Die Macht des www

Rufmord im Internet...

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... klingt wie der Titel eines Lokalkrimis oder eines blutigen Streifens von einem Privatsender. Doch es ist Realität: Längst hat die Macht des Internets die Zahnarzt-Community und ihr Umfeld erfasst. Manche öffentliche Kritik muss ein Zahnarzt hinnehmen, gegen Diffamierung darf er unter Beachtung standesrechtlicher Verpflichtungen vorgehen.

Im Arbeitsalltag des Zahnarztes spielen Rechtsprobleme durch das World-Wide-Web (www) zwar noch eine untergeordnete Rolle, von der Suche nach einschlägigen Amtsgerichtsentscheidungen zu einzelnen GOZPositionen einmal abgesehen. Doch immer öfter berichten Zahnärzte über Internet-Einträge Dritter, die die Intimität des Arzt-Patientenverhältnisses an die Öffentlichkeit zerren. Der Zahnarzt hingegen ist gemäß Berufsrecht und Zahnarztvertrag an das Arztgeheimnis gebunden. Das hindert ihn, im Netz unter Bezugnahme auf die Patientendaten zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen aus zahnmedizinischer Sicht detailliert Stellung zu nehmen.

Web-Seiten unter der Bezeichnung „Ärztepfusch“ oder Internetforen zu „Falschabrechnung“, auch PKV-Schreiben zur fehlenden medizinischen Indikation eines eingereichten HKP bis hin zur namentlichen Anprangerung eines angeblichen „Falschabrechners“ oder „Körperverletzers“ – alles findet sich im Internet. Urheber dieser Verlautbarungen sind nicht alleine mit der Behandlung und ihrer Abrechnung unzufriedene Patienten, sondern auch für PKVen tätige Beratungszahnärzte oder sonst im Umfeld der Zahnmedizin gut positionierte Meinungsbildner.

Ein Tiefschlag mit hoher Reichweite

Kritische bis diffamierende Äußerungen im Internet treffen besonders tief, weil sie mediumbedingt dauerhaft, international verbreitet und in ihrer Reichweite weder steuernoch erkennbar sind. Betroffene befürchten oft, durch juristische Gegenwehr noch mehr zum Gegenstand der Darstellung zu werden.

Selbst eine Gegendarstellung oder ein Widerruf zwecks Ehrenschutz könne, so die Befürchtung, kontraproduktiv sein. Zuweilen kann der Versuch, den Anspruch auf Achtung der Persönlichkeit durchzusetzen, im Ergebnis tatsächlich zu einer besonders weitgehenden Ächtung der Persönlichkeitsrechte führen. Doch oft macht Gegenwehr Sinn.

Ein von Diffamierung betroffener Zahnarzt kann eine Unterlassung der Äußerung juristisch beanspruchen, sofern falsche Tatsachen behauptet wurden. Oder er muss dafür darlegen, dass die betreffende Äußerung über ein übliches, im Rahmen der Meinungsfreiheit des Patienten/Beratungszahnarztes regelmäßig geschütztes und damit hinzunehmendes Werturteil hinausgeht (überzogene Schmähkritik).

Dennoch sind Zweifel an der raschen Erwirkung einer Untersagungsverfügung berechtigt. Denn ob eine Behandlungsplanung als vertretbar anzusehen, eine GOZ-Position gerechtfertigt oder ein Behandlungsfehler gegeben ist, dürfte sich überwiegend im Bereich der individuellen Wertung abspielen, die eben nicht durch gerichtliche Beweiserhebungen verifiziert werden kann. Kann die angegriffene Äußerung als Tatsachenbehauptung gewertet werden, ist eine Beweiserhebung zur Richtigkeit ihres Inhaltes möglich. Nur wenn die Äußerung außerdem die Rechtsposition des Zahnarztes verletzt, hat er mit seinem Veto Aussicht auf Erfolg.

Verstoß gegen die guten Sitten

Grundsätzlich ist die Rechtsprechung von dem Bemühen geprägt, dem Publikationsopfer zu helfen. Greifbar unberechtigten Vorwürfen zu Behandlungsfehlern eines anderen, sei es der Patienten oder der PKV, kann der Arzt mit der Widerklage auf Widerruf dieser Behauptungen begegnen, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 1 BvR 2194/02). Übernimmt die PKV etwa falsche Tatsachenbehauptungen ihres externen Beratungszahnarztes in ihre Ablehnungsschreiben an den Patienten, ist sie verpflichtet, die Identität des Urhebers preiszugeben, damit der Zahnarzt gegen diesen aus eigenem Recht unmittelbar vorgehen kann, urteilte das Landgericht (LG) Köln am 9. Februar 2006 (Az.: 8 O 24/05).

Der Aufruf eines Patienten in Internet oder Presse, ihm über Behandlungsfehler eines bestimmten Zahnarztes oder einer bestimmten Klinik zu berichten, ist regelmäßig sittenwidrig und damit zu unterlassen, beschied das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, (Beschluss vom 22. Dezember 1977, Az.: 4 W 19/77).

Effektive Gegenwehr

Als effektive Gegenwehr hat sich erwiesen, den Provider einer Homepage oder den Forenbetreiber auf den rechtswidrigen Inhalt hinzuweisen und abzumahnen. Denn ab diesem Zeitpunkt hat er Kenntnis von dem fortbestehenden Rechtsverstoß und haftet unter Umständen für den Verstoß. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Teledienstegesetzes trifft ihn keine Pflicht, die eingestellten Inhalte zu überwachen, wohl aber rechtswidrige Inhalte zu entfernen, sofern er auf diese hingewiesen worden ist. Die Löschung der Inhalte oder Forenbeiträge ist regelmäßig ohne Weiteres zügig möglich.

Abwägung der Interessen

Im Einzelfall kann eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des inkriminierten Behandlers und den Belangen des Patienten, der PKVen und der öffentlichen Körperschaften eine Rolle spielen. Zugunsten des Achtungsanspruches des Zahnarztes fällt dabei ins Gewicht, dass das Medium des Internets anders als etwa Printmedien eine permanente und globale Rechtsverletzung bewirkt; eine Schadenskompensation im Sinne eines Widerrufes etwa in der nachfolgenden Ausgabe wird ergo die beim Erstschlag desinformierten User nicht gleichermaßen sicher erreichen. Ebensowenig kann sich ein Zahnarzt als (fälschlich) Beschuldigter in diesem Medium adäquat verteidigen, da er nicht befugt ist, anhand von Patientendaten zu eventuellen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Das Interesse an sachgerechter Information überwiegt in der Regel, wenn etwa durch Ranking-Listen einzelne Praxen herausgestellt werden oder im Rahmen der Selbstdarstellung einzelne Kliniken darauf hinweisen, wie häufig sie bestimmte Operationen (erfolgreich) durchführen. Diese Informationen greifen laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) regelmäßig nicht aktiv in die Rechtssphäre des nicht oder nur nachrangig genannten Zahnarztes ein; vielmehr steht hier die wettbewerbsrechtliche Frage nach Berücksichtigung in dem Ranking-Verfahren und seiner sachgerechten Durchführung (Beschluss vom 1. August 2002, 1 BvR 580/02) im Vordergrund. Anders als beim Printmedium gibt es für Verlautbarungen im Internet keinen Pressekodex. Dieser besagt in Artikel 14 zum Schutze des Arzt-Patienten-Verhältnisses, dass besonderer Bedacht darauf zu nehmen ist, wie eine negative Berichterstattung über einen Behandler oder ein spezielles Behandlungskonzept auf die anderen Patienten dieses Arztes oder auf Anwender dieses Konzeptes wirken wird. Von diesem Gebot der zurückhaltenden Berichterstattung ist de facto in der Praxis wenig übrig geblieben, die Beschwerde an den Deutschen Presserat ein stumpfes Schwert.

Öffentliches Wort des Sachverständigen

Wie steht es um den Schutz des zahnärztlichen Sachverständigen, der regelmäßig entweder als niedergelassener Zahnarzt tätig ist oder aber als forschender Wissenschaftler nur gelegentlich durch gerichtlichen Auftrag mit einem Gutachten betraut wird? Patientenverbände fordern die Publizität von Inhalt, Anlass und Häufigkeit von Behandlungsbegutachtungen, um einerseits die schwarzen von den weißen Schafen leichter unterscheiden zu können und sich andererseits den Zugriff auf typisierende Behandlungsfehlergruppen zu erleichtern.

Zahnärztliche Berufsorganisationen fordern im Sinne der Qualitätssicherung sowohl Anzahl, als auch Salär und Auftraggeberstruktur bei Gutachten – insbesondere für PKVen – zu publizieren, um ausfindig machen zu können, wer bevorzugt eigenen Kollegen ein Auge aushackt. Für eine Publizierung oder Archivierung kann das Interesse daran sprechen, Verflechtungen des Sachverständigen aufzudecken, die möglicherweise zu tendenziösen oder falschen Gutachten führen.

Gegen eine Publizierung spricht der seitens der Gutachter oft reklamierte Urheberrechtsschutz an dem Gutachten, der durch ihre namentliche Erwähnung jedoch maximal tangiert würde. Ausschlaggebend gegen eine Veröffentlichung spricht jedoch wohl, dass die Patientendaten nicht gesichert wären und es unter Umständen sogar zu einer nicht mehr steuerbaren Kommerzialisierung dieser Daten kommen könnte.

Dr. med. dent. Andreas FinkGoethe Straße 2041372 Niederkrüchten

Michael ZachFachanwalt für MedizinrechtEickener Straße 8341061 Mönchengladbachinfo@rechtsanwalt-zach.de

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