Fortbildungsteil 1/2003

Alles über moderne Stiftsysteme

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Einleitung

Seit Jahrzehnten nehmen Wurzelkanalstifte bei der definitiven Versorgung endodontisch behandelter Zähne eine zentrale Rolle ein. Dies vor allem aufgrund der Annahme, dass eine zunehmende Versprödung des Zahnes nach Wurzelkanalbehandlung eintritt, die eine Verstärkung durch die Insertion eines Wurzelkanalstiftes erforderlich macht. Auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen gilt es heute als gesichert, dass die physikalischen Eigenschaften eines Zahnes durch eine endodontische Behandlung nicht wesentlich verändert werden [Reeh et al. 1989, Sedgley und Messer 1992, Stanford et al. 1958, Fusayama und Maeda 1969]. Eine Schwächung des Zahnes wird vielmehr durch einen Hartsubstanzverlust verursacht, der durch die Zugangskavität, die Entfernung des Kavumdaches und die Aufbereitung der Wurzelkanäle entsteht. Über die Standardaufbereitung hinausgehende Maßnahmen, wie Revisionen von Wurzelfüllungen, Bohrungen für Wurzelkanalstifte und Wurzelspitzenresektionen schwächen, aufgrund des zunehmenden Zahnhartsubstanzabtrages den endodontisch behandelten Zahn zusätzlich. Wurzelkanalstifte sind vor diesem Hintergrund nicht in der Lage, die Festigkeit wurzelkanalbehandelter Zähne zu steigern [Attin et al. 1994, Guzy et al. 1979, Leary et al. 1987]. Einige Untersuchungen konnten vielmehr eine Schwächung [Lovdahl und Nicholls 1977, Sidoli et al. 1997, Trope et al. 1985] beziehungsweise eine höhere klinische Misserfolgsrate [Sorensen und Martinoff 1985] von Zähnen mit Wurzelkanalfüllungen nachweisen, wenn diese mit einem Wurzelkanalstift versorgt wurden. Zudem ist bereits der Vorgang der Stiftbohrung mit gewissen Risiken behaftet, deren Spätfolgen zum Teil erst nach einigen Jahren zutage treten können [Sorensen und Martinoff 1984a]. Mit der Einführung stetig verbesserter Adhäsiv- und Kompositsysteme sind in den letzten Jahren verschiedene moderne Therapiemöglichkeiten entstanden, die wesentliche Bereiche für den Aufbau endodontisch behandelter Zähne abdecken und klassische Behandlungsprinzipien zunehmend in Frage stellen. Heute sind in zahlreichen Situationen alternative Aufbaumöglichkeiten für endodontisch behandelte Zähne verfügbar, durch die der Einsatz von Wurzelkanalstiften umgangen werden kann und die aufgrund der geringeren Invasivität zu bevorzugen sind [Magne und Douglas 2000, Reeh et al. 1989, Willershausen et al. 2002].

In Situationen, in denen nur unzureichend koronale Zahnhartsubstanz für die adhäsive Verankerung des Aufbaus besteht oder in denen, wie bei Doppelkronen, mit einer überdurchschnittlichen Scher- und Zugbeanspruchung des Pfeilerzahnes zu rechnen ist, bieten Wurzelkanalstifte auch heute die einzige Möglichkeit, eine dauerhafte Retention und Stabilität des Aufbaus zu schaffen. Dies gilt ebenso, wenn durch die Präparation eine starke Ausdünnung der Dentinwände zu erwarten ist, die das Risiko einer Kronenfraktur erhöhen würde. Im Hinblick auf die häufig diskutierte Korrosionsproblematik und Biomechanik sowie das geänderte Anforderungsprofil bei Verwendung vollkeramischer Restaurationen werden heute neben den klassischen Wurzelkanalstiften auf Metallbasis auch Stifte aus faserverstärktem Komposit und Zirkonoxidkeramik angeboten (Abb. 1a und 1b).

Konstruktionsmerkmale von Stiftaufbauten

Der klassische Stiftaufbau besteht aus drei wesentlichen Konstruktionselementen, die jeweils unterschiedliche Aufgaben erfüllen:

1. Aufbau – Ersatz des für die Verankerung der definitiven Restauration erforderlichen Anteiles der koronalen Zahnhartsubstanz,

2. Wurzelkanalstift – Schaffung einer Retention für den Aufbau, wenn andere weniger invasive Techniken zur Retention des Aufbaus ausscheiden.

3. Befestigungsmaterial – dauerhafte Befestigung des Stiftaufbaus in dem endodontisch behandelten Zahn sowie zuverlässige Abdichtung des Wurzelkanals.

Vorbehandlung

Die Entscheidung über die Erhaltungswürdigkeit eines endodontisch erkrankten Zahnes ist bereits vor dem Entschluss zu einer endodontischen Behandlung nach festgelegten Kriterien (Qualitätsleitlinien der Europäischen Gesellschaft für Endodontie, ESE und der DGZMK) zu treffen. Diese umfassen neben der Beurteilung des endodontischen und parodontalen Zustandes auch die generelle Restaurationsfähigkeit und die Einschätzung der prothetischen Wertigkeit des Zahnes in einem vorausschauenden therapeutischen Gesamtkonzept unter Einbeziehung der Restbezahnung. Im Falle einer bereits erfolgten endodontischen Behandlung gelten die gleichen Kriterien. Für einen einfachen Zugang und eine gute Orientierung während der Stiftbohrung sind plastische Materialien wie Guttapercha und Sealer auf Epoxidharzbasis für die Wurzelkanalfüllung zu bevorzugen. Diese sollten sich in der Farbe deutlich von der umgebenen Zahnhartsubstanz absetzen.

Wartezeiten vor Einbringen des Wurzelkanalstiftes

Die definitive Weiterversorgung des Zahnes ist nach erfolgreich abgeschlossener endodontischer Behandlung aufgrund der Risiken einer Reinfektion ohne lange Wartezeiten vorzunehmen [Magura et al. 1991]. Dies gilt vor allem für die Ausgangssituation einer Pulpitis und wird auch bei symptomloser Wurzelkanalfüllung für die Ausgangssituation einer infizierten Nekrose empfohlen [Weigl und Heidemann 2001]. Eine Aufbereitung des Wurzelkanals für die Aufnahme eines Stiftes ist direkt nach der Applikation der Wurzelkanalfüllung ohne ein erhöhtes Risiko an Undichtigkeiten der apikalen Versiegelung möglich. Dieses direkte Vorgehen setzt jedoch voraus, dass das plastische Wurzelfüllmaterial (Guttapercha) in der Kondensationstechnik in den Kanal eingebracht wurde [Bourgeois und Lemon 1981, Madison und Zakariasen 1984, Portell et al. 1982, Schnell 1978, Zmener 1980].

Planung und alternative Aufbautechniken

Endodontisch behandelte Zähne mit einer zentralen Zugangskavität bei ansonsten intakten und stabilen zirkulären Kronenwänden können durch plastische Kompositmaterialien direkt aufgebaut werden. Eine Überkronung endodontisch behandelter Frontzähne und die Platzierung eines Wurzelkanalstiftes kann in den meisten Situationen durch diese minimal-invasive Aufbautechnik umgangen werden. Dies gilt auch, wenn wurzelkanalgefüllte Frontzähne neben der Zugangskavität nur kleinere approximale Defekte aufweisen. Kritischer sind dagegen zusätzliche labiale und palatinale Defekte oder ausgeprägte inzisale Defekte zu bewerten, da diese die Flexibilität eines Frontzahnes erheblich erhöhen [Magne und Douglas 2000]. In diesen Fällen sollte zur Wiederherstellung der Ausgangsflexibilität eine Versorgung mit einem Kompositaufbau in Kombination mit einer indirekten Restauration (vollkeramisches Veneer oder Krone) erfolgen [Cathro et al. 1996].

Vor allem bei Molaren steht oftmals ausreichend Dentinmasse zur Verankerung eines direkten plastischen Aufbaus zur Verfügung. Diese Technik umgeht die Zahnhartsubstanz opfernde und mit Risiken behaftete Platzierung eines Wurzelstiftes in die zumeist engen und gekrümmten Kanäle von Molaren. Zur Schaffung einer ausreichenden Retention kann die Wurzelfüllung unter Berücksichtigung der Kanalanatomie bis etwa zwei bis drei Millimeter unterhalb des Kanaleinganges entfernt werden und dieser Bereich mit Komposit gefüllt werden [Strub et al. 1999].

Endodontisch behandelte Seitenzähne mit approximalen Defekten, die bis in die Trepanationsöffnung hinein reichen und die Kontinuität der Kronenwände unterbrechen, können bei ausreichender Schichtdicke der gegenüberliegenden Dentinwände mit Komposit aufgebaut und anschließend mit einer die Höcker fassenden extrakoronalen Restauration in Form eines Onlays, einer Teilkrone oder einer Vollkrone versorgt werden (Abb. 2). Intrakoronale Präparationsformen für die Versorgung mit Inlays führen zu einer ungünstigen Spannungsverteilung. MOD-Kavitäten sind in diesem Zusammenhang besonders kritisch zu bewerten, da diese die Festigkeit gegenüber intakten Zähnen um nahezu zwei Drittel reduzieren [Reeh et al. 1989, Howe und McKendry 1990] und damit ein erhöhtes klinisches Frakturrisiko nach sich ziehen [Hansen et al. 1990].

Scheiden diese minimal-invasiven Techniken zur Schaffung einer zuverlässigen Retention für den Aufbau aus, sollten adhäsiv oder nicht adhäsiv befestigte Stiftaufbauten zum Einsatz kommen.

Kanalaufbereitung und Präparation für Wurzelstifte

Zur besseren Abschätzung der verbleibenden Dentinwandstärke empfiehlt sich zunächst mit der zirkulären Präparation für die vorgesehene Restauration zu beginnen. Die Aufbereitungslänge sollte unter Berücksichtigung der Kanalanatomie mindestens der geplanten Kronenlänge entsprechen [Sorensen und Martinoff 1984a]. Während der Aufbereitung ist eine gleichmäßige Schichtdicke der Kanalwände anzustreben und das plastische Wurzelfüllmaterial im gesamten Bereich der Aufbereitungslänge zu entfernen. Generell gilt, dass die Länge des Stiftes einen größeren Einfluss auf die Retention besitzt, als dessen Durchmesser [Krupp et al. 1979, Standlee et al. 1978]. Als apikale Versiegelung ist ein Wurzelkanalfüllungsanteil von mindestens vier Millimetern Länge zu erhalten [Magura et al. 1991, Portell et al. 1982] (Abb. 3).

Grundsätzlich erfordert das weitere präparative Vorgehen eine Differenzierung zwischen direkten und indirekt hergestellten Stiftaufbauten sowie adhäsiver oder konventioneller Befestigung. Direkte, adhäsiv befestigte Wurzelkanalstifte und Aufbauten erlauben ein konsequentes Substanz schonendes Vorgehen: Dünn auslaufende Dentinwände können durch plastische Kompositmaterialien adhäsiv geschient und unter sich gehende Bereiche als zusätzliche retentive Flächen genutzt werden. Dadurch wird eine anatomische Rotationssicherung erzeugt, welche die Präparation eines Kanalinlays überflüssig macht. Um den koronalen Anteil des Wurzelkanalstiftes sollte ausreichend Raum bereit stehen, um den Stift allseitig mit plastischem Aufbaumaterial umfassen zu können.

Beim Einsatz indirekter Wurzelkanalstifte nehmen verstärkt werkstoff- und herstellungsspezifische Gesichtspunkte Einfluss auf die Präparation [Lauer et al. 1996]. Dies zieht einen höheren Zahnhartsubstanzabtrag nach sich: Unter sich gehende Bereiche sind bei dieser Technik zu vermeiden. Zur besseren Übertragung axialer Kräfte auf die Zahnhartsubstanz sollte ein breiter horizontaler Flächenkontakt zum indirekt gefertigten Stiftaufbau angelegt werden, der zugleich einen guten Abschluss gewährleistet. Hierbei ist eine Mindestwandstärke des Dentins von einem Millimeter anzustreben, die gegebenenfalls durch ein schrittweises Einkürzen der Dentinwände geschaffen werden muss. Als Rotationssicherung und für eine definierte Position des indirekten Wurzelkanalstiftes sollte zudem eine kastenförmige Hilfskavität (Kanalinlay) im Wurzeleingangsbereich präpariert werden.

Ferrule- oder Fassreifeneffekt

Die Festigkeit von Zähnen mit Stiftaufbauten wird nachweislich dadurch erhöht, wenn ein mindestens zwei Millimeter breiter Dentinsaum apikal des Aufbaus präpariert wird, der von der definitiven Krone ringförmig umfasst wird [Assif et al. 1993, Isidor et al. 1999, Libman und Nicholls 1995, Sorensen und Engelman 1990]. Dieses auch als „Fassreifen“ oder „Ferrule“ bezeichnete Gestaltungsprinzip hat einen stabilisierenden Effekt auf die Zahnwurzel [Barkhorder et al. 1989, Hemmings et al. 1991, Isidor et al. 1996, Milot und Stein 1992] und wirkt sich positiv auf den klinischen Langzeiterfolg aus [Torbjörner et al. 1995] (Abb. 4). Lassen die bestehenden anatomischen Verhältnisse die Umsetzung dieser Umfassung nicht zu, können bei ausreichender Wurzellänge die Voraussetzungen durch eine chirurgische Kronenverlängerung oder eine orthodontische Extrusion geschaffen werden. Vor diesen Maßnahmen sollte nach erfolgreicher Wurzelkanalfüllung ein Aufbau bereits definitiv inseriert sein. Die frühzeitige Versorgung erlaubt eine bessere Einschätzung des verbleibenden Dentinsaums und des davon abhängigen Bereichs für die Einhaltung der biologischen Breite.

Temporäre Versorgung

Die Tragedauer einer temporären Versorgung ohne bakteriendichten Verschluss des Kanalsystems ist so kurz wie möglich zu halten. Vor allem in Kombination mit temporären Stiften ist von einem erhöhten Frakturrisiko für die Zahnwurzel und von einem erhöhten Risiko der Reinfektion der Wurzelkanäle auszugehen [Saunders und Saunders 1994]. Provisorien und temporäre Befestigungsmaterialien wie auch konventionelle Wurzelkanalfüllungen sind nur für einen sehr begrenzten Zeitraum in der Lage, die Wurzelkanäle vor dem Eindringen von Speichel sowie Mikroorganismen und deren Endotoxinen zu schützen [Alves et al. 1998, Chailertvantikul et al. 1996, Khayat et al. 1993, Madison und Wilcox 1988, Magura et al. 1991]. Das Risiko der Reinfektion mit der Gefahr einer späteren periapikalen Reaktion wird erst mit der definitiven Eingliederung der passgenauen endgültigen Versorgungen unter Verwendung beständiger Befestigungsmaterialien weitestgehend ausgeschlossen [Fox und Gutteridge 1997]. Eine Dekapitierung des endodontisch behandelten Zahnes zur Reduzierung des Frakturrisikos innerhalb der provisorischen Phase wird aus heutiger Sicht abgelehnt, da einer minimal-invasiven Therapie unter Einsatz der Adhäsivtechnik wichtige Grundlagen entzogen würden.

Einteilung der Stiftsysteme

Eine Einteilung von Wurzelkanalstiften und Aufbausystemen kann nach dem Material, dem Herstellungsverfahren (Individuell, halbkonfektioniert oder vollkonfektioniert), der Form (konisch, zylindrisch oder zylindrisch-konisch) oder der Oberflächenstruktur (glatt, aufgeraut oder mit Gewinde) erfolgen [Lauer et al. 1996] (Abb. 5).

Das Material für die Wurzelkanalstifte sollte neben einer elektrochemischen Unbedenklichkeit, eine hohe Bruchfestigkeit und Passgenauigkeit aufweisen sowie einfach zu verarbeiten sein. Diese Voraussetzungen werden durch die Verwendung ausgewählter Metall-Legierungen (Titan, Gold-Platin, Gold-Iridium) sowie bestimmter metallfreier Materialien erfüllt [Arvidson und Wróblewski 1978, Ottl et al. 2002, Wirz und Christ 1982]. Moderne metallfreie Stiftsysteme bestehen entweder aus hochfester Keramik (Zirkonoxidkeramik) oder aus Kompositmaterialien, die als Grundmasse ein Epoxidharz verwenden, das entweder durch Karbonfasern oder durch Glasfasern verstärkt ist. Die zum Teil sehr unterschiedlichen optischen und mechanischen Eigenschaften dieser Materialien bestimmen den Einsatzbereich der verschiedenen Stift-Systeme. Das Erscheinungsbild transluzenter zahnfarbener Restaurationen kann durch die günstigen optischen Eigenschaften der meisten metallfreien Stifte vorteilhaft unterstützt werden [Carossa et al. 2001] (Abb. 1b und Abb. 5). Wurzelkanalstifte auf der Basis von verstärkten Kompositmaterialien verfügen im Vergleich zu Stiften aus Metall oder Keramik über ein dentinähnliches biomechanisches Verhalten und haben den Vorteil, dass sie unter Umständen wieder entfernt werden können (Abb. 6). Langjährige klinische Erfahrungen mit metallfreien Stiften liegen jedoch bislang nicht vor.

Individuelle Stifte erzielen die beste Formkongruenz zum Wurzelkanal und eignen sich vor allem für stark zerstörte Zähne [Bergman et al. 1989]. Aktive, Gewinde tragende Stifte mit zylindrischer Geometrie erreichen die höchsten Retentionswerte [Standlee et al. 1978, Kurer et al. 1977, Ruemping et al. 1979], verursachen jedoch im Vergleich zu anderen Stiftsystemen höhere Spannungskonzentrationen innerhalb der Wurzel [Standlee et al. 1992]. Dadurch wird das Risiko einer Wurzelfraktur deutlich erhöht [Caputo et al. 1973, Deutsch et al. 1985, Henry 1977, Linde 1984, Rolf et al. 1992, Standlee et al. 1982, Thorsteinsson et al. 1992]. Aktive Stifte sollten daher nach Möglichkeit nicht mehr verwendet werden. Passive, gewindefreie Stifte zeigten mit zylindrischer Geometrie einen guten klinischen Langzeiterfolg und sollten aufgrund der besseren Retention [Colley et al. 1968, Johnson und Sakamura 1978] den konischen Stiften vorgezogen werden, wenn die Stiftlänge geringer ist als die Kronenlänge [Sorensen und Martinoff 1984b]. Passive konische Stifte entsprechen am besten der Wurzelanatomie und der Form der Wurzelkanalaufbereitung. Durch diese Geometrie wird eine hervorragende Passung und Kontinuität zur Schichtdicke des zirkumkanalären Dentins erreicht. Dies minimiert die Perforationsgefahr. Das erhöhte Risiko von Retentionsverlusten [Colley et al. 1968, Newburg und Pameijer 1976, Standlee et al. 1978] kann durch eine adhäsive Eingliederung mit Befestigungskompositen, eine retentive Oberflächenstruktur des Stiftes und eine Aufrauung der Wurzelkanalwand reduziert werden [Nergiz et al. 1993] (Abb. 7).

Aufbaumaterialien für direkte Stifte

Grundsätzlich stehen plastische Materialien als Silber-Amalgame, Komposite oder auf Glasionomer-Basis für den direkten Aufbau endodontisch behandelter Zähne zur Verfügung. Amalgame besitzen für diesen Einsatzbereich generell die günstigsten mechanischen Eigenschaften, sollten jedoch aufgrund der häufig diskutierten Korrosionsproblematik und geltender Bestimmungen als Aufbaumaterial nicht mehr Verwendung finden [Kovarik et al. 1992, Lutz und Kreijci 2000, Russell et al. 1997]. Glasionomerzemente und deren Modifikationen erwiesen sich für direkte Aufbauten als mechanisch wenig widerstandsfähig [Levartovsky et al. 1994, Cohen et al. 1997] . Modernen, adhäsiv verarbeiteten Kompositsystemen ist aufgrund der dentinähnlichen mechanischen und optischen Eigenschaften sowie der elektrochemischen Unbedenklichkeit der Vorzug zu geben [Craig et al. 2000].

Definitive Eingliederung von Wurzelkanalstiften

Die definitive Eingliederung von Wurzelkanalstiften kann sowohl konventionell mit Glasionomer- oder Zinkoxid-Phosphatzementen als auch adhäsiv mit selbst- oder dualhärtenden Befestigungskompositen in Verbindung mit einem korrespondierenden Dentinadhäsivsystem erfolgen (Abb. 8a und 8b). Durch die Verwendung der Adhäsivtechnik wird die Retention des Wurzelstiftes im Kanal gesteigert [Leary et al. 1995, Standlee und Caputo 1992, Duncan und Pameijer 1998] und eine bessere Abdichtung zwischen Kanalwand und Stiftoberfläche erzielt [Bachicha et al. 1998]. Einschränkungen müssen dennoch bei einer Kontamination des Dentins mit eugenolhaltigen Sealern hingenommen werden [Schwartz et al. 1998, Tjan et al. 1992]. Eine Aufrauung der Kanalwände mit korrespondierenden diamantierten Handinstrumenten wirkt sich retentionssteigernd aus [Nergiz et al. 1993]. Das Befestigungsmaterial sollte sowohl auf den Stift als auch mit Hilfe eines Lentulos in den Kanal appliziert werden, um eine blasenfreie Konsistenz zu erzielen [Jacobi und Shillingburg 1993]. Dieses Vorgehen ist vor allem für konventionelle Zemente empfehlenswert und sollte beim Einsatz aufwändigerer adhäsiver Befestigungsverfahren von den Verarbeitungszeiten der Einzelkomponenten abhängig gemacht werden [Mendosa und Eakle 1994]. In Zweifelsfällen ist der reinen Applikation des Befestigungsmaterials auf den Wurzelkanalstift der Vorzug zu geben.

Misserfolge und klinische Langzeitbewährung

Als die häufigsten Misserfolgsursachen von Stiftsystemen erwiesen sich in klinischen Nachuntersuchungen Retentionsverluste [Bergman et al. 1989, Turner 1982] und Wurzelfrakturen [Tinner et al. 2001, Weine et al. 1991]. Seltener traten Sekundärkaries [Hatzikyriakos et al. 1992, Turner 1982], Stiftfrakturen [Tinner et al. 2001, Turner 1982] sowie iatrogene Wurzelperforationen (Abb. 9) und deren Spätfolgen auf [Sorensen und Martinoff 1984a].

Die meisten klinischen Langzeit-Studien wurden mit Wurzelkanalstiften auf Metallbasis durchgeführt (Abb. 10). Die jährlichen Misserfolgsraten metallischer Stiftsysteme differieren erheblich in Abhängigkeit vom Stiftdesign [Sorensen und Engelman 1990, Sorensen und Martinoff 1984b], vom Verhältnis Stift-zu Kronenlänge [Sorensen und Martinoff 1984a], von der Art der prothetischen Versorgung [Mentink et al. 1993] sowie von der Herstellungsmethode [Creugers et al. 1993] und werden mit Werten zwischen zirka 0,6 Prozent [Weine et al. 1991] und 4,4 Prozent [Roberts 1970] angegeben. Eine signifikant höhere Anzahl von Misserfolgen ereignete sich im Oberkiefer [Bergman et al. 1989] und dort vor allem an Frontzähnen [Torbjörner et al. 1995]. Die Überlebensrate liegt nach sechs Jahren für gegossene Stiftkernaufbauten bei 91 Prozent und für geschraubte Stifte mit Kompositaufbau bei 81 Prozent [Creugers et al. 1993]. Individuelle gegossene Stiftaufbauten aus Metall zeigten in Kombination mit einer Kronenversorgung bei stark zerstörten Zähnen eine klinische Erfolgsrate von 90,6 Prozent nach sechs Jahren [Bergman et al. 1989].

Für metallfreie Stiftsysteme liegt bislang nur unzureichend Datenmaterial über das klinische Langzeitverhalten vor. Erste klinische Erfahrungen mit Wurzelstiften aus Zirkonoxidkeramik oder faserverstärkten Kompositen sind jedoch viel versprechend [Edelhoff et al. 2000, Fredriksson et al. 1998, Glazer 2000, Kakehashi et al. 1998, Kern et al. 1998]. Den Hauptindikationsbereich keramischer Wurzelstifte stellt aufgrund der damit verbundenen ästhetischen Vorteile für metallfreie Restaurationen der Frontzahnbereich des Oberkiefers dar [Edelhoff et al. 2000, Kern et al. 1998].

OA Dr. Daniel EdelhoffProf. Dr. Dr. Dr. h. c. Hubertus SpiekermannKlinik für Zahnärztliche ProthetikUniversitätsklinikum AachenPauwelsstraße 30, 52074 AachenE-Mail:dedelhoff@ukaachen.de

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