Differentialdiagnose ungewöhnlicher Röntgenbefunde

Verkalkter Fremdkörper in der Nase

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Ein elfjähriger beschwerdefreier Patient wurde vorgestellt, nachdem im Rahmen der Röntgendiagnostik dem behandelnden Kieferorthopäden im FRS eine kreisrunde, mit einem Randsaum versehene Raumforderung cranial der Maxilla aufgefallen war (Abb. 1). Anamnese und klinische Untersuchung erbrachten keinen auffälligen Befund. Insbesondere war der Mutter keine Häufung von Rhinitiden oder Sekretbildungen aus der Nase aufgefallen. Im vorliegenden OPG (Abb. 2) fand sich ein kariesfreies Wechselgebiss, ein eindeutiges Korrelat der im FRS aufgefallenen Veränderung fand sich nicht. Lediglich die caudale Nasenmuschel erschien rechtsseitig etwas betont, hier handelte es sich eventuell um einen Summationseffekt durch die Überlagerung mit dem außerhalb der Bildebene gelegenen Befund. Die Oberkiefer Aufbissaufnahme (Abb. 3) lokalisierte die Veränderung in Projektion auf den Hartgaumen im Bereich der Nasenhaupthöhle. Eine Beziehung zu den Zahnwurzeln des ersten Quadranten lag nicht vor.

Da die Compliance des Patienten eine Exploration der Nase nicht erlaubte, wurde die Nase in einer kurzen Narkose inspiziert. Hierbei fand sich im unteren rechten Nasengang ein grau-braun imponierender Fremdkörper (Abb. 4). Das Objekt wurde mit einer Häkchensonde entnommen. Mit leichtem Druck ließ sich die harte Kalkschale des Fremdkörpers aufsprengen. Letztlich ergab sich als primärer Fremdkörper eine etwa acht Millimeter durchmessende lackierte Holzperle.

Diskussion

Obwohl eingebrachte Fremdkörper in Ohren, Nase und oberem Respirationstrakt ein häufiges Phänomen sind, stellt diese Patientengruppe eine Seltenheit in der zahnärztlichen Praxis dar. Die Patienten sind meistens zwischen zwei bis acht Jahre alt [Baker, 1987] und werden bei entsprechender Symptomatik wie einseitigem (putridem) Nasenausfluss, Schmerzen, Blutung oder Foetor in einer Notfallambulanz oder direkt beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt vorstellig. Der hier gezeigte Kasus zeigt jedoch, dass bei geringem oder fehlendem Entzündungsreiz ein Fremdkörper über lange Zeit unentdeckt persistieren kann, um letztlich als Zufallsbefund entdeckt zu werden. Nach eingehender erneuter Befragung der Mutter gehen wir im vorliegenden Fall von einer „Liegezeit“ des Fremdkörpers von etwa fünf Jahren aus. In dieser Zeit ist es zu einer vollständigen Mineralisierung des umgebenden Sekretmantels gekommen.

Die fehlende oder unspezifische Symptomatik macht diese Fremdkörper zu einer diagnostischen Herausforderung, wobei mineralisierte Strukturen insbesondere gegen ektope odontogene Tumoren oder auch Osteome der Gesichtsschädelregion abgegrenzt werden müssen. Die Vielfalt der inkorporierten Fremdkörper (Cerealien, Spielzeugteile, Insekten, Batterien und andere) und damit deren Eigenschaften in der Bildgebung ist praktisch unbegrenzt. Daher lässt sich auch durch den Einsatz radiologischer Methoden nicht immer eine eindeutige Zuordnung erreichen. Die größte Gefahr unter der Therapie besteht in einer Luxation des Fremdkörpers in die Tiefe mit der Möglichkeit der konsekutiven Aspiration. [Werman, 1987]. Dieser Aspekt macht, gerade bei Kleinkindern, die sich heftig wehren, oder bei schlechter Erreichbarkeit häufiger eine Kurznarkose notwendig. Gelingt die Bergung beispielsweise mit einem Absaugkatheter nicht spontan, empfiehlt sich die direkte Vorstellung in einer Fachabteilung für MKG Chirurgie oder HNO-Heilkunde. Postoperativ sollte die entsprechende Region auf verbliebene Reste untersucht werden [Davies et al., 2000].

Für die zahnärztliche Praxis soll dieser Fall darauf hinweisen, dass Fremdkörper an den unterschiedlichsten Stelle der Kiefer- Gesichtsregion vorkommen können und gerade bei sehr ungewöhnlichen Befundkonstellationen oder ungewöhnlich geometrischen Röntgenbefunden in Erwägung gezogen werden sollten.

Dr. Maximilian MörgelPrivatdozent Dr. Dr. Martin KunkelPoliklinik für Mund-, Kiefer- undGesichtschirurgie der Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainz

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