Zahntechniker unter Druck

Angriff mit "Schweinehaken"

Auf die Macher der Festzuschüsse ist der Verband Deutscher Zahntechniker- Innungen (VDZI) nicht gut zu sprechen. Ursprünglich mit ein Befürworter der neuen Systematik, beklagt Verbandspräsident Lutz Wolf inzwischen heftige Umsatzrückgänge in den Laboren. Schuld sei das neue System, die Zahnärzte und die Krankenkassen. Ein Auftritt mit schwer wiegenden Folgen: Patienten werden in der Phase eines Systemwechsels zusätzlich verunsichert, bleiben den Praxen fern – und schmälern damit auch die Auftragslage der Zahntechniker.

Insider sehen die Attacken der VDZI-Spitze gegen die Festzuschüsse als bisherigen Höhepunkt einer kumulierenden Krise der gewerblichen Labore. Mit Einführung des neuen Systems im Zahnersatz hat der Gesetzgeber GKV-Versicherten einen breiteren Zugriff auf den zahnmedizinischen Fortschritt ermöglicht, verbaute damit Deutschlands gewerblichen Laboren allerdings eine über die Jahre lieb gewonnene, weil lukrative Nische ihres Schaffens: Die bisher in fast jeder prothetischen Versorgungsindikation bezuschussten Teleskope sind seit Januar auf definierte Befundsituationen beschränkt.

Die Teleskop-Versorgung machte bis Ende 2004 gut sechs Prozent aller Zahnersatz-Fälle aus. Für die Labore waren das aber über 20 Prozent ihres Umsatzes. Was beim zahnärztlichen – ohnehin budgetierten – Honorar mit insgesamt weniger als fünf Prozent zu Buche schlug, schafft jetzt im Zahntechniker-Kontor die empfindliche Lücke. Ein wirtschaftliches Faktum, das vom Gesetzgeber so gewollt ist, dem VDZI augenscheinlich aber ausreicht, gegen das in der Pionierphase befindliche System zu rebellieren. Letztlich, das weiß auch Lutz Wolf, kippte mit der vom Gesetzgeber gewollten Öffnung des fortschrittlichen zahnmedizinischen Leistungsspektrums – Festzuschüsse gelten auch für Implantatversorgungen – ein Umsatzfaktor der Zahntechniker. Deren Verbandsspitze nutzt die bei Einführung neuer Systeme immer bestehende Unsicherheit und Zurückhaltung aller Beteiligten zu Lasten von Patienten und Zahnärzten. Dabei sind die seit Anfang Februar des Jahres vom VDZI verkündeten Umsatzeinbußen von 50 Prozent nur ein Teil der aufgefahrenen Geschütze gegen das System. Die weitgehende Herausnahme der Verbindungselemente aus der GKV-Regelleistung mache für die Zahntechniker ein Umsatzminus von etwa 30 Prozent aus, heißt es beim VDZI. Aber es kommt schlimmer: Von „Tricksereien im Bundesausschuss“ ist die Rede und von „Primitivisierung des Zahnersatzes“.

VDZI-Präsident Wolf scheut nicht einmal davor zurück, Modellgussprothesenversorgungen als flächendeckende Rückkehr zu der „Schweinehaken-Technik aus den 50er Jahren“ zu bezeichnen. Mit allen Mitteln will die VDZI-Spitze die vom Bundesausschuss aus dem Regelleistungskatalog herausgenommenen Verbindungselemente wieder zurückholen, um ihre Pfründe zu retten.

Vorsorge kontra Reparatur

Die Zahnärzteschaft verzeichnet – ganz anders als die Zahntechniker – inzwischen einen Trend Richtung Normalisierung der Fallzahlen von 36 Prozent im Februar auf 12,8 Prozent im April und beruft sich in der Kostenfrage auf die im Bundesausschuss zwischen Krankenkassen und Zahnärzten vereinbarten Festzuschüsse. KZBV, KZVen und – erstmals auf ihrer Seite – auch der Gesetzgeber halten kontinuierlich gegen die Verteuerungsthese und versuchen, der nicht zuletzt durch den Zahntechniker-Dachverband verursachten Verwirrung der Patienten durch kontinuierliche Aufklärung gegenzusteuern. Die Argumentation der Zahnärzteschaft: „Das Festzuschusssystem stellt das Gros der Patienten genauso gut wie zuvor. Fortschrittliche Implantatversorgungen werden für gesetzlich Versicherte sogar günstiger, weil sie dafür erstmalig einen Kassenzuschuss bekommen. Nur einige wenige Versorgungsformen sind für gesetzlich Krankenversicherte tatsächlich teurer geworden, weil man bewusst eine Tendenz zur Überversorgung abbauen wollte“, wird der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz nicht müde zu kontern. Entsprechende Rechenbeispiele sind veröffentlicht, können auch von den Journalisten eingesehen werden.

In der zahnmedizinischen Versorgung ist der Trend zu Implantatversorgungen ohnehin nicht mehr bremsbar. Fedderwitz: „Letztlich wollen die meisten Leute über 50 Jahre heute keinen herausnehmbaren Zahnersatz mehr.“ Auf GKV-Basis ist das aber, so wissen auch Politik und Krankenkassen, nicht mehr bezahlbar. „Die Politik wollte definitiv die Anteile, die für den Zahnersatz angesetzt werden, deutlich minimieren“, weiß der KZBV-Vorstandsvorsitzende aus den Verhandlungen um Bema und Festzuschüsse. Der Auftrag, der Prävention nicht nur zahnmedizinisch, sondern auch per Gesetz den ihr gebührenden Stellenwert einzuräumen, musste sich letztlich auch in der gesamten Finanzierung, damit indirekt auch zu Lasten der Zahntechniker niederschlagen.

Aber politische Intention hin oder her, auf wackeligen Füßen stehen die Versuche der Festzuschuss-Gegner allemal. Auch das jüngst aufgetauchte und via „Stern“ veröffentlichte und der AOK Bayern zugeschriebene Datenmaterial berechtigt nicht zu Vorwürfen gegen das System: Da bis Jahreswende Mehrkosten allenfalls teilweise erfasst werden konnten, mit der neuen Systematik aber erstmals alle Kosten in den Heilund Kosten-Plan einfließen, sei die Basis für die vermeldeten Preisanstiege äußerst fragwürdig. Betrachte man bei der Analyse der Daten das angefallene zahnärztliche Honorar, sei ein ganz anderer Effekt feststellbar. Das Datenmaterial weise das Gegenteil der Vorwürfe aus: Die Honorare der Zahnärzte sind danach eher zurückgegangen.

In Wahrheit ist die heftige Kampagne der VDZI-Spitze wohl nur angesichts der seit Jahren anhaltenden Branchensituation nachvollziehbar: Die laut Verbandsangaben 7 800 zahntechnischen Meisterbetriebe mit insgesamt 69 000 Mitarbeitern (Stand: 2003) kämpfen seit Jahren unter starker, international beeinflusster Konkurrenz. Nicht nur neue Formen prothetischen Arbeitens wie die Implantattechnologie, auch die zunehmende Automatisierung ehemals handwerklicher Arbeiten (Keramik-CAD-CAMSysteme) sowie der inzwischen spürbare, in den kommenden Jahren wohl noch deutlich wachsende internationale Wettbewerb werden die Zahl von Beschäftigten wie Betrieben weiter dezimieren. Das dürfte auch der VDZI-Spitze inzwischen klar sein. Auf Dauer sind die Erfolge der Zahntechniker, die in den vergangenen Jahrzehnten errungen wurden, nicht mehr haltbar.

Eine weitere Schwachstelle: Das Verhältnis der Material- und Laborkosten zum zahnärztlichen Honorar fällt – europaweit einmalig – zugunsten der gewerblichen Labore aus. Lagen die Anteile der Ausgaben der Krankenkassen und der Versicherten für die Material- und Laborkosten 1991 noch bei 55,4 Prozent, machten sie im Jahr 2003 bereits – ein Vorteil für die gewerblichen Betriebe – 60,6 Prozent aus. Der kleinere Teil ging, noch dazu im streng budgetierten System, als Honorar im an die Auftraggeber Zahnärzte. KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer: „Die Relation zwischen Zahntechnik und zahnärztlicher Leistung steht in keinem gesunden Verhältnis zur Gesamtverantwortung des Zahnarztes für die prothetische Versorgung.“ Im benachtbarten Europa sieht das ganz anders aus: „In Deutschland ist der prozentuale Anteil des zahnärztlichen Honorars an den Gesamtkosten in der Regel niedriger als in den anderen Ländern ...“, so das Institut der Deutschen Zahnärzte im Rahmen seines im Jahr 2000 veröffentlichten Euro-Z-Samples.

Auch der immer wieder getätigte Vorwurf, dass die zahnärztlichen Labors den gewerblichen Betrieben das Wasser abgraben, hilft den Zahntechnikern so wenig aus der Strukturkrise, wie er richtig ist. Denn im längerfristigen Vergleich (1984-2003, alte Bundesländer) bewegt sich der Anteil der gewerblichen Labors an den Material- und Laborkosten (Prothetik und Kieferorthopädie zusammen) um 70, der Anteil der praxiseigenen Zahnarztlabors um 30 Prozent.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre in Zahnmedizin und Dentalindustrie macht jedenfalls deutlich, dass Deutschlands Zahntechniker ihre Probleme nicht bewältigen, wenn sie gegen ihre Auftraggeber arbeiten und ständig an alten Strukturen festhalten.

Einen ganz anderen Vorschlag hat da Herbert Stolle, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Zahntechnischer Labore (FVZL), für seine zahntechnischen Kollegen. Zu Zeiten des GKV-Neuordnungsgesetzes hätten „die Tüchtigen im scharfen Wind des Wettbewerbs ihre Preise“ gesenkt. Stolle: „Die Tüchtigen und Fleißigen behaupteten sich auf die natürlichste Weise der Welt und wurden dafür als Unternehmer mit Existenz sichernden Gewinnen belohnt.“ Damals schob Horst Seehofer der wettbewerblichen Freiheit einen Riegel vor.

Inzwischen zeigen sich aber nicht nur Politiker, sondern auch die meisten Krankenkassen überzeugt, dass Festzuschüsse für Gesellschaft und Patienten eine gangbare Alternative zum immer schwerer gestaltbaren Sachleistungssystem sind. KZBV-Chef Fedderwitz: „Letztlich schadet der VDZI mit seiner Verunsicherungskampagne nicht nur Patienten und Gesellschaft, sondern auch Zahnärzten und ihren Auftragnehmern, den gewerblichen Laboren.“ 

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