Leitartikel

Die Ehrlichen sind nicht die Dummen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor fast einem Monat wurde auf Basis von Krankenkassen-Aussagen behauptet, in den Betrug mit Auslandszahnersatz seien tausende von Zahnärzten verstrickt. Ein schwerer Vorwurf, den die KZVen soweit wie möglich schnellstens überprüft haben und – sollte er sich im Einzelfall vor Gericht erhärten – disziplinarisch ahnden werden.

Die KZVen haben sämtliche noch vorliegenden Rechnungen des Dentalhändlers Globudent nachgehalten. Gefunden wurden im Bundesgebiet 250 Zahnärzte mit Globudent-Abrechnungen. Mehr als die Hälfte davon war ohne zusätzliche Nachforschung als korrekt erkennbar. In den anderen Fällen wird noch konkret recherchiert. Das hört sich bei weitem nicht nach tausenden Zahnärzten an. Allerdings: Die tatsächlichen Zahlen werden – ähnlich wie im so genannten Herzklappenskandal – in der Öffentlichkeit niemanden mehr interessieren. Und das stimmt nachdenklich.

„Die Zahnärzte durch Betrugsvorwurf pauschal zu verteufeln und politisch zu diskreditieren, ist im Fall Globudent misslungen.

Erstaunlich ist auch der Zeitpunkt, zu dem die AOK-“Ermittler“ die Maschinerie ins Rollen brachten. Es war eine Woche nach der Großdemonstration in Berlin, als wir zusammen mit 15000 Heilberuflern gegen die „Spar“-Pläne Ulla Schmidts protestierten, denen zwei Wochen später die Länder ihre Zustimmung verweigerten. Die „Spar“-Pläne, die nicht mehr in der Lage schienen, ein immer größer beziffertes GKV-Haushaltsloch und die Ohnmacht der Regierung zu kaschieren.

Da ist es schon mehr als Glück, wenn just zu diesem Zeitpunkt das von Zahnärzten schon längst bemängelte Vorgehen der Firma Globudent in die Hände der Staatsanwaltschaft gelangt. Da verwundert es auch nicht, wenn die Zahntechniker-Innungen in Trittbrettfahrer-Manier den Auslandszahnersatz ebenso pauschal diskreditieren wie das Praxislabor des Zahnarztes: Der eine berge – so eines der leichtfertigsten PREigentore der Zahntechniker-Spitze – Krebsgefahr, das andere – so der Zahntechniker-Lobbyist und SPD-Parlamentarier Schmidtbauer – Grauzonen für kriminelle Machenschaften à la Globudent. Beweise und nachvollziehbare Logik bleibt man schuldig. 

Dass in diesem Fall Deutschlands VIP-Moralist Ulrich Wickert mit seinem Argument, der „Ehrliche“ sei auch immer der „Dumme“, diesmal nicht richtig lag, lässt hoffen. Das Gros der deutschen Zahnärzteschaft durch Betrugsvorwurf pauschal zu verteufeln und damit vorerst politisch handlungsunfähig zu machen, ist im Fall Globudent misslungen. Im Gegenteil: Sowohl Kassen als auch Zahntechniker – letztlich ebenso die Bundesregierung mit ihrem maroden Sachleistungssystem – haben in aller Öffentlichkeit ihre Unzulänglichkeiten in die politische Waagschale werfen müssen.

Trotzdem liegen die wirklich entscheidenden Dinge weiterhin brach: Diese Regierung war in den letzten vier Jahren nicht bereit, die Probleme im Sachleistungssystem ehrlich zu diskutieren, geschweige denn zu ändern. Auch die für Gesundheit und Soziales einberufene Rürup-Kommission dürfte, so deutet sich angesichts der Zusammensetzung bereits an, ähnlich wie die Hartz-Kommission keine grundlegenden Änderungen bringen. Auch wenn es vorrangig um die Struktur der Einnahmenseite gehen soll, bleibt die Tatsache, dass die Heilberufe in dieser Kommission nicht vertreten sind, nicht nachvollziehbar.

Aber vielleicht ist es angesichts der jenseits der Arbeitgeberschaft deutlich gut plazierten Gewerkschaften ja auch immanenter Wille, an der gegenwärtigen Situation möglichst nichts zu ändern. Statt das längst nicht mehr verkehrstaugliche Vehikel „Sachleistungssystem“ abzubremsen und unserem Gesundheitswesen die Chance zum Umdrehen zu ermöglichen, gibt man lieber Gas und fährt mit noch größerer Geschwindigkeit als je zuvor das System gegen die Wand. Sinnvoller wäre es, vorher auszusteigen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rolf Jürgen LöfflerVorsitzender der KZBV

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