Betriebserlaubnis für DocMorris umstritten

Direkter Umweg zum Ziel

Anfang Juli kaufte die niederländische Aktiengesellschaft DocMorris eine Apotheke in Saarbrücken, stellte die bisherige Inhaberin ein und eröffnete ihre erste Niederlassung in Deutschland. Ein Vorgang, der bei Juristen, Politikern und Apothekern heftigste Kritik auslöste, aus unterschiedlichen Gründen.

Möglich wurde der Start für DocMorris erste deutsche Präsenzapotheke, weil der saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) mit der Betriebserlaubnis deutsches Recht ignorierte, laut dem nur freiberufliche Apotheker eine Apotheke führen dürfen. So zumindest die Gegner seiner Entscheidung. Hecken berief sich nämlich darauf, dass das Europäische Recht Anwendungsvorrang vor dem deutschen habe. Seine Amtskollegen in Hamburg und Nordrhein-Westfalen hatten zuvor das Ansinnen der Aktiengesellschaft (AG) abgelehnt, ebenso sprachen Baden-Württemberg und Bayern ein Veto für eine AG als Betreiber aus.

Mit Netz und Kette

Eine Saarbrücker Apothekerin blieb erfolglos mit ihrem Eilantrag beim Landgericht gegen die unliebsame Nachbar-Konkurrenz: Es lägen keine unlauteren Wettbewerbsvorteile für die Versandapotheke vor, beschieden die Richter.

Auf einen Erfolg ihrer eigenen Klage vor dem Verwaltungsgericht in Saarlouis (Az.: 1 K 66/06 Klage, Az.: 1 F 32/06 Eilverfahren) hoffen jetzt die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker (ABDA) und die dortige Apothekerkammer. Die ABDA sieht durch Apotheken-Ketten zum einen das Prinzip des Heilberuflers gefährdet, wenn dieser zum Arzneikaufmann mutiere. Zum anderen würden Risiken für die Patienten am ehesten minimiert, wenn als Betreiber ein Apotheker voll verantwortlich sei. Die Befürworter der Hecken-Erlaubnis sehen finanziellen Dauernutzen für die Patienten durch verschärften Preis-Wettbewerb. Hecken spricht von zwei Milliarden Euro. Ähnlich Gerd Glaeske. Der Professor für Gesundheitspolitik in Bremen plädiert für die Integration bestimmter Arzneimittel-Anbieter in Versorgungsnetze der Kassen und je nach Kassentarif die entsprechende Fixierung des Patienten sozusagen an eine Haus-Apotheke. Einer konkreten Bewerbung einzelner Versandapotheken durch Krankenkassen schob das Frankfurter Sozialgericht jedoch mit einem aktuellen Urteil jetzt einen Riegel vor, das der Präsident der Berliner Zahnärztekammer Dr. Wolfgang Schmiedel als „Stopp-Signal“ des Spartriebes begrüßte: „Das Gericht hat entschieden, dass Krankenkassen ihre Mitglieder nicht bei der Wahl der Versorgung … beeinflussen dürfen, nur weil die Kasse dadurch Kosten spart.“

Freiheit, die ich meine

Zur aktuellen Situation: 21 500 Apotheken gibt es in Deutschland. Sofern eine reale Apotheke als Stammhaus fungiert, ist Versandhandel erlaubt. Seit 2004 dürfen approbierte Apotheker als Heilberufler bis zu drei Filialen betreiben. Juristischen Personen untersagt das deutsche Recht den Besitz von Apotheken nach wie vor, Stichwort „Fremdbesitzverbot”. Das Europäische Recht dagegen gebietet Niederlassungsfreiheit. Diese EU-Freiheit gelte unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens, meint Doc-Morris. Und sieht schon das Logistik-Zentrum auf der grünen Wiese wachsen.

Das Dilemma: Sollten die saarländischen Verwaltungsrichter Heckens Auslegung teilen, dass das deutsche Fremdbesitzverbot wider geltendes EU-Recht EU-Mitbewerber vom inländischen Markt ausschließe, und ergo die Betriebserlaubnis für rechtens erklären, so bliebe inländischen Unternehmen diese Möglichkeit weiterhin verwehrt, da für sie deutsches Recht gilt. „Es ist doch ganz klar, dass der Gesetzgeber einer solchen Inländerdiskriminierung nicht mehr tatenlos zusehen könnte”, erklärte Hecken vor der Presse sein Ziel, den Gesetzgeber zu einer Gesetzänderung zu „bewegen” und das deutsche Apothekenrecht zu deregulieren. Mit seinem Übergriff der Exekutive über die Legislative habe Hecken den regulären Weg verlassen, kritisieren Juristen schärfstens. Er gibt selbst zu: Bisher „habe es keine Behörde gewagt, nationales Recht bei einem hoheitlichen Akt mit der Begründung zu verwerfen, es widerspreche höherrangigem EURecht”, statt abzulehnen und auf den Rechtsweg zu verweisen. Den Weg über den Bundestag scheute der Unionspolitiker übrigens, weil er sein Ansinnen in der zuständigen Arbeitsgruppe als nicht mehrheitsfähig einschätzte.

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