Gastkommentar

Auf dem Weg zur Einheitskasse

Die „Eckpunkte“ zur Gesundheitsreform sind auf Kritik gestoßen. Zu Recht, auch weil mit einer Reihe von Vorschlägen der Weg zur staatlich gelenkten Einheitskasse geöffnet wird.

Walter Kannengießer
Sozialpolitik-Journalist

Die rot-schwarze Koalition gibt vor, den Wettbewerb im Gesundheitswesen stärken zu wollen. Davon ist in dem Konsens-Papier wenig zu finden. Wer die Eckpunkte kritisch analysiert, der kommt zu einem anderen Ergebnis. Ziel der Politik ist die staatlich gesteuerte und regulierte Einheitsversicherung. Was in einer langen Nacht als „Kompromiss“ vereinbart wurde, wird seine Eigendynamik entfalten.

Wettbewerb entwickelt sich nur in dezentralen Strukturen, nicht in zentralistisch organisierten Institutionen und Organisationen. Im Mittelpunkt des Reformkonzepts steht der zentrale Gesundheitsfonds. Er kassiert die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Was der Staat an Zuschüssen gewährt, fließt ebenfalls in den Fonds. Da geht es zunächst um kleinere Beträge; sie sollen schrittweise angehoben werden. Über diese Mittel aus dem Bundesetat hat Jahr für Jahr das Parlament zu entscheiden. Einen gesicherten Anspruch des Fonds an den Bund gibt es also nicht.

Der Fonds kann faktisch und rechtlich nur in der Regie des Staates geführt werden. Über die Höhe der Beitragssätze entscheidet nicht mehr die Selbstverwaltung jeder einzelnen Kasse, sondern der Gesetzgeber. Die Politik bestimmt also über die finanzielle Ausstattung des Fonds und damit auch über die Höhe der pauschalen Zuweisungen an die Kassen. Wenn der Bund sparen muss, kann er seine Zuschüsse kürzen oder streichen. Wenn die Kassen dann ins Minus geraten, kann der Gesetzgeber den einheitlichen Beitragssatz erhöhen oder die Kassen dazu zwingen, ihre kassenindividuellen Defizite über Prämien oder Leistungskürzungen auszugleichen. Der Fonds wird so zum Instrument des Staates, die Gesundheitspolitik zu steuern.

Ministerin Schmidt will die Zahl der Krankenkassen weiter verringern, obwohl der Konzentrationsprozess schon weit vorangekommen ist. Sie will das System der Kassenarten durch Kassenfusionen überwinden. Auch denkt sie an Mindestgrößen für Kassen. Dann gäbe es bald nur noch AOKs und Ersatzkassen. Dabei ist der bürokratische Aufwand bei den Mammutkassen oft höher als bei kleineren und flexiblen Einheiten. Wer den Wettbewerb im System verstärken will, kann nicht gleichzeitig dessen zentralistische Strukturen ausbauen.

Die Verbände der Kassenarten sollen auf Bundesebene einen Spitzenverband bilden. Dessen Beschlüsse sollen für alle Kassen verbindlich sein. Dieser Verband soll zunächst nur Aufgaben erhalten, die den Wettbewerb der Kassen untereinander nicht stören. Der Spitzenverband gleiche damit einem zahnlosen Tiger. Ein solcher Verband würde sich, wenn er erst einmal existierte, zusätzliche Kompetenzen suchen und diese auch erhalten. Ihm fiele, zumindest auf mittlere Sicht, die Aufgabe zu, Kassenarten und Kassen auf eine einheitliche, der Politik genehme Linie zu bringen.

Die Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses sollen mit „Hauptamtlichen“ besetzt werden, die nur befristete Verträge erhalten. Die Verbände haben ein Vorschlagsrecht, es bleibt aber offen, wer sie beruft. An Weisungen ihrer Verbände sollen die „Hauptberuflichen“ nicht gebunden sein. Offensichtlich soll dieses wichtigste Gremium der Selbstverwaltung an die kurze Leine des Ministeriums gelegt werden.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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