Psychische Störungen

Am häufigsten leiden Kinder unter Angsterkrankungen

Psychische Störungen sind in unserer modernen Gesellschaft noch häufig mit Tabus behaftet und werden folglich oft nicht rechtzeitig diagnostiziert und behandelt. Speziell bei Kindern kann das gravierende Konsequenzen haben und dazu beitragen, dass die Erkrankungen bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen bleiben.

Lernschwierigkeiten in der Schule, aggressives und unangepasstes Verhalten, das lässt viele Eltern hellhörig werden. Doch solche oder ähnliche Probleme treten wie Bauch- oder Kopfschmerzen bei fast allen Kindern im Verlauf ihrer Entwicklung auf. Zwar sind sie für Eltern und Kinder meist eine enorme Belastung, doch die Störungen sind meist passager. Nach einigen Wochen oder Monaten hat sich die Verhaltensauffälligkeit wieder gegeben. Die Episode wird als „Phase“ abqualifiziert. „Solche Phasen sind harmlos, und die Kindern sind nicht krank und benötigen keine spezielle Behandlung“, erklärte Professor Dr. Gerhard Nissen aus Würzburg während der Medica 2003 in Düsseldorf. Als Beispiele für weitgehend normale Reaktionen in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nannte der Mediziner die typischen Trotzreaktionen des Kindes, Lern- und Leistungsstörungen in der Schule sowie alterstypische Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Jugendlichen.

Genau Beobachten

Dennoch muss man als Eltern wie auch als Arzt hellhörig sein, wenn Kinder ein auffälliges Verhalten an den Tag legen, vor allem wenn die geschilderten Verhaltensweisen über Gebühr lange anhalten. Auch bei gravierenden Störungen, wie etwa psychischen und motorischen Unruheständen, schweren Angstzuständen oder Zwangsstörungen, ist unverzüglich eine sorgfältige diagnostische Abklärung angezeigt. Denn es geht unter anderem auch darum, einer Chronifizierung zuvorzukommen und zu verhindern, dass sich die Störung auf lange Sicht manifestiert und in das Erwachsenenalter hineingetragen wird. „Doch die Diagnostik von psychischen Erkrankungen ist bei Kindern und Jugendlichen ungleich schwerer als bei Erwachsenen“, so Nissen. Die psychopathologische Symptomatik ist nach seinen Worten vom Lebens- und Entwicklungsalter abhängig. Eine klare Ursache lässt sich oft nicht finden, da die Störung oft auch unterschiedlich stark bewertet, also relativ eingeschätzt wird. Es kann sich ebenso aber auch um eine Begleit- oder Folgeerscheinung bestehender Konflikte handeln, um eine Neurose oder um eine organisch bedingte Störung, beispielsweise ein hirnorganisch bedingtes Psychosyndrom.

Zwischen Furcht und Angst differenzieren

Besonders häufig sind im Kindesalter Angstzustände, doch gilt es hier sorgfältig zwischen der Furcht und einer tatsächlich übersteigerten Angst zu differenzieren. Andererseits leiden nach Nissen rund fünf Prozent aller Kinder an einer behandlungsbedürftigen Angsterkrankung, die zumeist durch eine genetische Prädisposition mitbedingt ist, aber auch durch eine überfürsorgliche Erziehung provoziert werden kann.

Als weit verbreitet nannte der Pädiater eine Komorbidität mit einem hyperkinetischen Syndrom. Hat dieses Krankheitswert, so ist eine gezielte Behandlung – und das umschließt auch eine medikamentöse Therapie – nach Nissen indiziert. Zwar tue man sich schwer mit einer solchen Maßnahme, die Kindern aber profitieren nach Nissen nicht nur akut sondern auch auf lange Sicht: „Sie entwickeln später seltener ein Suchtverhalten“, so der Mediziner.

Zwangsstörungen rechtzeitig erkennen

Etwa ein bis zwei Prozent aller Kindern leiden nach seinen Worten unter einer Zwangsstörungen. Auch bei diesem Krankheitsbild ist eine rechtzeitige Diagnosestellung und Therapie von entscheidender Bedeutung für die Langzeitprognose. Dasselbe gilt bei den Psychosen und insbesondere bei der Schizophrenie. Diese ist bei Kindern selten, tritt aber zunehmend im Jugendalter auf: „Bei jedem fünften schizophrenen Erwachsenen manifestierte sich die Erkrankung schon vor dem 20. Lebensjahr“, so der Mediziner. Je früher jedoch eine Schizophrenie auftritt, desto schlechter ist die Prognose. Auffällig ist nach Nissen, dass rund 80 Prozent der Betroffenen Drogenerfahrungen haben, wobei es sich aber durchaus auch um Versuche der Selbstheilung handeln könne.

Christine VetterMerkenicherstraße 22450735 Köln

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