Leitartikel

Nur mit dem Säbel gerasselt?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

eins hat die Erfahrung der letzten Zeit gelehrt: Liegen sich Deutschlands Politiker in den Armen, wird es für die Bürger bitter. Kaum sind die Regierungs-Verhandlungen beendet, präsentieren sich die Gegner im Schulterschluss, suggerieren Stärke. Die Zeichen einer Koalition: Man küsst sich (noch) nicht, aber man duzt sich schon.

Für die Bevölkerung gibt es – nichts anderes ist aus den Vereinbarungen zwischen SPD und CDU/CSU herauszulesen – einen Dämpfer nach dem anderen. Wer etwaige Hoffnungen auf wegweisende Lösungen hatte, wurde schier enttäuscht. Was das angeht, ist der Vertrag tatsächlich nur die Maus, die ein noch auf wackeligen Füßen taumelnder Koalitionselefant geboren hat.

Die Zahnärzteschaft muss ihren Blick auf das jetzt bekannt gewordene „Kleinste Gemeinsame Vielfache“ schärfen. Denn das rotschwarze Paket birgt äußerst unliebsame Überraschungen:

• Da ist der Versuch, für bestimmte Privatpatientengruppen eine Behandlungspflicht zu zudem noch staatlich abgesenkten fixen Gebührensätzen einzuführen. Das verstößt zwar gegen unsere Verfassung, aber wer will unseren Politikern schon abverlangen, immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumzulaufen. Und wer die Chuzpe hat, den nächsten Haushalt nonchalant öffentlich als nicht verfassungskonform zu erklären, aber dennoch durchziehen zu wollen, der wird doch bei einem so vergleichsweise „kleinen“ Thema keine Skrupel bekommen. Mag auch Angela Merkel ob Ulla Schmidts Vorpreschen „befremdet“ reagieren, die Gefahr, dass sich die CDU/CSU hier übertölpeln lässt, ist nicht aus der Welt. Zumal manche dieser abstrusen Ideen in einem CDU-geführten Landesministerium ausbaldowert wurden. Die dort sitzenden Beamten verbreiten doch zielgerichtet: Die Finanz- und damit die Beihilfekassen sind leer, aber man selbst will nichts dazubezahlen. Also runter mit den GOZ-Sätzen. So einfach (und aus deren Sicht konsequent) ist das! Ulla Schmidt und Tausendsassa Lauterbach können sich freuen. Jede Hilfe zur Einheitsversicherung ist willkommen.

• Da sind die Fallpauschalen. Bisher nur in der stationären Versorgung qualitative und pekuniäre Nivellierer, sollen sie künftig auch den ambulanten Bereich erfassen. Blinddarm ist Blinddarm, Zahn ist Zahn? Was für ein Widerspruch zum Ruf nach Qualität und individueller Behandlung unserer Patienten.

• Da ist Teil der Koalitionsvereinbarung, die Festzuschüsse zu überprüfen. Wohin das führen wird, ist noch unklar. Vernunft bleibt hier oberstes Gebot. Die validierten Zahlen sprechen eindeutig für das neue System. Die Kassen werden trotzdem versuchen, die Politik zur Rolle rückwärts zu bewegen. Das Absurde dabei: Die Kassen gewinnen – außer Macht – nichts. Für Patienten wie Zahnärzte steht aber einiges an Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit und Versorgungsqualität auf dem Spiel. Insgesamt wird deutlich, dass das Vertragswerk die wirklichen gesundheitspolitischen Probleme gar nicht angeht und – ähnlich wie das GKV-Modernisierungsgesetz – trotzdem Wunden schlägt. Die sind nachweislich sozialdemokratischen Ursprungs. Wer sich Angela Merkel als Deutschlands „eiserne Lady“ wünschte, kann inzwischen kaum noch übersehen, dass sie im Gesundheitsministerium ein stahlhartes Pendant hat. Ulla Schmidt reklamiert für sich „die Nervenstärke“, die Lobbyisten auszuhalten. Ihre Absicht, keinen von uns „seinen Fuß in die Türen der Politik“ setzen zu lassen, bis das Ziel von „Fusionen und echter Kostendämpfung“ erreicht ist, zeigt aber, dass man vor allem eines fürchtet: sachliche Auseinandersetzungen mit Fachleuten.

Ihr Säbelgerassel, „endlich einmal ohne diese ganzen Lobbyisten zu diskutieren und zu planen“, ist nicht neu, aber extrem populistisch, zudem Teil einer Strategie, der künftigen Kanzlerin das unterzujubeln, was die SPD-Linke unter Sozialpolitik versteht. Ins Fäustchen lachen dürften sich dabei diejenigen, die über den linken Rand der SPD zu PDS/Neue Linke abgesprungen sind. Was sie unter der alten Regierung vermisst haben, stielt Ulla Schmidt jetzt für sie ein.

Die CDU/CSU ist indes froh, das bisherige Gerangel um die große Koalition überstanden zu haben. Und groß sind die Ängste in den christlichen Reihen, dass ihnen die Attribute „demokratisch und sozial“ vom eigenen Regierungspartner stibitzt und vom Volk dann aberkannt werden. Schon deshalb werden wir uns darauf einstellen müssen, dass ein künftig für Verbraucherschutz zuständiger Horst Seehofer auch in unserem Terrain mitreden will.

Was sich da andeutet, kann keiner von uns akzeptieren. Die Zeichen stehen auf Sturm. Nicht im Wasserglas.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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