Neueste Zahlen zur GKV-Finanzentwicklung

Das Polster wird dünner

Das Finanzpolster der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schrumpft. Betrug der Überschuss Mitte 2005 noch eine Milliarde Euro, sackte er bis zum Ende des dritten Quartals auf 882 Millionen Euro ab. Dennoch ist Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt optimistisch. Muss sie auch sein: Das Gesetz schreibt vor, die Kassen bis Ende 2007 zu entschulden.

Insgesamt 882 Millionen Euro mehr erwirtschafteten die Kassen vom 1. Januar bis 30. September 2005, davon entfielen 309 Millionen auf den Westen und rund 573 Millionen auf den Osten. Nach den ersten neun Monaten 2004 hatte das Plus noch bei 2,64 Milliarden Euro gelegen.

Gleichwohl bewertet Schmidt die Entwicklung positiv. „Die gesetzliche Krankenversicherung wird auch im gesamten Jahr 2005 einen Überschuss erzielen, der weit über dem Ergebnis des dritten Quartals liegt“, sagt sie und gibt sich zuversichtlich, dass die GKV dadurch noch Ende 2005 ihre Schulden abbauen könne – auch wenn sich die Finanzlage je nach Kasse unterscheide. Trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen werde die GKV auch 2006 keine roten Zahlen schreiben, ist Schmidt überzeugt. Die bis Ende 2007 gesetzlich vorgeschriebene Entschuldung sei schließlich wesentlich schneller vorangeschritten: „Ende 2003 lag die Nettoverschuldung aller gesetzlichen Krankenkassen noch bei sechs Milliarden Euro – sie wurde bereits 2004 auf 1,8 Milliarden Euro reduziert.“

Zum Jahresende dürfte die Bilanz wirklich wieder besser ausgefallen sein, weil das Weihnachtsgeld zusätzliche Beitragseinnahmen in die Kassen spülte und der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen von 1,25 Milliarden Euro überwiesen wurde.

Ungeachtet dessen stiegen die Leistungsausgaben in den ersten drei Quartalen 2005 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,3 Prozent je Mitglied, die beitragspflichtigen Einnahmen gingen um 0,9 Prozent in die Höhe. Im Vergleich zum ersten Halbjahr, als der Ausgabenzuwachs pro Versichertem noch 3,6 Prozent und der Grundlohnanstieg 0,8 Prozent betrugen, habe sich die Schere zwischen Mehrausgaben und -Einnahmen aber wieder etwas geschlossen, betont Schmidt. In erster Linie habe sich die Ausgabenseite deshalb verbessert, weil im Krankenhaussektor die Kostenzuwächse flacher wurden. Steigende Einnahmen kann Schmidt nur deshalb verbuchen, weil die Bezieher der Arbeitslosenhilfe jetzt Arbeitslosengeld II erhalten und dafür höhere Beiträge entfallen.

Kosten für Pillen & Pasten: „exorbitant zu hoch“

Die Arzneimittelausgaben schossen um 20 Prozent in die Höhe, allerdings fiel der Kostenanstieg nach einem Bericht der Apothekerverbände im Oktober und November wieder leicht auf knapp 13 beziehungsweise 15 Prozent.

Damit gaben die gesetzlichen Kassen im Gesamtjahr 2005 mit voraussichtlich rund 23 Milliarden Euro für Pillen und Pasten knapp drei Milliarden Euro mehr aus als noch 2004. „Exorbitant zu hoch“ lautete denn auch die Reaktion der Regierung. Sie macht Ärzte und Pharmaindustrie für die ausufernden Belastungen verantwortlich. Scheininnovationen seien der Hauptkostentreiber. Leicht veränderte Präparate ohne Zusatznutzen würden von den Firmen auf den Markt geworfen und von den Ärzten unkritisch verordnet. Wesentlicher Grund für den Anstieg dürfte aber sicherlich auch sein, dass der Extrarabatt der Pharmaindustrie für die Kassen mehr als halbiert wurde. Nichtsdestotrotz hat die Selbstverwaltung für Schmidt „versagt“. Sie will jetzt per Gesetz intervenieren. Eine Regelung im Sparpaket der Regierung sieht bereits vor, dass die Ärztehonorare bei angeblich unwirtschaftlicher Verordnung von Medikamenten verringert werden sollen – das umstrittene Bonus-Malus-Prinzip. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kündigte schon Widerstand dagegen an.

Im Zuge der Gesundheitsreform, stellt die Ministerin sich vor, könne sie die Sätze „mindestens stabil halten“, wenn nicht gar „senken“. Davon ist man allerdings zurzeit noch weit entfernt. Zwar liegt der durchschnittliche Satz laut Schmidt zurzeit bei 13,25 Prozent.

Doch haben vier Allgemeine Ortskrankenkassen und neun Betriebskrankenkassen pünktlich zum neuen Jahr eine Erhöhung beschlossen. Und dies teilweise nicht zu knapp. Die AOK Schleswig-Holstein beispielsweise hat die Beiträge um 0,8 Prozentpunkte von 13,6 Prozent auf 14,4 Prozent nach oben geschraubt. Teuerste Kasse Deutschlands wird die AOK Saarland mit 14,6 Prozent.

Schmidt ist trotz allem überzeugt, dass die Reform zu Einsparungen führt: Mit Hausarztmodellen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), integrierter Versorgung und Bonusprogrammen könne man gesundheitsbewusstes Verhalten gezielt fördern. Nur würden die vorhandenen Möglichkeiten einfach noch nicht vollends ausgeschöpft. Auch hier kritisiert Schmidt die Selbstverwaltung, die in ihren Augen die GMG-Maßnahmen nicht stark genug nutze.

Aber auch die integrierte Versorgung scheint nicht das Allheilmittel zu sein – auch im Krankenhaus kletterten die Kosten von Januar bis September 2005 je Mitglied um 2,8 Prozent. Im ersten Halbjahr lag die Steigerung noch bei vier Prozent. Schmidt rechtfertigt den Zuwachs mit der Sonderzahlung von 300 Millionen Euro, die sich bis 2009 auf 700 Millionen Euro erhöht und die Umstellung der Kliniken auf neue Arbeitszeitmodelle finanzieren soll.

Aufgeblähter Wasserkopf

Gingen die Verwaltungskosten 2004 um ein Prozent zurück, blähte sich die Bürokratie in den ersten drei Quartalen 2005 wieder um 2,1 Prozent auf. Schuld daran sind maßgeblich die Betriebskrankenkassen (BKKn): Dort schwoll der Wasserkopf um ungeheuerliche elf Prozent, während bei den übrigen Kassen die Schreibtischarbeit nur moderat anstieg oder rückläufig war.

Immerhin in einem Bereich sind die Kosten wieder gesunken: Der Krankenstand erreichte den historischen Tiefststand von 3,3 Prozent und führte bei den Krankengeldausgaben zu einem Rückgang von sieben Prozent.

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