Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht

Ausrutscher vorprogrammiert

Für Arbeitgeber haben harte Zeiten begonnen: Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) pflügt dasdeutsche Arbeitsrecht um, wie keine Änderung seitKriegsende. Fatal, dass der Aufwand für kleine wie für große Betriebe derselbe ist. Und die Umsetzung eilt, denn Verstöße könnten teuer werden.

Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) pflügt das deutsche Arbeitsrecht um, wie keine Änderung seit Kriegsende. Dabei werden die vollen Auswirkungen erst in den nächsten Jahren deutlich, wenn die Gerichte die nötigen Grundsatzurteile erlassen haben. Letztlich wird der Europäische Gerichtshof dabei über die Auslegung bestimmen, da das AGG auf EU Richtlinien beruht, die Deutschland als letztes Land der EU mit dreijähriger Verspätung umgesetzt hat. Seit dem 18.08.2006 verpflichtet dieses Gesetz jeden Arbeitgeber – unabhängig von der Arbeitnehmerzahl – jede Benachteiligung wegen bestimmter Merkmale (Diskriminierung) zu unterlassen.

Ziel des Gesetzes ist es, den Grundsatz der Gleichbehandlung insbesondere im Arbeitsrecht durchzusetzen. Entscheidungen sollen nach Sachgründen und nicht nach Vorurteilen fallen. Dieses Ziel verfolgt die EU mit Nachdruck, schon weil sie sich als Zusammenschluss von 25 Staaten verpflichtet sieht, jedem ihrer Bürger gleichberechtigte Arbeit in allen anderen Staaten zu ermöglichen.

Umfragen bei Unternehmen, die entsprechende Regeln schon eingeführt haben, zeigen erhebliche wirtschaftliche Vorteile, wie zufriedenere Kunden und Mitarbeiter sowie effizientere Personalauswahl.

Andererseits sind die Belastungen und Risiken gerade für kleinere Arbeitgeber erheblich. Die neuen Anforderungen erfordern zwingend, die Personalarbeit schnell umzustellen. Die Haftungsrisiken sind erheblich!

Hier kommt Zusatzaufwand auf die freiberuflichen Zahnärzte zu. Haben sie die Umstellung geschafft, macht die Personalarbeit kaum mehr Mühe als bislang.

Großbritannien hat ähnliche Regelungen bereits eingeführt. Mit knallharten Ergebnissen: 2005 erhielt beispielsweise eine farbige Ärztin einen Schadenersatz von rund 2,3 Millionen Euro wegen einer diskriminierenden Kündigung.

Verstöße gegen das AGG können leicht die Existenz gefährden. Insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen und bei Ausschreibungen drohen Klagen.

Knallharte Regeln

Diskriminierung ist die Benachteiligungen wegen

• der „Rasse“ und der ethnischen Herkunft,

• des Geschlechts,

• der Religion oder Weltanschauung,

• einer Behinderung,

• des Alters oder

• der sexuellen Identität, § 1 AGG.

Verbotene Benachteiligungen sind gemäß § 3 AGG Belästigungen, wozu auch Mobbing wegen eines Diskriminierungsgrundes gehört, sexuelle Belästigung und Anweisung zu einer Benachteiligung. Zu unterscheiden ist zwischen unmittelbarer Benachteiligung („Männer stellen wir nicht ein“) und mittelbarer Benachteiligung. Mittelbar benachteiligt, wer neutral aussehende Anforderungen stellt, die zur stärkeren Belastung einer Gruppe führen. Wer zum Beispiel perfekte Deutschkenntnisse verlangt, diskriminiert mittelbar Ausländer.

Unmittelbare Diskriminierung ist zulässig, wenn das geforderte Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung, der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist, bestimmt § 8 AGG. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Frauen für eine weibliche Filmrolle gesucht werden. Altersdiskriminierungen (§ 10 AGG) und mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 2 AGG) sind bereits dann gerechtfertigt, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und das Vorgehen angemessen ist, hier gilt der „Grundsatz des mildesten Mittels“.

Arbeitgeber dürfen einzelne benachteiligte Gruppen fördern und dadurch die anderen Gruppen benachteiligen, § 5 AGG, zum Beispiel durch Ausschreibungen: Bei gleicher Qualifikation werden Männer bevorzugtals Sprechstundenhilfen eingestellt. als Sprechstundenhilfen eingestellt.

Die – vermeintlich – Benachteiligten dürfen sich beim Arbeitgeber beschweren und können eine  Stellungnahme verlangen, so § 13 AGG. Sie dürfen die Arbeit verweigern, wenn der Arbeitgebernichts oder offensichtlich zu wenig unternimmt um eine (sexuelle) Belästigung abzustellen, regelt § 14 AGG. Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine – angebliche – Diskriminierung, hilft er einem Betroffenen oder sagt zu dessen Gunsten als Zeuge aus, darf er nach § 16 AGG deswegen nicht benachteiligt werden: eine diesbezügliche Kündigungen zum Beispiel ist unwirksam

Benachteiligten stehen gemäß § 15 AGG Schadenersatz für materielle Verluste sowie Schmerzensgeld zu. Der materielle Schaden umfasst zum Beispiel bei einer Kündigung unter anderem den gesamten entgangenen Lohn, bis der Diskriminierte eine neue Stelle gefunden hat sowie die damit verbundene Minderung der künftigen Rentenansprüche.

Nach vorherrschender Ansicht ist zur Berechnung des Schadens das britische Modell zu übernehmen. Danach erhält der Benachteiligte den gesamten Lohn bis zur Verrentung multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung bis zur Rente in diesem Betrieb. Zusätzlich fällt ein abschreckend hohes Schmerzensgeld an: in der Regel ein Bruttojahresgehalt, mindestens aber 30 000 Euro; eine ausnahmsweise Begrenzung auf höchstens drei Monatsgehälter gilt, wenn der Arbeitgeber bei einer Ausschreibung (und sei es unbewusst!) diskriminiert hat, aber dann beweist, den besseren Bewerber eingestellt zu haben.

Allein für die – für ihn folgenlose – Diskriminierung bei der Bewerbung erhält der Benachteiligte bis zu drei Monatsgehälter Schmerzensgeld. Dabei muss er eine Diskriminierung laut § 22 AGG nicht einmal beweisen, sondern nur glaubhaft machen, indem er

• Fehler in der Stellenausschreibung belegt (ausschließlich für Frauen oder Männer oder mit Altersgrenze), oder

• auf Fragen nach Diskriminierungsmerkmalen im Vorstellungsgespräch verweist oder

• Statistiken (zum Beispiel Anteil von Frauen an Führungspositionen oder Anteil von Männern an Sprechstundenhilfen) vorlegt. Hat er die Diskriminierung glaubhaft gemacht, muss der Arbeitgeber diese widerlegen oder eine Rechtfertigung vorlegen.

Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter umfassend vor Diskriminierung schützen. Andernfalls haftet er auch, wenn Mitarbeiter sich gegenseitig diskriminieren oder durch Patienten benachteiligt werden, zum Beispiel durch Beleidigungen. Die Haftung für Fehlverhalten der Mitarbeiter ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Mitarbeiter geeignet geschult hat, zum Beispiel durch Vorträge von Fachkräften oder durch Selbstlernprogramme (E-Learning), § 12 II 2 AGG.

Die Arbeitnehmer können sich von einem Antidiskriminerungsverband oder der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unterstützen lassen. Betriebsräte und Gewerkschaften können in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern den Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen das AGG auf Einhaltung der Vorschriften verklagen, § 17 AGG. Die Gerichte können für jeden Verstoß gegen eine gerichtliche Anordnung Bußgeld bis zu 10 000 EUR verhängen.

Dr. Klaus Michael AlenfelderFachanwalt für ArbeitsrechtWolfsgasse 8, 53225 BonnE-Mail:kma@alenfelder.de

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