Neuer Leistungskatalog auf Basis der Neubeschreibung

Ringen um GOZ

Zahnheilkunde kann weit mehr als die derzeitigen Leistungskataloge des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (BEMA) und der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) vorgeben. Das hat die Zahnärzteschaft mit ihrem Konzept zur Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bereits im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages 2005 deutlich herausgestellt. Um einer seitens der Politik immer wieder drohenden Tendenz zum „Ausverkauf“ der ZahnMedizin entgegenzuwirken, hat die Bundeszahnärztekammer jetzt einen auf der Neubeschreibung basierenden Leistungskatalog vorgelegt. Präventionsorientiert und den heutigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse berücksichtigend soll er dazu beitragen, eine reelle GOZNovellierung zu ermöglichen.

Wir müssen mit Nachdruck, aber mit aller Sachlichkeit verdeutlichen, dass die in der Öffentlichkeit andiskutierten Pläne der Bundesgesundheitsministerin, privat und gesetzlich Krankenversicherte zunehmend über einen Kamm zu scheren, für das System des deutschen Gesundheitswesens extrem schädlich sind“, betonte BZÄK-Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp angesichts des jetzt vorgestellten Vorschlags für die Leistungspositionen einer nach derzeitigem Stand der Zahnheilkunde ausgerichteten neuen Gebührenordnung: „Mit dem von uns erarbeiteten Vorschlag für einen an die Neubeschreibung der präventionsorientierten Zahnheilkunde angelehnten Leistungskatalog bieten wir eine Systematik an, die genau in diese Richtung zielt. Sie soll die Diskussion um eine neue GOZ endlich wieder auf zeitgerechte, sichere Füße stellen.“

Zeitgemäße Standards ...

Mit dieser innovativen, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) erarbeiteten Leistungsbeschreibung will die Bundeszahnärztekammer dem Zahnarzt eine Grundlage bieten, „die es ihm ermöglicht, dem Patienten eine am medizinisch Notwendigen und auch an den subjektiven Wünschen des Patienten ausgerichtete Therapie zu offerieren“, heißt es im Vorwort des Ende März veröffentlichten „Verzeichnisses der zahnärztlichen Leistungen“.

Die Gründe für diesen Schritt sind für den Vorsitzenden des Senates für privates Leistungs- und Gebührenrecht der BZÄK, Dr. Peter Engel, klar ersichtlich: „Die für die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZMK) derzeit gültige Gebührenordnung stammt in ihren Ursprüngen aus den sechziger Jahren, wurde letztmalig im Jahre 1988 überarbeitet. Sie entspricht in weiten Teilen nicht mehr dem heutigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse“, erklärt der jüngst in seinem Amt bestätigte Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein.

Der Senats-Vorsitzende hat in einem Schreiben an den für die GOZ-Novellierung zuständigen BMG-Abteilungsleiter Franz- Heinrich Schäfer diese grundsätzliche Bedeutung des Projektes ausdrücklich hervorgehoben. Auch der Gesetzgeber müsse, so Engel, „endlich zur Kenntnis nehmen, dass unser Fach seit Ende der achtziger Jahre eine intensive Weiterentwicklung erfahren hat, die aus fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie aus neuen und verbesserten medizinischen Techniken resultiert“. Das neue „Verzeichnis der zahnärztlichen Leistungen“ erfasst – auf Basis der Maßgaben der Neubeschreibung – 231 Positionen aus den Bereichen

• Diagnostik

• Gebietsübergreifende Leistungen

• Früherkennung und Prophylaxe

• Zahnerhaltend-restaurative Leistungen / Endodontie

• Kieferorthopädie

• Parodontologie

• Funktionsanalytik / -therapie

• Chirurgie / Implantologie

• sowie die prothetisch-restaurativen Leistungen.

Diese Leistungspositionen bilden, so betont die BZÄK, die wissenschaftlich begründeten zeitgemäßen Standards für eine genau definierte Gebührenordnung innerhalb des Berufsstandes.

... statt Bematisierung

Gerade gegenüber dem BMG hat die Bundeszahnärztekammer immer wieder „den grundlegenden Wert“ der Neubeschreibung einer präventionsorientierten ZMK für eine Neuformulierung und -strukturierung der GOZ betont.

Dennoch hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG ) in einem Hintergrundgespräch – an dem vom BMG Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder, der Leiter der AG GOZ Franz-Heinrich Schäfer sowie Abteilungsleiter Franz Knieps, auf BZÄK-Seite Präsident Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, der Vorsitzende des Senats für Gebührenrecht Dr. Peter Engel sowie BZÄK-Hauptgeschäftsführer Klaus Schlechtweg teilnahmen – erneut die Auffassung bekräftigt, der BEMA sei ausreichend wissenschaftlich begründet, um auch als Grundlage für die neue Gebührenordnung für Zahnärzte dienen zu können. Schröder legte dabei Wert darauf, im Bereich der Prothetik der Festzuschusssystematik zu folgen. Der Staatssekretär vermerkte, dass das BMG sich eine problemlose, in transparenter Gestaltung erfolgende „Andockung“ der Privatleistungen an die des BEMA wünsche.

Die BZÄK hatte im BMG hingegen deutlich machen können, dass eine neue GOZ die gesamte präventionsorientierte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde umfassen müsse. Vereinbart wurde letztlich, den von der Arbeitsgruppe GOZ im Ministerium erarbeiteten Leistungskatalog mit dem der BZÄK abzugleichen. Geprüft werden sollte, so der Stand des Hintergrundgesprächs im Ministerium, ob die Ergebnisse der Arbeitsgruppe nur einen erweiterten BEMA ergeben oder tatsächlich den Leistungsspiegel eines freien Heilberufes darstellen.

Engel: „Das BMG muss endlich anerkennen, dass BEMA und GOZ ganz unterschiedlichen Zielsetzungen dienen.“ Während der BEMA Leistungen nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit – ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich – regelt, erhebe die GOZ immerhin den Anspruch, das gesamte wissenschaftlich mögliche Leistungsspektrum der ZMK zu umschreiben. Was gegenwärtig in der „alten“ GOZ festgehalten ist, entspricht, so auch BZÄK-Präsident Weitkamp, „längst nicht mehr dem zahnmedizinischen Status quo“: „Wir brauchen hier endlich eine Angleichung an den Stand der Wissenschaft“, fordert Weitkamp und warnt ausdrücklich vor einer „Bematisierung der GOZ“.

In einem Treffen der BMG-Arbeitsgruppe Ende März ließen die Sachbearbeiter des BMG trotzdem offen, ob die vorab mit dem Staatssekretär getroffenen Absprachen auch tatsächlich umgesetzt werden. Weitkamp: „Wir nehmen das zum Anlass, den vereinbarten Abgleich zunächst selbst in die Hand zu nehmen.“ Ein synoptischer Abgleich der Arbeitsergebnisse des BMG und des BZÄK-Leistungsverzeichnisses soll den Nachweis erbringen, dass an dem Leistungsverzeichnis der BZÄK „kein Weg vorbei führen sollte“. „Einen zahnmedizinisch nicht haltbaren ‘Flickenteppich’”, so Weitkamp, „können und werden wir nicht mit verantworten.“

Keine Vermischung der Systeme

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte in den zurückliegenden Monaten schon mehrfach ihre Versuche gestartet, eine Nivellierung der nicht dem GKV-System zugeordneten Maßgaben zu erreichen. Zu attraktiv erschien ihr der Gedanke, die Gelder der funktionstüchtigen, von den privaten Krankenversicherungen getragenen Bereiche des Gesundheitswesens in ein gesetzlich vereinheitlichtes System einzugliedern. „Ein großer und unwiderruflicher Schritt zu dem von Ulla Schmidt präferierten Modell einer Bürgerversicherung“, warnt der BZÄK-Präsident.

Letztlich ist – trotz der vielfach seitens der CDU/CSU geäußerten Kritik an den Übergriffen auf die Privaten Krankenversicherer – noch nicht klar (Stand: Redaktionsschluss), welchen Weg die Regierung Angela Merkels in den großen Reformfragen beschreiten wird.

Deutschlands Zahnärzteschaft hat gerade vor der seitens der SPD propagierten Vereinheitlichung und einer Vermischung der Systeme von gesetzlichen und privaten Krankenversicherern immer wieder gewarnt und deutlich gemacht, wie gefährlich derartige Schritte für die Qualitätssicherung der zahnmedizinischen Entwicklung in Deutschland sind.

Im Spitzenfeld

Denn mit der Weiterentwicklung der ZMK haben sich in den letzten Jahrzehnten auch deren Zielsetzungen verändert. BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich: „Prävention ist zum Alltag in den Praxen geworden.“ Beispiel Kinder- und Jugendprophylaxe: Hier nehme Deutschland inzwischen im internationalen Vergleich eine Spitzenposition ein.

Bestätigung für diesen Erfolg der Zahnärzteschaft erhielt der BZÄK-Vize anlässlich der Verleihung des Hufeland- Preises am 29. März in Köln – ausgerechnet vom BMG-Staatssekretär: „Wir bewegen uns im Spitzenfeld und wir sollten das nicht aufgeben.“ So gesagt, aber durch praktische Umsetzung des Gesetzgebers für die Zukunft keineswegs abgesichert.

„Das Wesen der Neubeschreibung“, so Oesterreich weiter, „liegt in seinem präventionsorientierten, synoptischen Ineinandergreifen von Diagnostik, Therapie und Recall unter Einbezug des Verhaltens des Patienten“. Dabei werden auch die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wechselwirkung von Erkrankungen des Mundraums mit denen des Gesamtorganismus einbezogen.

Lebenslange Prävention

Das nach fünfjähriger Vorbereitung von der BZÄK, der Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde und der KZBV gemeinsam erarbeitete und auf dem Deutschen Zahnärztetag vorgestellte Konzept der Neubeschreibung manifestiert genau diesen wichtigen Paradigmenwechsel in der ZahnMedizin. Erstmals wurden über alle Fachbereiche hinweg, ausgehend von einer strukturierten Diagnostik die wissenschaftlich abgesicherten Methoden und Maßnahmen der ZahnMedizin unter besonderer Berücksichtigung der Prävention beschrieben.

Das ihr zugrunde liegende Prinzip ist Schadensvermeidung, Früherkennung sowie die minimalinvasive und ursachengerechte Restauration. Ihr Ansatz „reicht weit über die Förderung reiner primär-prophylaktischer Leistungen einer Karies- oder Parodontitis- Prophylaxe hinaus“, heißt es in der Präambel des wegweisenden Grundlagenwerks der Zahnärzteschaft. Sie soll nicht nur „Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen verhindern, sondern darüber hinaus gewährleisten, alle oralen Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, den Eintritt weiterer Schäden zu vermeiden sowie für eine möglichst frühzeitige funktionelle und strukturelle Wiederherstellung zu sorgen“.

Im Vordergrund stehe dabei eine lebensbegleitende, strukturerhaltende Prävention in sämtlichen Bereichen der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Dieser Ansatz habe das Ziel, „langfristig den Umfang stark invasiver, substanzopfernder Maßnahmen zu reduzieren und die Lebensqualität durch Erhalt der oralen Gesundheit in ihrer Wechselwirkung zum Gesamtorganismus positiv zu beeinflussen. Dieses Ziel könne aber nur dann optimal verwirklicht werden, „wenn es gelingt, die Patienten von der Notwendigkeit ihrer Mitverantwortung zu überzeugen und eine kontinuierliche Mitarbeit bei der Erhaltung der Mundgesundheit sicherzustellen.

Die Zahnärzteschaft hatte allerdings auch aufgezeigt, wo die Grenzen selbst dieser auf Eigenverantwortung zielenden Präventionssystematik liegen: Dieser Ansatz lasse sich auf die präventive Betreuung und Therapie von unkooperativen Kindern und Patienten mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung, aber auch von alten oder multimorbiden Patienten nur eingeschränkt übertragen. Auch der bei diesem Patientenkreis anfallende erhebliche zusätzliche Betreuungs- und Therapie-Aufwand werde in der Neubeschreibung nicht berücksichtigt. Hier habe die Befunderhebung und zahnärztliche Diagnostik, insbesondere die Verhaltensdiagnostik, die Bewertung des individuellen Erkrankungsrisikos und das Gespräch des Zahnarztes mit den Patienten eine besondere Bedeutung, umschreibt die Präambel der Neubeschreibung den Rahmen einer auf Prävention und Wissenschaftlichkeit abstellenden Zahnheilkunde.

Ein für die Patienten offenes System

Deutschlands Zahnärzteschaft, so waren sich die Spitzen der BZÄK, DGZMK und KZBV anlässlich der Vorstellung des Neubeschreibungskonzeptes auf dem Deutschen Zahnärztetag 2005 einig, erwartet von der Gesundheitspolitik eine „entsprechende Berücksichtigung des Konzeptes bei zukünftigen gesundheitspolitischen Weichenstellungen“.

In der Diskussion müsse vor allem auch beachtet werden, dass „die neuen Behandlungsstrategien und Therapieformen das Berufsbild in der zahnärztlichen Praxis und die Arbeit in Diagnostik, Prävention und Therapie zunehmend verändert haben“. Art und Umfang der ZMK würden heute nicht mehr primär vom Therapieprinzip, sondern befund- und indikationsbezogen geprägt.

Die Konsequenz: Bei gleichem Ausgangsbefund seien häufig verschiedene Therapieformen mit unterschiedlichem Aufwand und unterschiedlicher medizinischer Auswirkung im Einzelfall möglich. Entscheidend für die Patienten sei, dass ihnen auf Basis der neuen Systematik nicht mehr nur objektiv medizinisch notwendige, sondern auch subjektiv gewünschte Behandlungsmethoden offen stünden.

Praktikable Maßstäbe

Eine direkte Übernahme dieser Neubeschreibung hält die Zahnärzteschaft im Rahmen des gegenwärtigen Systems in Gänze derzeit allerdings für nicht ohne Weiteres möglich. Weitkamp: „Sowohl die gesetzliche Krankenversicherung als auch die Kostenerstatter Private Krankenversicherung und Beihilfe sind aus fachlicher wie auch ökonomischer Sicht an Grenzen gestoßen, die eine adäquate Anpassung der bestehenden Gebührenordnungen an den medizinischen Fortschritt bisher verhindert haben.“

Eine präventionsorientierte Zahn-, Mundund Kieferheilkunde wie sie die Neubeschreibung insgesamt vorsieht, sei nur realisierbar, wenn die bestehenden Erstattungssysteme grundlegend in Hinblick auf eine Festzuschusssystematik verändert würden. Noch eindeutiger sei das im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung: Hier sei die Finanzierbarkeit medizinisch anerkannter Leistungen kaum noch zu gewährleisten, eine neue Ausgestaltung von daher unausweichlich.

Aber gerade im Bereich der GOZ-Novellierung, die nach jahrzehntelanger Aufforderung durch die Zahnärzteschaft zu einem Zeitpunkt angegangen wird, in der sich das ökonomische Diktat wie ein roter Faden durch alle Diskussionen zieht, muss nach Ansicht der BZÄK ein Mindestmaß der heute anerkannten modernen Zahnheilkunde ermöglicht werden. Hier setze der neu definierte Leistungskatalog – auch unter Berücksichtigung der ökonomischen Lage, die nur eine schrittweise Umsetzung der Neubeschreibung zulässt – praktikable Maßstäbe, die eine qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung in Deutschland weiterhin ermöglichen können.

Das Angebot steht

Auf eine letztlich doch noch haltbare Entwicklung der Verhandlungen zur GOZ-Novellierung lässt hoffen, dass im Gespräch mit Staatssekretär Schröder übereinstimmend festgehalten wurde, dass nach In- Kraft-Treten einer neuen GOZ alle nicht erfassten und neuen zahnärztlichen Leistungen abrechenbar sein sollen. Durch einen solchen Schritt werden Innovationen in der Zahnheilkunde gefördert oder zumindest nicht weiter behindert. „Trotz gegensätzlicher Ausgangspositionen konnten wir im Gespräch wachsendes Verständnis für unsere Standpunkte gewinnen“, hält der BZÄK-Präsident als Ergebnis des Hintergrundgespräches fest und erneuert die Bereitschaft der Zahnärzteschaft, zu klären, in welchen Bereichen besonders große Differenzen zwischen den beiden Entwürfen von BMG und BZÄK für den GOZ-Leistungskatalog klaffen. Erst dann, so heißt es aus der Bundeskammer, könne konkret über das weitere Vorgehen beraten werden.

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