Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

das statistische Bundesamt zählt in Deutschland offiziell 6,6 Millionen Menschen mit Behinderung (Stand 2003), die Hälfte davon ist älter als 65 Jahre. Schätzungen gehen von einem noch weit größeren Bevölkerungsanteil von zehn Prozent aus.

Einmal vor Augen geführt heißt das: Jeder zehnte Patient einer Zahnarztpraxis müsste „barrierefrei“ behandelt werden. Aber was bedeutet „barrierefrei“, was ist „behindertengerecht“?

Modelle für „behindertengerechte“ Praxen wurden in den zurückliegenden Jahren in der zahnmedizinischen Fachwelt immer wieder aufgezeigt. Aktivitäten wie das vielbeachtete internationale Symposium der Bundeszahnärztekammer im April 2004 oder die in diesem Frühjahr ausgerichtete Koordinierungskonferenz in Erfurt, aber auch viele Initiativen und seit Jahren erzielte Fortschritte auf Länder- und Regionalebene haben hier Wege aufgezeigt, die nicht unerreichbar mustergültig, sondern alltagsbezogen gangbar sind.

Aber trotz hervorragender Kenntnisse in Wisssenschaft, Technik und Organisation: Die für alle Fälle ausgerichtete „behindertengerechte“ Praxis gibt es nicht, wird es auf Grund der Vielzahl individueller Behinderungen und angesichts immer wieder neuer Entwicklungen wohl auch nicht geben können.

Frustrierend? Im Gegenteil, die Erkenntnis, dass es kein fixes Ziel gibt, kann eigentlich eher Mut machen. So begriffen ist jede Maßnahme zur „Barrierefreiheit“ ein Schritt in die richtige Richtung.

Für jeden, der sich alltagsrelevant mit diesem Thema auseinander setzt, ist allerdings Eines grundlegend wichtig: „Barrierefreiheit“ beginnt nicht am abgesenkten Bordstein vor der Praxis-Haustür. „Barrierefreiheit“ beginnt in unseren Köpfen.

Nur wer Integration gerade nicht als Einbahnstraße – nach dem Motto: „Wir holen die Kranken in unsere Welt zurück.“ –, sondern als einen Prozess des Voneinander-Lernens begreift, kann sich auch gedanklich richtig auf die Erfordernisse einstellen und so die Voraussetzungen schaffen, die die Behandlung von behinderten Menschen verbessert, ihnen das ohnehin schwierigere Leben vielleicht erleichtert.

Glücklicherweise hat sich seit Beginn der siebziger Jahre gesellschaftlich manches bewegt. Aber auch hier gilt: Integration ist ein fortlaufender Prozess, Ziele werden – ausgerichtet an technischer, sozialer und medizinischer Entwicklung – immer wieder neu formuliert. Hier liegt noch vieles vor uns. Kleine Schritte dieses Weges will die Titelgeschichte dieser Ausgabe aufzeigen.

Und die von Manchem vielleicht gedachte, von uns zm-lern nur rethorisch zu stellende Frage, ob sich Investitionen für diese Patientenklientel auch „lohnen“, der sollte denjenigen zuhören, die in diesem Bereich bereits aktiv sind.

Denn deren Begeisterung beantwortet das am besten.

Mit freundlichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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