ConsEuro 2003

Prävention, Restauration und Ästhetik

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Die 2. ConsEuro-Tagung fand Anfang Juni 2003 in München statt. Unter dem Motto „Prävention, Restauration und Ästhetik“ konnten sich die Teilnehmer einen umfassenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen der modernen konservierenden Zahnmedizin verschaffen.

Lob von der Politik

Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung lobte der Festredner, der Bayerische Staatsminister für Gesundheit Eberhard Sinner, die Zahnmedizin insgesamt und besonders ihre konservierende Subdisziplin als überaus modern und innovativ. Vor allem die Tatsache, dass in diesem Teilbereich der Medizin nahezu mustergültig präventive Behandlungsansätze breite und zudem stetig wachsende Berücksichtigung finden, ist eine Entwicklung, die nicht zuletzt angesichts der bekannten Finanzprobleme im öffentlichen Gesundheitswesen sehr zu begrüßen ist. Wie das wissenschaftliche Programm der ConsEuro 2003 eindrücklich unter Beweis stellte, ist das Postulat einer modernen und innovativen Zahnmedizin aber nicht nur politisch sondern vor allem auch wissenschaftlich begründet.

Heilung statt Restauration

Im Zusammenhang mit der häufigsten dentalen Erkrankung, der Zahnkaries, wird zukünftig weniger die Restauration von pathogenen Defekten als vielmehr die Heilung im Vordergrund stehen. Entscheidende Voraussetzung dafür ist nach den Worten von Dr. Xie-Qui Shi, Stockholm, die rechtzeitige klinische Detektion der Karies in den initialen Stadien. Die bislang verwendeten diagnostischen Methoden der visuellen Inspektion sowie der taktilen Prüfung durch Sonden sind dafür jedoch ungeeignet, denn beide Verfahren basieren auf der Entdeckung von bereits manifesten Zahndefekten. Neue Wege zur Erkennung der Frühstadien einer Karieserkrankung können demgegenüber mit Hilfe verschiedener, kürzlich entwickelter technischer Hilfsmittel beschritten werden. Die quantitative lichtinduzierte Fluoreszenz (QLF) sowie das Diagnodent-System ziehen beispielsweise Fluoreszenzunterschiede zwischen gesundem und erkranktem Zahnhartgewebe zur Kariesdetektion heran. Wie Prof. Dr. Manuel Verdonschot, Nijmegen, darlegte, erfährt erkranktes Zahnhartgewebe eine messbare Veränderung der Eigenfluoreszenz. Diese Veränderungen können durch das QLF-System erkannt und zur Diagnose von Karies verwendet werden. Demgegenüber basieren die vom Diagnodent gemessenen Fluoreszenzunterschiede auf der Einlagerung von Fluorophoren in das kariöse Gewebe. Nicht die Fluoreszenz, sondern Veränderungen des Absorptionsverhaltens in kariöser Zahnhartsubstanz macht sich das an der Universität München von Prof. Dr. Karl-Heinz Kunzelmann entwickelte QLSM-(quantitative light scattering monitor)-System zu Nutze. Ähnlich, wie mit der schon länger bekannten FOTI-(fibre optical transillumination)-Methode ist es mit dieser Technik möglich, Änderungen des Brechungsindex in der Zahnhartsubstanz als Schatten für das menschliche Auge sichtbar zu machen. Durch die digitale Überlagerung von mehreren Bildern, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden, gelingt mit dem QLSM-Verfahren sogar eine longitudinale Verlaufskontrolle von kariösen Zahndefekten.

Eine noch frühere Kariesdiagnose ermöglicht ein kürzlich eingeführtes biochemisches Verfahren. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, und Priv.-Doz. Dr. Ingo Häberlein, Seefeld, gelingt mit diesem auf der Detektion der Säureproduktion kariogener Bakterien basierenden System die Bestimmung des individuellen Kariesrisikos. Das System kann unter anderem auch ein lokal erhöhtes Kariesrisiko, beispielsweise im Bereich eines Füllungsrandes, anzeigen, noch bevor sich sichtbare Zahnschäden manifestiert haben.

Neue Wege in der Kariestherapie

Mit einem der Kernbereiche der zahnärztlichen Behandlung, der Therapie von kariösen Defekten, befasste sich der Vortrag von Prof. Dr. Ivo Krejci, Genf. Demnach unterscheiden sich moderne Behandlungsstrategien von den klassischen Konzepten vor allem durch die größere Anzahl der zur Verfügung stehenden therapeutischen Wege. Neben der konventionellen invasiven Strategie mit einfacher mechanischer Präparation der erkrankten Zahnbereiche erweitern inzwischen verschiedene noninvasive, semiinvasive und minimalinvasive Behandlungsmethoden das Spektrum der Kariestherapie. Als typische noninvasive Methode kann die Arretierung beziehungsweise Heilung initialkariöser Defekte durch die Behandlung mit Ozon genannt werden. Eine semiinvasive Kariesbehandlung ist beispielsweise mit den so genannten mikroabrasiven Instrumenten möglich. Zur minimalinvasiven Therapie könnten zukünftig vor allem lasergestützte Methoden durch den Einsatz der fluoreszenzgesteuerten Hartsubstanzbearbeitung bislang noch unbekannte Möglichkeiten eröffnen.

Minimalinvasiv bedeutet Prävention

Das Schlagwort „minimalinvasiv“ steht nicht nur für ein besonders Substanz schonendes therapeutisches Vorgehen, sondern charakterisiert gleichzeitig auch eine präventive Behandlungsmethode. Diese Feststellung veranschaulichte Prof. Dr. Adrian Lussi, Bern, durch die Beobachtung, wonach durch die übliche rotierende Präparationsmethode in bis zu 100 Prozent der Fälle iatrogene Verletzungen des gesunden Nachbarzahnes verursacht werden. Diese Verletzungen stellen eine besonders fatale Nebenwirkung der zahnärztlichen Therapie dar, denn die ungewollte Beschädigung zieht langfristig fast immer eine Behandlungsnotwendigkeit des primär gesunden Zahnes nach sich. Abhilfe können in diesem Zusammenhang neben mechanisch angetriebenen Hubfeilen, wie das EVA-System, auch die seit einigen Jahren verfügbaren schallgetriebenen oszillierenden Präparationsinstrumente schaffen. Neben der deutlichen Reduktion des Risikos zur iatrogenen Verletzung gesunder Nachbarzähne bilden diese Systeme nach den Ausführungen von Priv.-Doz. Dr. Petra Hahn, Freiburg, auch die wesentliche Voraussetzung für die klinische Anwendung minimalinvasiver Präparationsformen.

Ozon gegen initiale Karies

In der Gruppe der noninvasiven Therapiemethoden stellt die Anwendung von Ozon eine viel beachtete Neuigkeit dar. Wie Prof. Dr. Edward Lynch, Belfast, ausführte, greift Ozon auf verschiedenen Wegen in die Pathogenese der Zahnkaries ein. Neben der direkten antibakteriellen Wirkung sorgt Ozon für eine Erhöhung des pH-Wertes und fördert gleichzeitig die Remineralisation der erkrankten Gewebebereiche. Die Indikation für den Einsatz von Ozon kann bei frühen, auf die Zahnoberfläche beschränkten Kariesstadien gestellt werden. Außerdem kann Ozon auch bei der Behandlung von Dentinhypersensibilitäten erfolgreich zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Aspekt für die klinische Applikation des Ozons ist die befriedigende Zugänglichkeit des zu behandelnden Zahnbereichs. Ist die Zugänglichkeit nicht gewährleistet, zum Beispiel in Fällen mit einer im Approximalraum lokalisierten Karies, sollte ein Einsatz von Ozon nicht in Erwägung gezogen werden.

Impfung zur Kariesprävention

Ebenfalls der Gruppe der nicht invasiven Ansätze der Kariestherapie können die unterschiedlichen mikrobiologischen beziehungsweise immunologischen Verfahren zugeordnet werden. Wie Prof. Dr. David Beighton, London, darlegte, kann zum Beispiel der Austausch von pathogenen Bakterien der Spezies Streptococcus mutans gegen artgleiche, nicht virulente Bakterien die klinische Manifestation der Karies bereits in einem sehr frühen pathogenetischen Stadium unterbinden. In eine ähnliche Richtung zielen immunologisch ausgerichtete Strategien. Denkbar ist in diesem Zusammenhang eine Impfung gegen die kariogenen Bakterien in Form einer passiven oder aktiven Immunisierung des Wirtsorganismus. Die passive Immunisierung kann durch die regelmäßige Ingestion von spezifisch gegen kariogene Mikroorganismen gerichteten Antikörpern mit der Nahrung, zum Beispiel in Form von antikörperhaltiger Kuhmilch, erfolgen. Demgegenüber orientiert sich die aktive Immunisierung an den klassischen Methoden der Impfprophylaxe.

Adhäsive Restaurationen sind Standard

Im Zusammenhang mit der invasiven Kariestherapie gilt die direkte adhäsive Defektversorgung durch Komposite inzwischen als anerkannte und weitverbreitete Methode. Im Allgemeinen gelingt durch die heute verfügbaren Kompositwerkstoffe eine funktionell und ästhetisch befriedigende Rekonstruktion von nahezu allen kariösen Defekten. Dazu ist jedoch nach den Worten von Priv.-Doz. Dr. Claus-Peter Ernst, Mainz, unbedingt die Einhaltung von einigen Anwendungsregeln zu beachten. Eine sehr häufige Fehlerquelle stellen die zur Applikation von direkten adhäsiven Restaurationen notwendigen Adhäsivsysteme dar. Insbesondere die so genannten Mehrschrittsysteme, also die Dentinadhäsive mit mehreren Einzelkomponenten, bergen naturgemäß deutlich mehr Risiken der fehlerhaften Anwendung als selbstätzende Einflaschensysteme. Dafür haben die Mehrschrittsysteme den Vorteil, der stärkeren Adhäsionsvermittlung. Eindrucksvoll zeigte Dr. Roberto Spreafico, Mailand, dass moderne Komposite heute sehr breit einsetzbar sind und problemlos auch im Seitenzahnbereich zur Anwendung kommen können. Bei der Versorgung von größeren Seitenzahndefekten durch Komposite stellt sich für den Praktiker allerdings häufig das Problem der Rekonstruktion der approximalen Kontaktbereiche. Anders als bei Amalgamfüllungen, die in der Regel mit ringförmigen Vollmatrizen appliziert werden, sollte bei der Verwendung von Kompositen Teilmatrizensystemen der Vorzug gegeben werden. Dass sich die Komposite zunehmend zu einem Füllungswerkstoff mit sehr weitem Indikationsbereich entwickeln, demonstrierte auch Priv.-Doz. Dr. Burkard Hugo, Würzburg, in seinem Vortrag.

Neben der einfachen Versorgung von kariogenen Zahndefekten finden diese Materialien schon heute Verwendung zur Korrektur von ästhetischen dentalen Defiziten, zum Beispiel bei der Behandlung von Zahnfehlbildungen oder -fehlstellungen. Im Augenblick wird bereits am Einsatz von kohlefaserverstärkten Kompositen zur direkten Konstruktion von Brücken ohne zahntechnische Zwischenschritte gearbeitet.

Biogenerische Kauflächengestaltung

Völlig neue Möglichkeiten der Zahnrestauration eröffnen aktuelle Entwicklungen der CAD/CAM-Technologie (Abb. 1a/b). Mit Hilfe der unter Prof. Dr. Dr. Albert Mehl, München, erarbeiteten Technik der so genannten biogenerischen Kauflächenrekonstruktion, steht erstmals eine Methode zur dreidimensionalen, virtuellen Rekonstruktion von Kauflächen zur Verfügung. Bislang sind zwar alle gängigen CAD/CAM-Systeme in der Lage, mit Hilfe von optischen Methoden exakt passende Füllkörper an Zahndefekte anzupassen. Die Kauflächengestaltung muss aber nach wie vor durch den Zahntechniker oder Zahnarzt manuell ausgeführt werden. Die biogenerische Kauflächenrekonstruktion erlaubt eine computergestützte, automatisierte Rekonstruktion von teilweise oder vollständig zerstörten Kauflächen anhand von nur wenigen Bezugspunkten, etwa den antagonistischen Kontaktpunkten, den Nachbarzahnkontaktpunkten oder den Höckerspitzen der rekonstruierten Kaufläche.

Von Gerostomatologie bis Polymerisation

Das insgesamt sehr umfangreiche wissenschaftliche Programm der ConsEuro 2003 rundeten Symposien zu den besonderen Aspekten der zahnmedizinischen Versorgung von älteren Patienten, zu aktuellen Entwicklungen maschineller Zahnbürsten, zu neuen Möglichkeiten der Polymerisation von Kompositen, zur endodontischen Therapie und zur Versorgung von Zahndefekten mit keramischen Werkstoffen ab.

Priv. Doz. Dr. Dr. Matthias FolwacznyPoliklinik für Zahnerhaltung und ParodotologieKlinikum der Universität MünchenGoethestraße 70, 80336 München

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