Gastkommentar

Der Staat macht Kasse

pr
In der Abgabenpolitik steht ein Paradigmenwechsel bevor. Wurde in den Jahren zuvor über die Entlastung der Unternehmen und der Bürger gestritten, so geht es jetzt um die Mehrbelastung der privaten Einkommen, auch um Unternehmen entlasten zu können.

Walter Kannengießer
Sozialpolitik-Journalist

Über die Erhöhung der Mehrwert- und Versicherungssteuer, die Einführung der „Reichensteuer“, eines „Gesundheits-Soli“ und anderer Steuerkorrekturen mit belastender Wirkung muss bald entschieden werden. Das Mehraufkommen könnte sich, mit Zeitverzug, auf jährlich vierzig Milliarden Euro summieren. Die große Koalition will die Steuerentlastungen der letzten Jahre, durch die Gewinne sowie hohe und niedrige Einkommen begünstigt wurden, durch die Erhöhung anderer Steuern kompensieren. Zur Begründung wird wieder einmal der „arme“ Staat bemüht; Umverteilung wird als solidarisch und gerecht kaschiert.

Wenn die Steuereinnahmen nicht reichen, so liegt dies an der Schuldenpolitik der letzten dreißig Jahre, an der hohen Arbeitslosigkeit, den defizitären Sozialetats und nicht zuletzt an dem schwachen wirtschaftlichen Wachstum der letzten Jahre. Das alles hängt miteinander zusammen. Der Staat ist nicht arm, aber das finanzielle Erbe der Vergangenheit lähmt die Wachstumskräfte. Die Politik muss daher alles tun, was wirtschaftliches Wachstum fördert; sie hat alles zu unterlassen, was es bremst. Aus der Schuldenfalle kann sich der Staat jedenfalls nicht mit der Erhöhung von Steuern befreien. So geht die Mehrwertsteuer in die Preise ein und mindert den Konsum, oder sie geht zu Lasten der Gewinne und damit der Investitionen. Der Aufschwung könnte schon 2007 wieder enden.

Die Unternehmen sollen entlastet werden. Das muss sein, um den deutschen Standort besser im globalen Wettbewerb zu positionieren. Die Gewinne sollen künftig nicht höher als mit dreißig (bisher knapp vierzig) Prozent besteuert werden. Davon sollen alle Unternehmen profitieren, also auch Personengesellschaften. Gewerbliche Einkommen würden relativ niedrig, private Einkommen erheblich höher belastet. In der Vergangenheit galt der Grundsatz, alle Einkommen und Gewinne möglichst gleichmäßig zu besteuern. Das wird nicht durchzuhalten sein. Gegen das „duale Modell“ spricht jedoch, dass sich die Politik nicht mehr gehindert sieht, der Minderheit der „Besserverdienenden“ immer tiefer in die Taschen zu greifen. Die Reichensteuer wird nur der Anfang sein. Für die Freien Berufe stellt sich daher mit neuer Dringlichkeit die Frage, ob ihre Einkünfte aus der beruflichen Tätigkeit wie gewerbliche oder wie private Einkommen behandelt und damit höher besteuert werden. Der Finanzminister will die Einnahmen Selbständiger, um die Steuer verfassungsfest zu machen, nicht zusätzlich belasten. Ob das auch für Freiberufler gilt, bleibt abzuwarten. Die Reichensteuer wird jetzt nur noch 127 Millionen Euro zusätzlich bringen. Steuerpolitik degeneriert so zur Alibi- Veranstaltung.

Die Krankenversicherung der Kinder, so wird erwogen, soll über einen Gesundheits-Soli von acht Prozent der Steuerschuld finanziert werden. Beiträge und Steuern sollen in einen zentralen Gesundheitsfonds fließen. Die Steuereinnahmen müsste der Bund jedoch jeweils in seinem Etat verbuchen. Er kann sie weiterleiten, aber auch behalten. Derzeit bietet der Bund ein Lehrstück seiner Verlässlichkeit. 2006 überweist er für die Versicherung der Kinder 4,2 Milliarden Euro an die Krankenkassen. Diese Zuschüsse werden bis 2008 gestrichen. Dann kommt der Soli, oder die Versicherten müssen zahlen.

Der Gesundheitsfonds lässt sich nur als staatliche Instanz organisieren. Wer das Geld kassiert und verteilt, hat das Sagen. Mit dem Fonds würden die Weichen in Richtung Staatsmedizin und Einheitsversicherung gestellt. Die Finanzierung prägt das System.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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