Klausurtagung der Bundeszahnärztekammer in Münster

Gesundheitspolitik als Zukunftspolitik

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Eine Fülle von Themen stand auf der Agenda des Vorstandes der Bundeszahnärztekammer anlässlich seiner Klausurtagung am 10. und 11. Juni in Münster. Im Mittelpunkt: Der gesundheitspolitische Forderungskatalog der BZÄK, Evidenzbasierung in der Zahnmedizin und die Positionierung zu Praxisbegehungen und Hygiene.

Gesundheitspolitik ist Zukunftspolitik – getreu diesem Motto standen bei den Beratungen im Bundesvorstand der BZÄK anlässlich seiner Klausurtagung in Münster zukunftsweisende, den Zahnarzt und sein Umfeld betreffende Themen auf dem Programm.

„Wir wollen der Politik frühzeitig vermitteln, welche Grundsätze und Forderungen die Zahnärzteschaft in Deutschland vertritt“, erklärte BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp im Hinblick auf die geplanten Bundestagswahlen. Der Vorstand hatte zu diesem Zweck einen „Gesundheitspolitischen Forderungskatalog“ aufgestellt, in dem der Ruf nach angemessenen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen zur Sicherung der präventiven Erfolge sowie die Weiterentwicklung des zahnmedizinischen Fachgebiets zum Wohle der Patienten aufgestellt wurden. Dazu formulierten die Vorstandsmitglieder zwölf Grundsätze, die gleichzeitig auch die gesundheitlichen Programme der Parteien im Hinblick auf die Zukunft des Berufsstandes abklopfen sollen. Die zwölf Forderungen betreffen im Einzelnen folgende Bereiche:

• die ordnungspolitische Neuorientierung

• die Stärkung von Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung

• die Stärkung von Wissenschaft und Forschung

• die Förderung von Qualität

• die Ablehnung einer so genannten Bürgerversicherung

• befundorientierte Festzuschüsse und Kostenerstattung für den gesamten Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

• keine Fortsetzung der Budgetierung

• den Erhalt von freier Arztwahl und Patientenautonomie

• freiberuflichen Wettbewerb statt Einkaufsmonopole

• die Abschaffung der Altersbegrenzung für Vertragszahnärzte

• den Abbau von Überbürokratisierung

• eine leistungsgerechte Honorierung und zukunftsorientierte Leistungsbeschreibung.

Transparenz zur Evidenzbasierung

Ein großer Tagungskomplex widmete sich dem Thema „Evidenzbasierung in der Zahnmedizin“. Es gehe darum, in der Kollegenschaft Verständnis für dieses Thema zu wecken, betonte Weitkamp in seiner Einführung. Evidenzbasierte Medizin (EbM) und Zahnmedizin (EbD) stellten keine neuen Wissenschaften dar, sondern böten eine neue Systematik, um vorhandene Wissensbestände einer kritischen und qualitätsorientierten Wertung zu unterziehen.

„Nicht nur aus der gesundheitspolitischen, sondern auch aus der forschungspolitischen Landschaft sind EbM und EbD nicht mehr wegzudenken“, erklärte BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich. Zum einen gehe es um den Wissenstransfer für den Berufsstand, zum anderen um die Platzierung der Versorgungsforschung im internationalen Kontext. Hier habe Deutschland noch deutlichen Nachholbedarf.

Im Mittelpunkt des Themenblocks stand das Referat von Prof. Dr. Peter Sawicki, Leiter des Institus für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Sawicki stellte Strukturen, Funktionsweise und Ziele seines Instituts dar. Die Diskussionen machten deutlich, dass es einige Schnittstellen zwischen den zahnärztlichen Organisationen und dem IQWIG gibt, wobei Sawicki die wissenschaftliche Basierung und Unabhängigkeit seiner Arbeit betonte. Das Ziel, gegenseitiges Verständnis für die Arbeit und Positionen von IQWIG und Zahnärzteschaft zu vermitteln, wurde erreicht und ein konstruktiver Dialog wird weitergeführt.

Nicht zuletzt hatten drei hoch qualifizierte Fachvorträge dazu beigetragen, Sawicki die Besonderheiten und den Entwicklungsstand evidenzbasierter Zahnmedizin nahezubringen. Prof. Dr. Elmar Hellwig, Freiburg, referierte zum Thema „Evidenzbeschaffung in der präventiven Zahnmedizin: Erreichtes und Forschungsdesiderate“. Er ging unter anderem auf die Erfahrungen mit Leitlinienentwicklungen und weitere Bedarfe in der Forschung ein. Sein Fazit: „Wir brauchen eine vernünftige Versorgungsforschung als Entscheidungsgrundlage für eine langfristige Gesundheitspolitik.“

PD Dr. Jens Türp, Basel, stellte ausführlich Suchstrategien und internationale Vernetzungen zur Evidenzbeschaffung in der Zahnmedizin dar. Er beschrieb die Aktivitäten der Cochrane-Gesellschaft national wie international und ging auf nationale wie internationale EbD-Publikationen, Netzwerke und Einrichtungen ein. Seiner Ansicht nach weiche die in Deutschland tief verankerte Skepsis gegenüber dem Thema allmählich einem sich stärker abzeichnenden Paradigmenwechsel.

Wie stark das Feld tatsächlich schon besetzt ist, zeigte Dr. Peter Boehme, Bremen, auf und verwies auf die Agenda Qualitätsförderung von BZÄK und KZBV. Der fachpolitische Stellenwert bestehe darin, das Thema auf den Versorgungsalltag herunterzubrechen. Dies sei eine wichtige Zukunftsaufgabe. Boehme wörtlich: „Gute Ärzte brauchen beides: klinische Erfahrung und externe Evidenz.“

Sachgerechte Hygiene-Maßstäbe

Intensiv berieten die Vorstandsmitglieder über den aktuellen Themenkomplex Praxisbegehungen, Medizinproduktegesetz und ambulantes Operieren. Wichtig war hier, Transparenz in das Geschehen zu bringen. Präsident Weitkamp betonte, dass die größten Gegner in diesem Bereich nicht außerhalb des Berufsstandes, sondern innerhalb anzutreffen seien. Vom Vorstand wurde stark kritisiert, dass Anbieter von Dienstleistungen mit erheblichen finanziellen Interessen Zugang zu Behörden fänden und dort ihren für die Zahnärzteschaft negativen Einfluss geltend machten.

Auf der Grundlage von zwei hervorragenden Fachvorträgen von Prof. Dr. Jürgen Becker, Düsseldorf, und Dr. Dieter Buhtz, Berlin, wurden Möglichkeiten für ein sachgerechtes Vorgehen zur Unterstützung der betroffenen Praxen und der weiteren Vorgehensweise erörtert.

Besonders im Bereich der Zahnmedizin, so wurde deutlich, sei durch das Engagement der Kammern (Aufbereitung von Unterlagen wie Hygieneplan, DAHZ-Leitfaden, Praxishandbücher) bereits fachlich kompetente Vorarbeit geleistet worden. Um die auch in anderen Kammerbereichen demnächst zu erwartenden Praxisbegehungen in vernünftige Bahnen zu lenken, wurde folgendes Vorgehen vereinbart:

• Mithilfe des BZÄK-Fachausschusses für Zahnärztliche Berufsausübung (ZÄBA) soll die fast fertig gestellte Überarbeitung des Hygieneplans der Bundeszahnärztekammer den Zahnärzten baldmöglichst zur Verfügung gestellt werden.

• Die Praxishygiene soll innerhalb der Ausbildung der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) eine neue Gewichtung erfahren.

Auf Basis des Hygieneplans der Bundeszahnärztekammer soll der Dialog mit den zuständigen Landesbehörden gesucht werden. Einigkeit herrschte im Vorstand darüber, dass das Thema Hygiene eine sachgerechte, risikoorientierte und seriöse Beratung erfordere. Panikmache von Seiten Dritter sei absolut abträglich und werde dem eigentlichen Ziel des Patientenschutzes nicht gerecht. Deshalb seien die Landesbehörden aufgefordert, die fachliche Kompetenz der Kammern im gemeinsamen Dialog zu nutzen. pr

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