Zahnärzte wollen sachliche Aufklärung

Kostenerstattung ist Patientenrecht

Heftige Debatten werden zurzeit in der Öffentlichkeit geführt. Es geht um das im Gesundheitsmodernisierungsgesetz neu verbriefte Recht der Kostenerstattung für alle GKV-Versicherten. Stark angefeindet werden vor allem die Kieferorthopäden. Kassen und Aufsichtsbehörden schießen gegen zahnärztliche Initiativen. Missverständnisse machen sich breit. Die Zahnärzteschaft setzt sich ein für eine Versachlichung der Diskussion und für eine fundierte Aufklärung der Versicherten.

Die Wogen um das Thema Kostenerstattung schlagen derzeit hoch und es rauscht im medialen Blätterwald. Überschriften wie „Böse Falle für Patienten“, „Gefahr vor Mehrbelastung“ oder „Der teure Rat des Zahnarztes“ zeugen von einer Informationsschieflage in der Öffentlichkeit. Unter Beschuss sind neben den Zahnärzten vor allem die Kieferorthopäden.

Vor kurzem warnte der Verband der Angestellten- Krankenkassen (VdAK) Patienten davor, sich von Zahnärzten und Kieferorthopäden zur Privatabrechnung drängen zu lassen und kritisierte eine Kampagne der Kieferorthopäden, die gesetzlich Versicherte zur Unterschrift für die Kostenerstattung verleiten wollten. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt meldete sich zu Wort und betonte ihrerseits, dass Kieferorthopäden Patienten nicht zur Privatabrechnung drängen dürften. In Baden-Württemberg brodelt es. Die SPD-Landtagsfraktion will die Regierung unter Zugzwang setzen. Die KZV müsse unverzüglich sicherstellen, dass eine ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten gewährleistet werde. Ansonsten müsse die CDU-FDP-Regierung aufsichtsrechtliche Schritte einleiten.

Versachlichung

Die Zahnärzteschaft bemüht sich um eine Versachlichung der Diskussion. In einigen KZV-Bereichen wurden weiterführende informierende Schreiben an die Mitglieder versandt, in anderen Regionen gibt es Aufklärungsschriften für Patienten zum Thema Kostenerstattung.

Der amtierende Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Jürgen Fedderwitz, erklärte: „Die Wahl der Kostenerstattung anstelle des Sachleistungsprinzips ist seit dem 1. Januar 2004 ein verbrieftes Recht des Patienten. Zum ersten Mal können jetzt alle gesetzlich Versicherten innovative zahnmedizinische Behandlungen unbeschränkt wählen, ohne dabei ihren Kassenanteil zu verlieren. Und es gibt ein komplett transparentes Abrechnungsverfahren“. Von Seiten einiger Krankenkassen werde die Kostenerstattung derzeit offensichtlich unterlaufen, obwohl sie an sich, so Fedderwitz, „ein förderungswürdiges Prinzip“ sei. Problematisch sei allerdings, dass der Gesetzgeber eine Reihe bürokratischer Hürden eingebaut habe, die es genau zu beachten gelte (siehe Kasten).

Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) plant für den 19. März eine „Tag der offenen Tür“ in den Praxen. Er stellte seine Initiative zur Kostenerstattung der Presse am 20. Januar in Berlin vor und machte dabei deutlich, dass von vermeintlicher Abzocke und Drängelei keine Rede sein könne. Zum Hintergrund: Der Verband hatte seinen Mitgliedern empfohlen, ihre Patienten auf die neue Möglichkeit der Wahl der Kostenerstattung hinzuweisen. Dahinter steht auch die Neustrukturierung des Bema, die eine erhebliche Absenkung der Honorierung für kieferorthopädische Leistungen zur Folge hat. Jedoch, so betonten die Kieferorthopäden, sei man bei vertragszahnärztlichen Leistungen grundsätzlich verpflichtet, diese weiterhin zu den im GKV-System geltenden Konditionen zu erbringen und nicht von der Inanspruchnahme der Kostenerstattung abhängig zu machen.

Der Bundesvorsitzende Eugen Dawirs erklärte vor der Presse die Vorteile der Kostenerstattung im kieferorthopädischen Bereich. Sie biete dem Patienten mehr Transparenz und Effizienz und verhindere eine Zwei-Klassen-Medizin. Die Eigenverantwortung und die Compliance, die gerade bei der KFO-Behandlung ein wichtiger Faktor sei, werden gefördert. Dawirs wies darauf hin, dass das Kostenerstattungssystem europaweit tauglich sei und mit der bisherigen Inländerdiskriminierung in Deutschland aufräume. Was die Kollegenschaft angehe, werde in Zukunft mehr Wettbewerb unter den Kieferorthopäden entstehen.

Dr. Werner Schupp, BDK-Vorstandsmitglied, erläuterte, dass in keinem anderen medizinischen Feld Transparenz, Effizienzdenken und Kostenkontrolle so weit fortgeschritten seien wie in der Kieferorthopädie. KfO-Behandlung sei oft Kinderbehandlung und die Erstattung des Eigenanteils durch die Krankenkasse sei erfolgsabhängig: Ein großer Teil müsse also von den Patienten-Eltern ohnehin gezahlt werden, da auch bei den Kosten, die die GKV bezuschusse, ein 20- prozentiger Anteil getragen werden müsse, der nur bei erfolgreichem Behandlungsabschluss erstattet würde. Er wies darauf hin, dass gerade bei der KFO-Behandlung oft individuelle weiterführende Behandlungsziele anfielen. Das betreffe ästhetische Wünsche, die nicht von der Solidargemeinschaft der GKV finanziert werden sollten.

Unseriöse Panikmache

„Die Panikmache bestimmter gesetzlicher Krankenkassen vor der Wahl zur Kostenerstattung ist unseriös“, erklärte Dr. Wilfried Beckmann, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte. „Dabei spielen sie Ulla Schmidt direkt in die Hände. Für die Bundesgesundheitsministerin ist die Kostenerstattung weiterhin Teufelszeug. Wir werden unsere Patienten weiter sachgerecht über die Vorteile und Risiken eines Wechsels zur Kostenerstattung aufklären“, sagte er. Vor einem Wechsel zur Kostenerstattung für den gesamten ambulanten Bereich ohne Zusatzversicherung rät Beckmann jedoch ab. Hier sei das finanzielle Risiko nicht überschaubar. Besser wäre es, wenn der Gesetzgeber für die Patienten klarstelle, dass Kostenerstattung auch für einzelne Leistungsbereiche gewählt werden könne.

Im Gesetz steht: „Eine Beschränkung der Wahl auf den Bereich der ambulanten Behandlung ist möglich.“ Diese Formulierung schließt nicht aus, dass zum Beispiel nur für zahnärztliche Behandlung Kostenerstattung ermöglicht werden könnte. Denn in der Gesetzesbegründung steht: „Frei die Versorgungsform wählen zu können, entspricht der Vorstellung vom mündigen Bürger, der selbst entscheidet, was für ihn zweckmäßig ist. Die Entscheidung für die Kostenerstattung kann zudem das Kostenbewusstsein der Versicherten verstärken.“

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