Bema-Neubewertung

Dicke Bretter gebohrt

Ein hartes Bohren dicker Bretter – so lässt sich mit Fug und Recht die Arbeit der Bema-Neurelationierung bezeichnen. Am 4. Juni 2003 hat der Erweiterte Bewertungssausschuss den neuen Bema festgelegt. Die Ergebnisse der Beschlüsse: Im Prinzip wurde der alte Bema erhalten, aber unter der Prämisse von Punkt- und Zeitsummenneutralität umrelationiert. Einige Positionen (Par und IP) wurden ergänzt, andere durch Neubeschreibung verändert. Dafür wurden entsprechend andere Leistungen aus dem GKV-Katalog herausgenommen.

Die Kernpunkte gleich vorweg: Nachdem in der Sitzung am 14. Mai in einigen Positionen keine abschließenden Beschlüsse zwischen Zahnärzten und Krankenkassen erzielt wurden (s. zm 11/2003, Seite 22), kam es zwischen den Verhandlungskontrahenten am Mittwoch, dem 4. Juni, in Berlin nach bis zum Schluss hartem Ringen auch in den noch umstrittenen Punkten zu einem Abschluss. Grundsätzlich wurde in den Verhandlungen seitens der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) darauf geachtet, dass in dem neuen Bewertungsmaßstab, der am 1.1.2004 in Kraft treten soll, die den Zahnärzten zustehenden Vergütungen insgesamt nicht abgesenkt wurden. Die Forderungen der Krankenkassen, dass Zahnärzte mehr Leistungen zum gleichen Geld erbringen sollten, wurden mit Unterstützung der Neutralen zurückgewiesen. Innerhalb der einzelnen Bereiche kommt es zu unterschiedlichen Auswirkungen. Absenkungen in den Bereichen Zahnersatz (minus 8,3 Prozent), Kieferorthopädie (minus 19,8 Prozent) und Parodontologie (minus 32,2 Prozent) stehen Aufwertungen konservierender Leistungen (plus 11,2 Prozent) gegenüber. Eine Aushebelung der strikten gesetzlichen Budgetierungsregelungen oder eine Erhöhung der Ausgaben der Krankenkassen war den Verhandlungsparteien nicht möglich. Das ist nicht die Kompetenz des Bewertungsausschusses. Vor diesem Hintergrund hat der Bewertungsausschuss auch die bis kurz vor Schluss aufrecht erhaltene Forderung der Krankenkassen, eine unterstützende Parodontitistherapie (UPT) in den Leistungskatalog aufzunehmen, wegen nicht möglicher Finanzierbarkeit abgelehnt.

Die Neuerungen

Gemäß Gesetzesauftrag, der eine deutlichere präventive Orientierung abforderte, wurde als neue Position die Individualprophylaxe für besondere Risikopatienten aufgenommen. Die Positionen IP 2 und 3 wurden zusammengefasst. Neu ist ebenfalls die Hereinnahme des PSI-Code.

Neu beschrieben wurde auch die Parodontalbehandlung. Im Gegenzug für die Hereinnahme dieser Leistungen wurden andere Positionen aus dem Leistungskatalog herausgenommen, wesentlich zu nennen die Zahnsteinentfernung, die auf einmal jährlich für alle Versicherten beschränkt wurde.

Zu umfangreichen Änderungen der Leistungsbeschreibungen kam es darüber hinaus im Bereich der Kieferorthopädie (Multiband). Der Bereich Zahnersatz wurde im Grundsatz erhalten, allerdings gibt es Leistungseinschränkungen im Detail (Indikationsbeschränkungen). Die zm werden in den kommenden Ausgaben ausführlich über weitere Details berichten.

Gesetzlicher Auftrag

Zum Hintergrund des Verhandlungsablaufes: Am Anfang stand die GKV-Reform aus dem Jahre 2000. Der Gesetzesauftrag ging an die Zahnärzte und Krankenkassen, im Bewertungsausschuss bis Ende 2001 die zahnärztlichen Leistungen in einem neuen einheitlichen Bewertungsmaßstab (Bema) zu verändern (§ 87, Abs. 2d SGB V).

Der Auftrag lautete: „Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen können zu Leistungskomplexen zusammengefasst werden.

Die Leistungen sind entsprechend einer ursachengerechten, Zahnsubstanz schonenden und präventionsorientierten Versorgung, insbesondere nach dem Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit, gleichgewichtig in und zwischen den Leistungsbereichen für Zahnerhaltung, Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie zu bewerten. Bei der Festlegung der Bewertungsrelationen ist wissenschaftlicher Sachverstand einzubeziehen.“

Als Deadline für diesen sehr arbeitsintensiven Auftrag zur Änderung des bestehenden Bema hatte der Gesetzgeber eine Frist bis Mitte des Jahres 2002 gesetzt. Schon bald wurde deutlich, dass dieser Termin bei weitem nicht ausreichte, um eine so komplexe Aufgabenstellung zu bewerkstelligen.

Das Bundesgesundheitsministerium berief deshalb nach Maßgabe des Gesetzes im Januar 2002 den Erweiterten Bewertungsausschuss mit einer Fristsetzung zum 30. Juni 2002 ein. Am 19. Juli 2002 reichten die Krankenkassen einen Antrag ein, der in sämtlichen Bereichen deutliche Abwertungen der Leistungen forderte. Dieser wurde von der KZBV erfolgreich abgewehrt.

Danach setzte sich der Erweiterte Bewertungsausschuss wegen des gewaltigen Umfanges der Arbeit einen Beschlusstermin für den 14. Mai 2003. Diese Sitzung wurde nach Entscheidung des Vorsitzenden Prof. Neubauer wegen noch offener Fragen durch eine abschließende Sitzung am 4. Juni 2003 ergänzt.

Unabhängig von den bestehenden gesetzlichen Maßgaben arbeitet die Zahnärzteschaft seit längerem an einer grundlegenden Neubeschreibung der präventionsorientierten Zahnheilkunde. Im Rahmen eines engen Schulterschlusses zwischen Bundeszahnärztekammer, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) wurde inzwischen eine völlig neue Beschreibung der gesamten Zahnheilkunde erstellt. Die Arbeit dieses für die Zahnärzteschaft sehr grundlegenden Großprojektes (siehe dazu zm 7/2000, Seiten 36 bis 42) steht vor einem baldigen Abschluss. Im Vordergrund steht dabei die Präventionsorientierung in allen Bereichen der Zahnheilkunde – und zwar unabhängig von Bindungen an die GKV.

Die KZBV musste bei der Bema-Neubewertung die Grundlagen dieser Neubeschreibung berücksichtigen und sorgfältig abwägen, inwieweit die Inhalte in GKV-Strukturen übertragbar waren.

Beispiellose Tour de Force

Mit den Bema-Neuverhandlungen begann eine in der Geschichte der vertragszahnärztlichen Versorgung beispiellose Tour de Force, um diese gewaltige Aufgabe mit all ihren Konsequenzen innerhalb der gesetzten Frist zu erfüllen.

Mit einem zu Beginn sicher ungeahnten Arbeitsaufwand bereitete sich der KZBV-Vorstand – intensiv unterstützt von den „betroffenen“ Fachabteilungen – auf das Gesamtprojekt wie auf jede einzelne Ausschusssitzung vor. Die Aufgabe für den KZBV-Vorstand war klar: Da die Krankenkassen eine massive Absenkung in einzelnen Leistungsbereichen beantragt hatten, um so neue Leistungen in den Bema aufnehmen zu können – was von der KZBV erfolgreich verhindert wurde – mussten erneute – dann womöglich erfolgreichere – Anträge der Kassen mit weiteren gravierenden betriebswirtschaftlichen Einschnitten für jede Praxis verhindert werden.

Und klar war auch die politische Intention, die hinter dem bindenden Gesetzesauftrag für die KZBV als Körperschaft des Öffentlichen Rechts stand: „Für die KZBV war das ein prekäres politisches Dilemma“, erklärt der amtierende KZBV-Chef Dr. Jürgen Fedderwitz. „Es war offensichtlich, dass man sich qua Amt dem Gesetzesauftrag nicht entziehen konnte. Wir mussten uns an den Verhandlungstisch begeben, um durch unsere Mitwirkung Schaden vom Berufsstand abzuwehren. Die Alternative, in den Widerstand zu gehen, hätte dazu geführt, dass man den Zahnärzten ohne deren Gegenwehr eine von den Krankenkassen geprägte Entscheidung aufoktroyiert hätte, die eine wesentliche Erweiterung des GKV-Kataloges nach sich gezogen hätte“.

Vor diesem Hintergrund bedauerte der KZBV-Vorstand die Entscheidung von Dr. Rolf-Jürgen Löffler, aufgrund der Gratwanderung zwischen eigenem politischem Selbstverständnis und gering erscheinender Handlungsbreite von seinem Amt als KZBVVorsitzender zurückzutreten. Der KZBVVorstand selbst zog andere Konsequenzen: Da eine Verhinderung der zu erwartenden drastischen Folgen für Zahnärzte und Patienten durch Verweigerung nicht möglich war, entschied er sich, die drohende Ausweitung des GKV-Kataloges zu verhindern und damit den Schaden für die Kollegenschaft abzuwenden.

Folgende Überlegungen waren Grundlage für die KZBV-Verhandlungsposition: Eine umfassende Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung mit der Budgetierung nicht finanzierbar. Andererseits wollte womöglich der Ausschuss mit Stimmen der Mehrheit neue präventionsorientierte Leistungen in den Bema aufnehmen. „Dabei musste aber sichergestellt werden, dass die Zahnärzte für die begrenzten Finanzmittel keine zusätzlichen Leistungen erbringen müssen“, so KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Günther E. Buchholz: „Eines zeichnete sich von vornherein ab: Dass bei der Bema-Neubewertung keinesfalls Verbesserungen für den Zahnarzt herauskommen würden.“ „Eine echte Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahnheilkunde ist unter GKVBedingungen nicht möglich“, resümiert der KZBV-Vorsitzende Dr. Fedderwitz die Imponderabilien dieser Mammut-Aufgabe.

Ulmer Resolution

Inmitten der Umsetzung des Gesetzesauftrages zur Bema-Neurelationierung wurden die Entwürfe zum neuen Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) bekannt. Auch wenn die KZBV darin deutlich erkennt, dass die dirigistischen Maßnahmen immer stärker in ein planwirtschaftliches und staatliches Gesundheitswesen führen und die Inhalte ablehnen, hatten sich KZBV-Vorstand und die Vorsitzenden der KZVen am 10. April 2003 in einer Beiratssitzung in Ulm gegen einen offenen Widerstand und für den weiteren Dialog mit der Politik ausgesprochen. Man war sich einig, dass weiterhin in den Ausschüssen die notwendige Sacharbeit geleistet wird. „Angesichts der möglichen Folgen dieser falschen politischen Weichenstellung muss der Dialog mit der Politik fortgesetzt werden, um die Vorschläge der Zahnärzteschaft zu einem befundorientierten Festzuschusssystem in die derzeitige politische Diskussion einzubringen“, heißt es in der Ulmer Resolution.

In den Verhandlungen im Erweiterten Bewertungsausschuss trat das spezifische Interesse der Spitzenverbände der Krankenkassen immer wieder deutlich zu Tage: An neuen, modernen und präventionsorientierten Leistungen für die Versicherten waren die Kassenvertreter brennend interessiert. Die Kosten für diese Leistungen sollten sich aber innerhalb des Finanzrahmens bewegen, der gegenwärtig schon zu Rationierungen führt. Das hätte mehr Leistungen für gleiches Geld und damit mehr Arbeitszeit bedeutet.

„Die KZBV hatte diesen Knackpunkt frühzeitig erkannt und in ihrer Verhandlungsstrategie von Anfang an auf wissenschaftlich fundierte Analysen gesetzt“, betont Fedderwitz. Dazu zählte:

• die enge Abstimmung mit der DGZMK, wobei Experten der Zahnmedizin aus den verschiedenen Leistungsbereichen aktiv im Sinne einer wissenschaftlichen Bewertung beteiligt waren,

• die arbeitswissenschaftliche Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (BAZ-II),

• und das auf wissenschaftlicher Basis geschaffene Betriebswirtschaftliche Eckwerte- Modell (BEM), das die Bewertung zahnärztlicher Leistungen betriebswirtschaftlich kalkuliert (siehe Kasten).

Ausgaben-, Punkt- und Zeitsummenneutralität

Die Spitzenverbände der Krankenkassen gingen davon aus, dass ein Mehr an zahnärztlichen Leistungen nicht zu einer Erhöhung der Gesamtpunktmenge führen darf (Punktsummen- und Ausgabenneutralität). Die KZBV konnte die Neutralen im Bewertungsausschuss allerdings überzeugen, dass bei gleicher Honorierung kein „Mehr“ an Leistungen erbracht werden kann (Zeitsummenneutralität) – so man die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Zahnarztpraxen nicht endgültig zerstören wollte.

Das Ergebnis: Der Erweiterte Bewertungsausschuss hat mit den Stimmen des Vorsitzenden und der unparteiischen Mitglieder entschieden, dass die Maxime einer Punktsummen- und Ausgabenneutralität in enger Korrelation mit der Zeitsummenneutralität betrachtet werden muss. Diese zentrale Maxime hat verhindert, dass die Aufnahme neuer Leistungen in den GKV-Katalog durch bloßes Abwerten der bestehenden Bema-Bewertungen erfolgte. Als Ausgaben- Ausgangsbasis wurden die Daten des KZBVJahrbuches 2001 zur Verhandlungsgrundlage genommen, da andere Daten noch nicht zur Verfügung standen.

Umrelationierung und Präventionsorientierung

Bei der Umsetzung des Gesetzesauftrages ging es um:

• die systematische Umrelationierung des gesamten bestehenden Bema mit seinen rund 200 Positionen nach den gesetzten Kriterien

• und die Überprüfung der Präventionsorientierung dieser zahnmedizinischen vertraglichen Leistungen. Hierbei galt es, nach den wissenschaftlich neuesten Erkenntnissen vorzugehen.

Der Erweiterte Bewertungsausschuss setzte einen Arbeitsausschuss ein, der nach und nach den gesamten Leistungskatalog nach den vom Gesetzgeber bestimmten Kriterien durcharbeitete. Auf dieser Basis entstand sukzessive eine völlig neue Beschreibung der Leistungen.

Parallel zu den Verhandlungen im Erweiterten Bewertungsausschuss machte sich der Bundesausschuss daran, die Richtlinien nach den gleichen Kautelen für die Bereiche Allgemeine Richtlinien, Parodontalbehandlung, Zahnersatz, Kieferorthopädie, Individualprophylaxe und Früherkennung zu überarbeiten. Die Arbeiten standen unter Prüfungsvorbehalt zwecks Abgleichung der jeweiligen Beschlussfassungen untereinander.

Ein besonderes Augenmerk nahm das Thema Parodontologie ein. Die PAR-Richtlinien und die Positionen im alten Bema waren überholt und entsprachen nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft. Im Arbeitsausschuss des Erweiterten Bewertungsausschusses wurde deshalb eine Überarbeitung unter maßgeblicher Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie vorgenommen. Bei den Beratungen wurde schnell klar, dass die Überarbeitung bei weitem den GKV-Rahmen sprengen würde, also in der GKV gar nicht finanzierbar ist. In vielen Teilen ergaben sich im Verlauf der Verhandlungen in der Arbeitsgruppe des Erweiterten Bewertungsausschusses Übereinstimmung, in einigen entstand aber auch Dissens. Die Ergebnisse wurden den beiden Ausschüssen jeweils vorgelegt, in strittigen Fällen legten die Neutralen die Dinge fest. Insgesamt erforderte dies den Umgang mit besonderem Fingerspitzengefühl und Verhandlungstaktik, erklärte der Leiter der KZBV-Vertragsabteilung Holger Tadsen, der seitens der KZBV-Verwaltung zuständig für die gesamte Geschäftsführung der beiden Bundesausschüsse war. In den Verhandlungen war es notwendig, zwischen beiden Parteien – den Zahnärzten wie den Krankenkassen – im Rahmen des vorhandenen Budgets auszutarieren. Sollten auf der einen Seite neue Positionen hinzugefügt werden, hieß dies automatisch, dass an anderer Stelle etwas weggenommen werden musste.

Wissenschaftliche Studien

Dreh- und Angelpunkt der gesamten Verhandlungen waren die Ergebnisse der beiden arbeitswissenschaftlichen Studien der Zahnärzte und der Krankenkassen (ausführlicher Bericht siehe zm 7/2002, Seiten 34 bis 43). Beide dienten als wichtige Grundlage für die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses. Seitens der Zahnärzteschaft wäre es zu Anfang sehr begrüßt worden, wenn es eine gemeinsame Studie gegeben hätte. Doch diese Bemühungen blieben aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen zum Studiendesign erfolglos.

So lagen nun zwei Studien vor, einmal die von den Kassen in Auftrag gegebene Studie des Instituts für Funktionsanalyse im Gesundheitswesen GmbH (IFH) in Hamburg, zum anderen die „Bewertungs-Analyse zahnärztlicher Leistungen (BAZ-II)“ des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Köln. Während für die IFH-Zeitmess-Studie der bestehende Bema mit seinen fixierten Leistungsbeschreibungen ganz im Vordergrund stand, war die IDZ-Studie wesentlich komplexer angelegt. BAZ-II stellt zahnmedizinische Leistungsbeschreibungen aus dem Gesamtspektrum moderner Zahnheilkunde in den Fokus der arbeitswissenschaftlichen Forschung, und zwar zunächst völlig unabhängig davon, ob es sich um GKVLeistungen oder weitere Leistungen handelt. Die von Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und Bundeszahnärztekammer in Auftrag gegebene Studie ist daher nicht nur in der Lage, bestehende Leistungen zu messen, sondern ist auch geeignet, Bewertungen für die Leistungsbeschreibung einer präventionsorientierten Zahnheilkunde vorzunehmen.

Deshalb waren die beiden Studien in ihrer Methodik völlig unterschiedlich. Die IFHStudie stützte sich auf den vorhandenen Bema. Die IDZ-Studie untersuchte auf der Grundlage von Therapieschrittlisten sozusagen „Zahnmedizin pur“ unter Praxisbedingungen. In einem zweiten Schritt ließ sich der Datensatz von BAZ-II auf den Bema herunterbrechen, indem die Auswertungen auf zahnmedizinische Kernschritte bezogen wurden, die der Maxime von „zweckmäßig, ausreichend und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend“ angesehen wurden. Hinzu kam als weiterer Faktor die Messung der geistigen und körperlichen Beanspruchung des Zahnarztes.

Zwischenzeitlich geäußerte Befürchtungen, die BAZ-II-Studie sei wegen nicht berücksichtigter Qualitätskontrollen unvollständig, sind laut IDZ ungerechtfertigt (siehe dazu zm 10/2003, Seite 20). Diese Qualitätskriterien gibt es aber in dieser Form nicht oder sind in der Wissenschaft hoch umstritten (zum Beispiel Randschlussgröße bei Füllungstherapie). „Durch die Messung nach einzelnen Therapieschritten, die online abgespeichert wurden, konnte eine außerordentlich hohe Transparenz über die inhaltliche Zusammensetzung des gemessenen Leistungsgeschehens erfolgen“, erklärte der wissenschaftliche Leiter des IDZ, Dr. Wolfgang Micheelis.

In Kleinarbeit hat der Erweiterte Bewertungsausschuss versucht, die Ergebnisse der beiden Studien miteinander abzugleichen. Trotz der in vielen Bereichen durchaus unterschiedlichen Messergebnisse bei den Bema-Positionen ließ sich im Gesamtbild eine deutliche Struktur erkennen: Die verschiedenen Bereiche des Leistungskataloges zeigten ein Ungleichgewicht in den Relationen. Bei beiden Studien ergab sich folgendes Bild: Die Zeiten bei der IFH-Studie waren deutlich untererfasst, die der BAZ-II Studie waren leicht übererfasst. Heiß diskutiert wurde hier vor allem der Umfang des Material- und Helferinneneinsatzes. Grund: In der Kassenstudie waren bestimmte Therapieschritte, die der Zahnarzt oder die Helferin ausübte, nicht explizit erfasst. BAZ-II hat dank der Aufschlüsselung in Therapieschritte hier genauer gemessen. Strittig war auch die Diskussion um die Wertigkeit der geistigen und körperlichen Belastung des Zahnarztes. Denn aus Sicht der Zahnärzteschaft sind es gerade auch diese Faktoren, die neben der Arbeitszeit den Wert einer zahnärztlichen Leistung ausmachen. Die Krankenkassen sprachen sich aufgrund fehlenden Datenmaterials in ihrer Studie gegen die Integration dieses Aspektes aus. Hier überzeugte die Argumentation des eingeschalteten Sachverständigen, Prof. Dr. Bernd H. Müller, Gesamthochschule Wuppertal, den Ausschuss von der Bedeutung der psychophysischen Belastung des Zahnarztes. Durch das Votum der Unparteiischen wurde entschieden, dass die geistige und körperliche Beanspruchung des Zahnarztes mit in der Bema- Neurelationierung berücksichtigt wird. Durch diesen seitens der Zahnärzteschaft initiierten Beschluss konnte der Abwertungsdruck auf prothetische und kieferorthopädische Leistungen abgemildert werden.

Alles in allem hat sich im Verlauf der Verhandlungen gezeigt, dass die BAZ-II-Studie die Erkenntnisse im Bundesausschuss und im Erweiterten Bewertungsauschuss im Sinne der Zahnärzteschaft sehr stark unterstützt hat.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss nicht den Auftrag hatte, betriebswirtschaftlich begründete Bewertungen vorzunehmen und so die Frage nach angemessener Vergütung zu stellen. Über- und Unterbewertungen ergaben sich aus den Bema-Faktoren Zeitaufwand gemäß der Studien und den bisherigen Bewertungspunkten. Es gab Bema-Leistungen mit vergleichsweise „hoher“ Bewertung bei im Abgleich geringem Zeitaufwand. Die KZBV konnte im Erweiterten Bewertungsausschuss durchsetzen, zuerst eine Umrelationierung des alten Bema vorzunehmen. Nur so konnte verhindert werden, dass durch willkürliche Abwertungen Freiräume für neue Leistungen schon zu diesem Zeitpunkt geschaffen wurden.

Als mögliche Stoßrichtung für den neuen Bema kristallisierten sich drei denkbare Optionen heraus:

• Die so genannte „große Lösung“: Alle neuen zahnmedizinischen Leistungsbeschreibungen halten Einzug in die GKV-Versorgung. Diese Variante ist jedoch schiere Utopie. Wegen des begrenzten Budgets in der GKV wurde diese Lösung, die zu einer deutlichen Steigerung des GKV-Volumens geführt hätte, ausgeschlossen.

• Die so genannte „kleine Lösung“: Diese beinhaltet nur die Umrelationierung des alten Bema anhand der gesetzlichen Kriterien.

• Die so genannte „mittlere Lösung“: Eine Umrelationierung, bei der auch einige neue Leistungspositionen zusätzlich Einzug in den GKV-Katalog halten, dafür aber andere herausfallen. So konnte die Präventionsorientierung vorgenommen werden.

Nach der Umrelationierung des alten Bema war den Neutralen die „kleine Lösung“ zu wenig präventionsorientiert, deshalb waren die Vertragspartner aufgefordert, Modelle für eine „mittlere Lösung“ zu entwickeln, die letztlich am 4. Juni von allen Beteiligten beschlossen wurde.

Das Fazit von Dr. Jürgen Fedderwitz: „Wir haben uns intensiv und professionell auf jede Sitzung des Ausschusses vorbereitet. Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass sich die Krankenkassen nicht wie geplant durchsetzen konnten. So gesehen bin ich mit dem Ergebnis der Neurelationierung zufrieden. Aber zum Jubeln besteht kein Anlass. In solch starren GKV-Strukturen kann ein so genannter Freier Beruf nichts gewinnen.“

• Die zm werden über die Ergebnisse der Bema-Neurelationierung weiter analysierend berichten.

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