Gastkommentar

Ein deutlicher Flop

Beitragssenkung kontra Schuldenabbau: Das Bundesversicherungsamt geht rigide mit den BMGS-Vorstellungen zur Beitragssatzsenkung der GKV um. Auch Hausarzt-Modell und Praxisgebühr geraten zunehmend in den Fokus rationaler Kosten-Nutzen-Betrachtungen.

Thomas Grünert
Chefredakteur Vinzentz Network Berlin

„Du kannst nicht alles haben...“ sang Anfang der 70er Jahre Roy Black in einem Schlager. Die Melodie sollte Gesundheitsministerin Schmidt in den Ohren klingen, wenn sie in diesen Tagen an die Umsetzung der Gesundheitsreform denkt. Während die Frühlingssonne auch im gesundheitspolitischen Berlin manches reformgestresste Gemüt beruhigt, gibt sich die Ministerin kampflustig. Sie propagiert weiterhin ihr Versprechen einer deutlichen Senkung der Beitragssätze in der GKV. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, sollen die Bürger weiterhin Vertrauen haben.

Was die Deutschen dagegen von Ulla Schmidts frommen Wünschen halten, belegt unmissverständlich eine aktuelle Emnid-Umfrage: Fast zwei Drittel der Befragten klagen, dass sie durch die Reform mehr Geld für ihre Gesundheitsversorgung ausgeben und 40 Prozent sind fest davon überzeugt, dass sich die Qualität der Versorgung mit der Reform verschlechtert hat. Dass sich die Lage verbessert, glauben dagegen die wenigsten. Darin werden sie auch von den sechs führenden deutschen Wirtschaftsinstituten bestätigt. In ihrem aktuellen Frühjahrsgutachten kommen die zur Prognose, dass im GKV-Schnitt allenfalls eine Senkung des Beitragssatzes von 0,25 Prozentpunkten drin ist. Damit sehen sie die Entwicklung sogar noch rosiger als der Schätzerkreis der Krankenkassen.

Kein Wunder, denn als die Politiker zur Reform der maroden GKV-Finanzen ansetzten, haben sie einen Kardinalfehler begangen. Ein Kassensturz hätte schon Mitte letzten Jahres zum unübersehbaren Ergebnis geführt, dass die Kassen deutlich unterfinanziert waren. So wuchs der Schuldenberg dann noch einmal um drei Milliarden auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro. Und die, so fordert das Gesetz, müssen ohne wenn und aber in den nächsten vier Jahren abgebaut werden. Die ministeriell verfügte Beitragssenkung auf durchschnittlich 13,6 Prozent mutiert damit zum Traumgespinst.

Beitragssenkung kontra Schuldenabbau. Dieser Konflikt ruft natürlich auch das Bundesversicherungsamt (BVA) auf den Plan. Dessen Chef Rainer Daubenbüchel hat denn auch von Amts wegen bereits das Kriegsbeil gegen die Ministerin in der Hand. Das Geplänkel um die von seiner Behörde verweigerte Genehmigung zur Beitragssenkung bei der Gmünder Ersatzkasse (GEK) von 12,9 auf 12,5 Prozent war wohl nur ein Vorspiel dessen, was noch kommt.

Im Visier der Behörde stehen auch die vom GMG (SGB V, §73b) vorgesehenen Versorgungszentren und Hausarzt-Modelle. Daubenbüchel will diese Modelle nur genehmigen, wenn sie sich für die Kassen rentieren. Es sei nicht zulässig, dass die nicht im Modell eingeschriebenen Mitglieder einer Kasse Vergünstigungen für die Teilnehmer mitfinanzierten. Jede Kasse muss deshalb dem BVA vorrechnen, wie sie mit einem Hausarzt-Modell Einsparungen erzielt. Das paradoxe an der Situation: Selbst wenn durch Hausarzt-Modelle (weniger Facharztbesuche und Doppel-Untersuchungen) Einsparungen erzielt würden – die Krankenkassen hätten kaum etwas davon. Denn nach wie vor erfolgt die Vergütung der Kassen über die Ärztevereinigungen pauschal. Ob ein Patient mehrere Ärzte aufsucht, ist für die Kasse damit zunächst völlig unerheblich, es sei denn, dass sich die Fallzahlen insgesamt erheblich reduzieren.

Zu einem gesundheitspolitischen Eigentor scheint auch die Praxisgebühr zu werden. Im Wettbewerb, der durch die Reform bewusst forciert wird, machen immer mehr Kassen Werbung mit Programmen, bei denen die Praxisgebühr rückerstattet wird. Außer Spesen nichts gewesen, kann der Beitragszahler da nur sagen, denn in der GKV entstehen sinnlos hohe Verwaltungskosten, die natürlich letztendlich der Bürger bezahlt.

Fazit: Die Sanierung des maroden GKVSystems durch die jüngste Gesundheitsreform entwickelt sich zu einem deutlichen Flop. Unüberlegte Versprechungen, halbherzig umgesetzte Spareffekte (man denke an das Einknicken der Gesundheitsministerin bei der Erhöhung der Tabaksteuer) und ein Schönreden unwillkommener Fakten können nicht zum Ziel führen. Dennoch: Mindestens ein Drittel der Deutschen, so belegt auch die oben schon zitierte Emnid-Umfrage, wären durchaus bereit, für ihre medizinische Versorgung tiefer in die Tasche zu greifen, soweit ihnen eine höhere Flexibilität bei der Wahl von Versicherungsleistungen und Teilhabe am medizinischen Fortschritt ermöglicht wird. Man darf deshalb gespannt sein, ob beispielsweise die Ausgliederung des Zahnersatzes aus der GKV-Leistung, die ab 2005 greift, positive Signalwirkung entfaltet.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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