Leitartikel

Wo der Wildbach rauscht - oder Bayerns kleine Karos

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Für das Sommertheater bietet sich so manches: "Jedermann" in Salzburg, Karl May in Bad Segeberg, Schlingensief in Bayreuth. Oder derzeit die zahnärztliche Groteske in Bayern: Der nach eigener Erkenntnis handlungsunfähige Landesvorstand des Freien Verbandes schasst seinen Vorsitzenden. Die Strippenzieher werden in der freiverbands-geprägten Münchener KZVB-Zentrale vermutet. Kurz darauf erreicht der abgewählte Landesvorsitzende mit seinem letzten Aufgebot und der sonst als zu lahm geschmähten Opposition die Abwahl des KZVB-Vorsitzenden Löffler und einiger Getreuer. Der verbliebene Schrumpfvorstand tritt anschließend zurück. Nicht viel später schickt die Landesversammlung des Freien Verbandes den vermeintlich wieder erstarkten frisch geschassten Vorsitzenden endgültig in die Wüste. Denver Clan im Alpenglüh'n. Und als - im wahrsten Sinne - Nachschlag verordnet das zuständige Ministerium - Staatskommissar Gassner lässt grüßen - eine abstrafende Satzungs- und Wahlordnung. Aus dem vollmundigen "Mit mir müssen Sie noch rechnen" des Ex-Vorsitzenden Löffler wird ein heilloses "In Bayern muss man mit allem rechnen" einer gesamten Berufsgruppe. Hier hat sich eine Landesgruppe von Freiberuflern in den Fallstricken eigener Politik verfangen. Anders als im ideologisch verbündeten Niedersachsen kam es deshalb nicht einmal mehr zur Ankündigung eines Korbes. Den gaben sich Bayerns Freiverbandler lieber selbst.

Ob die wirklichen Motive, wie jetzt hinter vorgehaltener Hand gemutmaßt wird, persönliches Macht- oder gar pikantes (hauptamtliches?) Posten-Gerangel darstellten, sei dahingestellt und interessiert in der Sache im Moment auch nicht. So klein sind Bavarias blau-weiße Karos eigentlich nicht. Vielmehr gilt in diesem Polit-Spektakel das berüchtigte Kohl-Zitat, dass "entscheidend ist, was dabei hinten raus kommt": In Bayern heiße Luft, aber bundesweit verbrannte Erde.

Die Weigerung, eine Wahl- und Satzungsordnung zu verabschieden, kostet die bayerischen Zahnärzte auf jeden Fall basisdemokratischen Einfluss in der künftigen "Staats"-KZV: Nur 24 Sitze bleiben den Zahnärzten in der größten KZV der Welt durch die Ersatzvornahme der Aufsicht in der künftigen Vertreterversammlung. Im an Zahnärztezahl halb so großen Hessen sind es 40 - dank selbstbewusster und selbstverantwortlicher Verabschiedung einer eigenen Wahl- und Satzungsordnung. Auf Bundesebene müssen wir bekanntlich noch abwarten, was nach der Brandrodung der Bayern und Niedersachsen in Neuss die Aufsicht für uns bereit hält.

Aber man kann ja auf alles noch etwas draufsetzen: Mit der jüngsten selbstzerstörerischen weiß-blauen Kraftmeierei hat man jetzt einen überzeugenden Beleg für alle rot-grünen Selbstverwaltungsfeinde geliefert, dass die Heilberufe gar nicht in der Lage sind, sich eigenständig zu organisieren. Oder ist dieser Beleg gar Absicht? Hat eine Schar selbsternannter ideologischer Puristen dieses Chaos provoziert und inszeniert?

So einfach hat es der Politik aus zahnärztlichen Reihen seit Jahren jedenfalls keiner gemacht. Wen wundert's noch, wenn Bayerns Ex-KZV-Chef beklagt, dass "die bayerische Staatsregierung seit zwölf Jahren nie um fachlichen Rat auf Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit ausgedachter Reformen auf uns zugekommen ist". Dieser standespolitische Offenbarungseid ist meine Sache nicht. Wir reden lieber mit der Politik. Und ich bin überzeugt, wir fahren besser damit.

Wer auch immer jetzt und künftig in der "Staats-KZV" Verantwortung übernehmen wird - ob Freiverbandler oder derzeitige Oppositionelle - nach diesen Chaostagen sind die Startchancen so mies wie schon lange nicht mehr. Das Sommertheater hinterlässt Spuren. Auf dem Spielplan: "Wem die Stunde schlägt" und "Früchte des Zorns". Denn Bayerns Hardliner haben bundesweit der Kollegenschaft nicht nur einen Bärendienst erwiesen, sie haben ihnen offensichtlich auch einen standespolitischen Bären aufgebunden. Wo der Wildbach halt rauscht ...

Mit kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzAmtierender Vorsitzender der KZBV

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.