an Schule und Hochschule sofort einig.

Mit der Zeit waren die Kapazitäten der Charité erschöpft, man dachte über Möglichkeiten nach, das Projekt a) weiter zu profilieren und zudem b) transportabel zu machen für andere Schulen, andere Städte, andere Länder. So entstand die Zusammenarbeit mit der Berliner Zahnärztekammer und mit der Zahntechnikerinnung. Die Schüler schauen nicht nur hinter die Kulissen von Zahnarztpraxen, sondern auch auf den Alltag in Dentallaboren.

Thema kreativ umgesetzt

Wichtig ist den Initiatoren, dass die Jugendlichen verstehen, warum Mundpflege Sinn macht. Deshalb haben sie das Thema nicht nur biologisch, sondern auch kreativ, philosophisch, mathematisch und gemäß den anderen klassischen Schulfächern umgesetzt. In Chemie geht es beispielsweise um Säure und Zahnschmelz, im Kunstunterricht wird ein Zahn gebastelt, es werden Werbestrategien für Mundpflege entwickelt, über die Rolle der Zähne und des Mundes in der Psychologie diskutiert – kurzum: Kaum ein Thema, das sich nicht sowohl mit dem Unterrichtsfach als auch mit der Mundgesundheit verbinden und neu erleben liesse.

Das Ganze hat Effekt: Die Jugendlichen, die bereits an der zahnaktiv-Woche teilgenommen hatten, meinten vor der Presse, sie hätten manches erst jetzt richtig verstanden und würden sich, im Wissen um die Abläufe und Folgen von mangelhafter Mundhygiene, jetzt überzeugter die Zähne putzen. Ihre Alterskollegen, just vor dem Start in ihre eigene „zahnaktiv“-Woche, erklärten auf die Frage, welche Rolle Mundgesundheit für sie spiele: Ach, irgendwie nicht wirklich, Bock auf die Aktion hätten sie auch keinen, aber na ja. Trost kam von den Erfahrenen – man würde schon noch merken, dass das Ganze auch Spaß mache ...

Lob gab es in Berlin gleich in Mengen: Zur Pressekonferenz kam Schulsenator Klaus Böger und betonte, dass Präventionsprojekte eine höchst sinnvolle Einrichtung für die Zukunft der Jugendlichen sei – zudem verliere sich nach einer solchen Woche auch die Schwellenangst vor einer Zahnarztpraxis. Dank sagte Berlins Kammer-Vize Dr. Jürgen Gromball nicht zuletzt den 40 Zahnarztpraxen, die dem Aufruf zur Kooperation gefolgt und aktiv mitgemacht hätten – so hätten die Jugendlichen auch erleben dürfen, dass Zahnheilkunde heute präventionsorientiert sei und nichts mehr mit dem Odium mittelalterlicher Folterkammern gemein hätte. Obermeister Karlfried Hesse gratulierte den Jugendlichen zu dieser Chance, etwas richtig Gutes für sich selbst zu lernen – er wie die meisten anderen in seinem Alter hätten diese Chance nicht gehabt und müssten nun mit den Folgen früherer Mundpflegefehler leben. Mit dem Projekt könne zudem der eine oder andere Jugendliche ein mögliches künftiges Berufsfeld kennenlernen.

Gute Wünsche mit auf den Weg von Berlin in weitere Regionen gab es auch von Oberarzt Dr. Stefan Zimmer, Charité, der einerseits stolz darauf war, dass seine Klinik mit Wegbereiter war und gut 1 000 Schüler bereits trainiert hätte – aber vermutlich auch etwas erleichtert, dass sich diese Aufgabe nun auf viele Zahnarztpraxen verteilt.

Birgit Dohlus

Danckelmannstr. 9

14059 Berlin

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